Schallschutzmuschel

Von Kopfsteinpflaster und Rasenflächen

von Julia Schmitz 5. September 2021

Es wurde viel gestritten diese Woche in Prenzlauer Berg: Um den Thälmannpark, den Recyclinghof und den Wasserturm. Dazu gab’s Musik – hier kommt unser Newsletter zum Nachlesen.


Eine LKW-Kolonne, die in aller Frühe über das Kopfsteinpflaster scheppert – da gibt es wirklich Schöneres. Zwar muss man als Bewohner*in Berlins durchaus starke Nerven haben, was laute Geräusche angeht. Doch im Umfeld des BSR-Recyclinghofs an der Behmstraße scheint der Lärm in letzter Zeit überhand genommen zu haben, berichten uns Leser*innen aus der Nachbarschaft. Ganz zu schweigen vom Sperrmüll, der einfach am Straßenrand abgestellt wird, wenn der Hof geschlossen ist und so zu einem Hindernis für Menschen zu Fuß oder auf dem Fahrrad wird. Was man in der „Causa Behmstraße“ tun könnte, damit sich die erhitzten Gemüter wieder beruhigen und die Anwohner*innen Schlaf finden, davon handelt ein Antrag der Pankower SPD-Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) – übrigens der letzten vor der Wahl am 26. September. Was dort besprochen wurde, lest ihr in unseren

Texten der Woche

Was sonst noch los war

  • Wahl 2021: Wer will für unseren Kiez in den Bundestag? Wir haben die Direktkandidat*innen für Prenzlauer Berg und Prenzlauer Berg Ost zum Gespräch an einen Ort ihrer Wahl gebeten. Teil 7: Volt Deutschland.
Mauerpark

Einer der schönsten Orte in Prenzlauer Berg: Das Birkenwäldchen im Mauerpark /
Foto: Christina Heuschen

Aus dem Bezirk

Thälmannpark: „Was ist das für eine BVV in Pankow?“ fragt die Anwohnerinitiative Ernst-Thälmann-Park wütend in einem Brief an die Presse. Seit Jahren setzt sie sich dafür ein, dass der Park nicht geteilt werden muss, um Platz zu machen für einen Erweiterungsbau der Grundschule am Planetarium. Im Juni hatte die Initiative deshalb einen Anwohnerantrag in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) gestellt, der unter anderem forderte, dass die Grünflächen weiterhin für alle Menschen begehbar sein sollen. Doch als sich Anfang August der zuständige Ausschuss für Schule, Sport und Gesundheit mit dem Antrag befasste, kam es offenbar zu verbalen Rangeleien: „Da die Antworten des Bezirksamtes den Vertretenden der Bürgerinitiative nicht gefielen, wurde der Ton und die Ausdrucksweise der Diskussion überwiegend sehr emotional und unsachlich“, heißt es im Protokoll. Als ein Vertreter der Initiative begann, dem Bezirksamt zu drohen, habe man die Diskussion beendet. Der Ausschuss einigte sich daraufhin, der BVV die Ablehnung der Drucksache zu empfehlen. Und die Anwohner*innen? Die sind wütend: „Wir ziehen eine Normkontrollklage in Betracht. Viele unserer Antragsunterzeichner sind sehr enttäuscht ob der Parkteilung und wissen nicht, wen sie noch wählen sollen. Der zivile Ungehorsam ist sehr, sehr gewiss.“

Schallschutz: Zoff gab es in den letzten Jahren auch immer wieder im Mauerpark, Anwohner*innen beklagten sich über den Lärm durch Straßenmusiker*innen. Doch das Thema könnte bald vom Tisch sein, denn ab dem kommenden Freitag wird die erste Schallschutzmuschel oder „acoustic shell auf dem Gelände getestet. Das war ursprünglich schon für die Sommersaison 2020 geplant, doch wie wir alle wissen, kam etwas dazwischen. Die Lärmbarriere, die in Zukunft die Geräusche der Musiker*innen Richtung Jahnstadion und damit weg vom Wohngebiet leiten soll, ist aus Birkenholz gefertigt, ca. sechs Meter breit und drei Meter hoch. Mit knapp 19.000 Euro hat die Senatsverwaltung für Verkehr und Umwelt das Pilotprojekt gefördert, der Rest der Gesamtkosten von ca. 23.000 Euro wurde durch Spenden finanziert.  „Wir zeigen mit den Acoustic Shells wie innovativer Lärmschutz und Kulturförderung in Pankow zusammengeht und hoffen, dass das Konzept nicht nur im Mauerpark erfolgreich ist, sondern dass dieser innovative Ansatz auch in anderen Parks und Städten Schule macht”, so Alexander Puell, Vorsitzender des Vereins „Freunde des Mauerparks“.

Wasserturm: Vielleicht sollte man eine dieser Schallschutzmuscheln auch auf dem Plateau am Wasserturm installieren? Der steht exponiert inmitten des Kollwitzkiez, wie Ping Pong-Bälle werden Geräusche zwischen den Häuserfronten hin- und hergeworfen – vor allem Hundegebell. War es in den letzten Jahren verboten, seinen Vierbeiner mit auf den Hügel zu nehmen (wir berichteten), so wurde das Verbot vergangene Woche vom Bezirksamt aufgehoben: Ab sofort ist es zwischen 6 und 22 Uhr wieder erlaubt, die Fellnase dort spielen zu lassen. Das kommt bei Einigen gar nicht gut an: „Als unmittelbarer Anwohner leide ich unter der Lärmbelästigung durch Hundegebelll, insbesondere in den Morgenstunden zwischen 6 und 9 Uhr, massiv”, schreibt ein Bewohner der Kolmarer Straße in einem offenen Brief an Bezirksstadtrat Vollrad Kuhn (Grüne). Doch er sorgt sich nicht nur um seinen eigenen Schlaf, sondern auch um den Zustand der Grünfläche. Hunde könnten ihre Krallen nicht einfahren und würden allein durch ihr Laufen bereits Schaden an dem Rasen anrichten – der überdies durch mangelnde Pflege kaum vorhanden sei, schreibt er, und fordert Kuhn dazu auf, die Entscheidung zurückzunehmen.

Parklets: Nach Park kommt Parklet: Ende 2018 hatte der Bezirk vier davon entlang der Schönhauser Allee aufstellen lassen; zwei zum Abstellen von Fahrrädern, zwei weitere sollen Fußgänger*innen zum Verweilen – an der stark befahrenen Straße – einladen. Viel Kritik mussten die Zuständigen dafür einstecken, nicht nur, weil die Holzkonstruktionen mit je 50.000 Euro stark zu Buche schlugen. Wer es bezahlen soll, dass die Parklets demnächst an andere Orte im Kiez umgesetzt werden, ist übrigens auch noch nicht klar. Dabei sind Sitzmöbel im öffentlichen Raum eine gute Idee, finde ich. Das dachte sich auch der Verein PowerShift aus Prenzlauer Berg: Seit kurzem stehen auf der Gudvanger Straße, der Dunckerstraße und der Templiner Straße „Platzparks“, die mit ihren knalligen Farben dem herbstlichen Grau den Stinkefinger zeigen. Peter Fuchs, Geschäftsführer der NGO, erklärt: „Wir verstehen die Platzparks als Alternative zu Parkplätzen für Autos. Die Privatisierung öffentlichen Raums durch kostenlos oder viel zu billig abgestellte Privat-PKW finden wir ungerecht; teilweise sogar gefährlich (Sichtachsen) und oft der Verkehrswende und anderen Nutzungen öffentlichen Raums im Wege stehend.“ Momentan sei der Verein bereits auf der Suche nach weiteren Orten, die auch barrierefreier seien, so Fuchs. Zuvor hatte ein Mitglied unserer Facebook-Nachbarschaftsgruppe kritisiert, dass man als Rollstuhlfahrer*in die Parklets nicht nutzen könne.


BVV

Der BVV-Saal in der Fröbelstraße / Foto: Julia Schmitz

Direkt aus der BVV

Zum ersten Mal seit Oktober kamen die Bezirksverordneten von Pankow wieder im BVV-Saal in der Fröbelstraße anstatt virtuell in ihren Arbeitszimmern zusammen – und wurden auch dort von der Technik im Stich gelassen. Weil das Abstimmungssystem wohl im Home Office zurückgeblieben war, musste die rote (oder die grüne) Karte gezückt werden. Und das wurde an diesem Abend im Schnelldurchlauf für unzählige Anträge getan; es galt, offene Themen noch vor der Wahl abzuschließen. Zunächst gab es jedoch Musik: Die Big Band der Béla Bartók Musikschule brachte Stadtrat Vollrad Kuhn (Grüne) ein fetziges Ständchen zu seinem 65. Geburtstag – Allet Jute, sagen auch wir!

Und um was ging es inhaltlich? Erstaunlich einig waren sich die Verordneten darin, in Pankow Pfandringe an den Mülleimern anzubringen und so genannte „Schenkschränke“ zu installieren (die Vorsteher Michael Meer zunächst als „Schankschränke“ bezeichnete und einige Lacher erntete). Auch bezüglich des Sportentwicklungsplans, über den wir im Mai berichteten, war man sich schnell einig: Er soll in Zukunft zur Grundlage für alle Planungen bei Sportanlagen dienen und auch bei größeren Bauvorhaben berücksichtigt werden. Konsens herrschte auch bei einem ernsten Thema, nämlich dem Mangel an Zufluchtswohnungen für von Gewalt bedrohten Frauen: Es müsse dringend mehr davon geben, forderte die SPD Fraktion – und erhielt breite Zustimmung.

Und die Klaviere im öffentlichen Raum? Der dazugehörige Ausschuss hatte die Ablehnung des Antrags empfohlen, doch die SPD-Fraktion wollte das nicht akzeptieren und löste eine lebhafte Diskussion unter den Fraktionen aus. „Es hält Sie doch niemand davon ab, mit Spenden ein eigenes Klavier zu kaufen und auf die Straße zu stellen“, so eine Verordnete der Grünen. Letztendlich stimmten 19 Verordnete dafür, 19 dagegen, der Rest enthielt sich – somit ist der Antrag nicht angenommen. Einstimmig verabschiedet wurden hingegen der Antrag mit der Forderung, dass Bezirksamt solle einen Bebauungsplan für das Areal der Kulturbrauerei aufstellen: Das Gelände könnte so langfristig gesichert werden. Der Kollege beim Tagesspiegel kennt die Details.

Und was wäre eine BVV ohne den Protest von außen? Eben. Die Belegschaft des geschlossenen Kinos Colosseums hatte sich mit Transparenten und Plakaten vor dem Eingang in der Fröbelstraße postiert. Grund dafür waren gleich drei Einwohneranträge zum Kino, die im Vorfeld gestellt worden waren – und die allesamt abgelehnt wurden. Begründung: Die Einreicherin hatte nicht als Privatperson, sondern als Sprecherin der Mieterpartei unterschrieben. „Wir sind sehr enttäuscht“, so ein Sprecher des Vereins „Rettet das Colosseum“.

Wie sich die BVV nach der Wahl zusammensetzt, welche Zählgemeinschaften gegebenenfalls entstehen und welche Schwerpunkte die Parteien setzen wollen – das erfahrt ihr im Oktober an dieser Stelle.


Kriminelles & Unschönes

  • Angriff: Am Freitagmorgen soll ein bisher unbekannter Mercedesfahrer in der Bötzowstraße einen 24-jährigen Fußgänger verletzt haben. Zeugen gaben an, der Autofahrer sei mit überhöhter Geschwindigkeit auf den Mann zugefahren und habe – als dieser im zu erkennen gab, er solle langsamer fahren – sogar noch beschleunigt und ihn mit dem Außenspiegel touchiert haben. Im Anschluss habe der Fahrer gebremst, sei ausgestiegen und habe auf den Fußgänger eingetreten. Die Polizei ermittelt.
  • Demos: Am Samstag und Sonntag zogen mehrere Demonstrationszüge durch Prenzlauer Berg: Mehrere tausend Menschen versammelten sich auf der Danziger und Greifswalder Straße, um gegen die aktuelle Corona-Politik zu protestieren. Die Demonstration war zuvor verboten worden, die Teilnehmer*innen trugen keinen Mund-Nasenschutz. Im Verlauf der Demonstration kam es zu mehreren Festnahmen und dem Einsatz von Pfefferspray seitens der Polizei. Der „Zug der Liebe“, der am Samstag im Mauerpark startete, wurde gegen 17.30 Uhr von der Polizei aufgelöst, weil sich laut Angaben der Beamten ein Großteil der Teilnehmer*innen nicht an die Abstands- und Maskenregeln gehalten hatten.

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5 Fakten über die Prenzlauer Berg Nachrichten


Tipps & Termine

  • 4./5.9.: Die Bornholmer Gärten werden sage und schreibe bereits 125 Jahre alt – aus diesem Anlass laden die Kleingärtner*innen zu einem zweitägigen Kiez- und Erntedankfest. Auf dem Programm stehen u.a. ein „Gipfeltreffen der Berliner Spitzenpolitik“ (4.9., 11 Uhr) sowie Konzerte, Führungen und Workshops. Der Eintritt ist frei.
  • 5.9.: Bereits zum neunten Mal lädt der Förderverein „Weingarten Berlin“ e.V. zum Sommerkonzert in den Weingarten ein: Das Trio Scho spielt Lieder und Balladen aus aller Welt, dazu gibt es Kaffee und Kuchen. Die Teilnahme kostet 5 Euro, Einlass nur getestet, genesen oder vollständig geimpft. Beginn ist um 15 Uhr.
  • 7.9.: Im Rahmen der Kunstwoche der Kommunalen Galerien Berlins widmet die Galerie Pankow dem 2019 verstorbenen palästinensischen Künstler Kamal Boullata, der lange in Berlin lebte, eine Einzelausstellung: Gezeigt werden über 50 Malereien, Grafiken und Künstlerbücher. Die Eröffnung findet ab 19 Uhr statt, im Anschluss läuft die Ausstellung noch bis zum 7. November. Der Eintritt ist frei.

Das habt ihr vielleicht verpasst

  • Bundestagswahl: Wer will für unseren Kiez in den Bundestag? Wir haben die Direktkandidat*innen für Prenzlauer Berg und Prenzlauer Berg Ost zum Gespräch an einen Ort ihrer Wahl gebeten. Teil 5: FDP.
  • Bundestagswahl II: Wer will für unseren Kiez in den Bundestag? Wir haben die Direktkandidat*innen für Prenzlauer Berg und Prenzlauer Berg Ost zum Gespräch an einen Ort ihrer Wahl gebeten. Teil 6: AfD.

Zitat der Woche

Diese Situation ist sehr verbesserungsbedürftig

kommentierte ein Mitglied in unserer Facebook-Nachbarschaftsgruppe die aktuelle Lage am BSR-Recyclinghof in der Behmstraße. Ein Satz, den man aktuell häufiger sagen könnte, oder?

Ob ihr akut etwas verbessern möchtet oder vorerst alles beim Alten bleiben darf: Ich wünsche euch ein schönes Wochenende!

Eure Julia Schmitz
und die ganze Redaktion


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