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Kiezkultur verteidigen

von Christina Heuschen 19. September 2021

Jubelschreie am Teutoburger Platz, Angst um die Jugendfarm Moritzhof und der BER von Prenzlauer Berg: Was diese Woche im Viertel passiert ist, erfahrt ihr im Newsletter.


Atelierplätze für Künstler*innen verschwinden, das Colosseum musste schließen und nun ist auch noch die Kulturbrauerei bedroht. Für die Kulturszene in Prenzlauer Berg sieht es düster aus. In anderen Bereichen läuft es nicht besser. Eltern finden keine Kita- und Schulplätze und beim Bürgeramt müssen die meisten monatelang warten, bis sie einen Termin bekommen. Alle Parteien sind sich einig, dass sich etwas ändern muss. Doch was und wie genau wollen sie das umsetzen? Wir hatten euch um eure Fragen an die Kandidat*innen gebeten; diese haben wir im Anschluss an die Parteien geschickt, die aktuell bereits im Abgeordnetenhaus sitzen. Ihre Antworten polarisieren. Wie die Pläne der Politiker*innen aussehen, erfahrt ihr in unseren

Texten der Woche

Kiezfoto der Woche

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Wenn Mama das sagt / Foto: Christina Heuschen

 

Aus dem Bezirk

  • Vorkaufsrecht: Falls ihr am Mittwochabend laute Jubelschreie und knallende Sektkorken rund um den Teutoburger Platz gehört habt: Das war die Nachbarschaft der Choriner Straße 12, die ausgelassen feierte. Ein paar Stunden zuvor war nämlich die Frist verstrichen, in der der ursprüngliche Käufer des Wohn- und Geschäftshauses – ein Immobilienunternehmer aus München, der laut eigenem Portfolio dem Altbau gerne ein monströses Glasdach aufgesetzt hätte – Widerspruch hätte einlegen können. Weil die Gegend als Milieuschutzgebiet ausgewiesen ist, hatte der Bezirk Pankow aber von seinem Vorkaufsrecht Gebrauch gemacht und das Eckhaus zusammen mit der Genossenschaft Bremer Höhe erworben – ungefähr gleichzeitig mit den Häusern in der Schönhauser Allee 135/135a und der Florastraße 68 in Pankow. „Uns fällt ein riesiger Stein vom Herzen”, sagt Marcel Hellstern, Inhaber des Cafés „Lass uns Freunde bleiben”.
  • Mauerpark: Was machen Menschen, wenn es ihnen verboten wird, sich an einem Ort zu treffen? Richtig: Sie suchen sich einfach einen anderen. Als das Bezirksamt Mitte im Sommer auf die nächtlichen Ausschweifungen Jugendlicher im James-Simon-Park mit einer Sperrung desselben reagierte, zogen die Grüppchen einfach weiter – und zwar in den Mauerpark. Dort war in den wenigen warmen Sommernächten vor allem am Wochenende so viel los, dass die Polizei zum Dauergast wurde: „Ab der 30. und 31. Kalenderwoche musste die Polizei zum Teil zwei mal täglich zu Einsätzen angefordert werden, wenn die Situation vor Ort vom Parkdienst als nicht mehr beherrschbar eingeschätzt wurde, d. h. die Besuchergruppen deutlich über 50-100 Personen lagen und die Parknutzer auf Ansprachen nicht mehr reagierten”, heißt es in einer Antwort des Abgeordnetenhaus auf eine Anfrage des CDU-Politikers Stephan Lenz. Auch sei es zu Beschädigungen der erweiterten Parkfläche gekommen: Ein Sonnensegel auf dem Spielplatz wurde zerschnitten, Toilettenhäuschen beschädigt und Fenster eingeworfen. Der Schaden wird auf 10.000 Euro geschätzt. Um die Jugendlichen in Zukunft gezielt ansprechen zu können, plane der Bezirk nun Aktionstage an verschiedenen Wochenenden, heißt es weiter. Auch die Zeiten, in denen der Parkdienst seine Runden dreht, wurden verlängert.
  • Jahnsportpark: Wird der Jahnsportpark der BER von Prenzlauer Berg? Eigentlich wollte der Senat noch vor der Wahl am 26. September den Entschluss fassen, welches der drei Szenarien zwischen Tops- und Gaudystraße umgesetzt wird: Der Abriss des alten und der Bau eines neuen Stadions, die Sanierung des alten Stadions oder der Bau eines neuen Stadions inklusive Erhalt und zukünftiger Teilnutzung des alten Gebäudes. Doch wie der Tagesspiegel berichtet, wird die Entscheidung nicht mehr in dieser – nur noch kurzen – Legislaturperiode fallen. Vor Oktober oder November sei damit nicht mehr zu rechnen, sagte eine Sprecherin der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen der Tageszeitung. Die drei Varianten müssten planerisch noch einmal vertieft werden, ebenso wie die Berechnung der Kosten, heißt es weiter. Um Abriss, Neubau oder Sanierung des Stadions mit den im Stadtbild markanten Scheinwerfertürmen wird seit Jahren diskutiert – jetzt verschiebt sich das Ganze also noch weiter nach hinten.
  • Brückenbau: 1926 wurde die Dunckerbrücke aus einer Stahlkonstruktion gefertigt, 1976 folgte ein Neubau aus Beton und nun soll es wieder eine neue Version geben – denn der schlechte Zustand der Dunckerbrücke erfordert einen Abriss. Aus der Antwort auf eine kleine Anfrage des Bezirksverordneten Roland Schröder (SPD) geht nun hervor, dass die Planungen für den Bau in Kürze beginnen sollen. Konkrete Details enthält die Antwort des Bezirksstadtrats Vollrad Kuhn (Bündnis 90/Die Grünen) allerdings keine, da die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz (SenUVK) zuständig ist. Wie aus dem Schreiben jedoch hervorgeht, wäre eine Fahrradstraße im Rahmen der Radschnellverbindung Panke-Trail perspektivisch möglich. Ziel der SenUVK ist es, 2025 mit dem Bau der neuen Brücke zu beginnen und diese innerhalb von zwei Jahren fertigzustellen.
  • Kiezblocks: Mit den sogenannten „Kiezblocks” sollen Autos aus den Quartieren gehalten und die Lebensqualität erhöht werden. Damit sind die Straßen innerhalb eines Kiezes vor allem für den Fuß- und Radverkehr da. Lediglich Rettungsfahrzeuge, Lieferverkehr und Anwohner*innen dürfen dann mit ihrem Auto durchfahren können. Maßnahmen, wie Einbahnstraßen oder Diagonalsperren an ausgewählten Kreuzungen, sollen das Durchfahren des Kiezes mit einem Kraftfahrzeug verhindern. Nun startet das Bezirksamt Pankow im Frühjahr 2022 einen einjährigen Verkehrsversuch. Dafür wird das Komponistenviertel in Weißensee zu einem Kiezblock umgestaltet werden. Die Technischen Universitäten Berlin und Dresden werden den Versuch wissenschaftlich begleiten, wie das Bezirksamt Pankow mitteilt. So werden Wissenschaftler*innen untersuchen, ob die Einrichtung eines Kiezblocks zu einer Reduzierung der Verkehrsbelastung führt, ob die Mobilität weiterhin gewährleistet bleibt und die Sicherheit sowie die Umwelt- und Aufenthaltsqualität im Kiez erhöht werden. Eine erste öffentliche Infoveranstaltung findet am Dienstag, 21. September 2021 von 16-19 Uhr in der ehemaligen Kaufhalle im Komponistenviertel in der Gürtelstraße 31 statt. Bürger*innen können an der Veranstaltung teilnehmen und vor Ort auch Fragen stellen sowie Ideen und Anregungen einbringen.

Jugendfarm Moritzhof / Foto: Verein Netzwerk Spiel/Kultur Prenzlauer Berg

Droht der Jugendfarm Moritzhof das aus?

Abenteuerspielplätze oder Kinderbauernhöfe waren während der Pandemie für viele Kinder und Jugendliche oft der einzige Ort, an dem sie sich mit Gleichaltrigen treffen konnten oder ein wenig „Normalität“ erleben konnten. Einen Beitrag leistet der Verein Netzwerk Spiel/Kultur Prenzlauer Berg mit seinem Abenteuerlichen Bauspielplatz Kolle 37 und der Jugendfarmhof Moritzhof. Kinder hätten sich seit Beginn der Pandemie nach Bewegung und dem Kontakt zu anderen Kindern und Tieren gesehnt, sagt Birgit Blank. „Sie waren sogar regelmäßiger da als sonst“, erzählt die pädagogische Mitarbeiterin des Moritzhofs. Doch der Verein hat Angst.

Denn obwohl die Jugendarbeit in Berlin schon seit Jahren unterfinanziert ist, befürchten die Einrichtungen in Pankow mit Blick auf den Haushalt 2022/23 weitere Kürzungen. Allein im Bezirk Pankow droht laut Berechnungen der AG „§ 78 Offene Kinder- und Jugendarbeit Pankow“ ein Defizit von rund 1,1 Millionen Euro. Grund sei unter anderem eine andere Kosten-Leistungs-Rechnung. Dies könnte zur Schließung von einzelnen Einrichtungen im Bezirk führen, kritisiert Stephan Metzner. „Das ist nicht hinnehmbar. Es gibt nur noch ganz wenig Einrichtungen für Kinder und Jugendliche. Jugendarbeit ist nichts, was ausschließlich ehrenamtlich passiert. Das ist eine ganz klare staatliche Aufgabe“, sagt der Geschäftsführer vom Verein Netzwerk Spiel/Kultur Prenzlauer Berg. Tatsächlich steht im SGB IIIV, dem Kinder- und Jugendhilfegsetz, dass Angebote zur Förderung von Kindern und Jugendlichen zur Verfügung gestellt werden müssen. Nun hat sich der Verein an die Öffentlichkeit gewandt, um Schließungen zu verhindern.

Die Bezirksjugendstadträtin Rona Tietje (SPD) stimmt zu, dass die neue Berechnung ein großes Problem für den Bezirk Pankow sei. Dennoch gebe es keine Pläne, die Etats zu kürzen. „Wir haben uns als Bezirk ganz klar dazu bekannt, Jugendarbeit auf dem Niveau zu halten.“ Nichtsdestotrotz seien die Steuereinnahmen Berlins durch Corona niedriger und es sei unklar, wie die fehlenden Einnahmen kompensiert werden. „Wir als Bezirk plädieren dafür, nicht die sozialen Leistungen zu kürzen“, fügt Tietje hinzu.

Für Metzner ist klar: „Eigentlich wollen wir das, was die Standards des Jugendfördergesetzes sind. Die müssten einfach umgesetzt werden.“ Im Fall des Abenteuerspielplatz Kolle 37 wären das 4,6 Personalstellen. Tatsächlich bekommt der Verein über den Bezirk aber nur 2,5 Personalstellen gefördert. „Das ist jetzt erst einmal der Auftrag an Politik. Das muss geklärt werden. Da gehört Geld in die Hand genommen“, fordert Metzner. Wichtig ist ihm und seinen Kolleg*innen, dass Jugendarbeit nicht gegen andere soziale Probleme ausgetauscht wird.


Kriminelles & Unschönes

  • Transfeindlichkeit: In der Nacht zu vergangenem Sonntag attackierte eine Männergruppe eine 55-jährige Person in Frauenkleidung. Kurz vor Mitternacht soll die Gruppe begonnen haben, diese zu bespucken. Anschließend habe die Gruppe die Person mit Bier übergossen und mit Reizgas besprüht. Die Angreifer entkamen, wie die Polizei mitteilte.

Tipps & Termine

  • 19.09: Im letzten Jahr erschien Leif Randts Roman „Allegro Pastell“. Wer sehnsüchtig auf etwas Neues wartet, hat Glück. Denn Randt präsentiert am Samstag und Sonntag im Rahmen der Berlin Art Week seine Audiocollage „Fokus Color Italia“. Darin begleiten die Zuhörer*innen die Unternehmerin Joelle von der Mosel und das App-Genie Sina vom Chiemsee auf eine spätsommerliche Urlaubsfahrt. Die Veranstaltungen beginnen heute um 15 Uhr im Zeiss-Großplanetarium.
  • 23.09.: Von Rassismus über Homofeindlichkeit bis hin zu Misogynie: In ihrem Buch „Why we matter“ deckt Emilia Roig Muster von Unterdrückung in zahlreichen Bereichen auf. Dabei blickt sie auch auf ihre eigene Familie. Damit möchte Roig auch ein neues Bewusstsein dafür schaffen, wie die Welt auch sein könnte. Nächsten Donnerstag liest sie aus ihrem Buch bei den Frauenkreisen vor. Die Veranstaltung ist kostenlos und wird je nach Pandemiesituation online oder in der Choriner Str. 10 stattfinden. Wer Interesse hat, meldet sich per Mail unter drakos@frauenkreise-berlin.de an.

Das habt ihr vielleicht verpasst

  • Verkehr: Neben dem Bundestag wird am 26. September auch das Berliner Abgeordnetenhaus gewählt. Wir haben eure Fragen gesammelt und die Parteien um Antwort gebeten: Los geht es mit dem Themenkomplex „Verkehr und Stadtentwicklung“.
  • Wohnen: Im September findet die Wahl für das Berliner Abgeordnetenhaus statt. In den Prenzlauer Berg Nachrichten antworten die Parteien auf eure drängendsten Fragen. Dieses Mal beschäftigen wir uns mit dem Themenkomplex „Wohnen und Bauen“.
  • Klima: In diesem Wahlkampf um Sitze im Abgeordnetenhaus kommt keine Partei um das Thema „Umwelt und Klima“ herum. Aber welchen Stellenwert nimmt es ein und welche Maßnahmen planen die Parteien?
  • Schallschutz: Am Freitag wurde die erste „Schallschutzmuschel“ im Mauerpark aufgebaut: Wird sie dazu beitragen, dass es weniger Beschwerden wegen Lärmbelästigung aus der Nachbarschaft gibt?

Zitat der Woche

„Die Kultur- und Kreativwirtschaft sind bedeutende und unverzichtbare Wirtschaftsbranchen und internationale Aushängeschilder für unsere Stadt“,

sagt die SPD. Die Partei fordert für die Branche finanzielle und unbürokratische Unterstützung in dieser für sie schwierigen Zeit. Vor allem aber sollen die gesetzlichen Rahmenbedingungen geändert werden. Wir werden verfolgen, wie sich das tatsächlich entwickelt. Zunächst einmal werdet ihr aber in der kommenden Woche mehr über die Personen erfahren, die als Bezirksbürgermeister*in kandidieren.

Bis dahin wünsche ich euch ein wunderbares Rest-Wochenende!

Eure Christina Heuschen
und die ganze Redaktion

Titelfoto: Julia Schmitz


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