Schönhauser 135a

„Berlin, bitte vorkauf mich!“

von Julia Schmitz 29. Juni 2021

Wochenlang haben die Mieter*innen in den Häusern Schönhauser Allee 135 und 135a gezittert, ob der Bezirk das Vorkaufsrecht in Anspruch nehmen kann. Nun ist eine erste Entscheidung gefallen.


Auf dem Bürgersteig stehen Stühle und eine Tischtennisplatte, es gibt Bier. „Kleine Ansage an BlueRock: Das machen wir jetzt jeden Freitag bis ihr weg seid“ twitterte die Hausgemeinschaft der Schönhauser Allee 135/135a vergangene Woche. Es ist der letzte Freitag vor dem 28. Juni – der Stichtag, an dem der Käufer des Gebäudes die unterschriebene Abwendungsvereinbarung an den Bezirk zurückschicken muss. Diese würde ihn standardmäßig unter anderem dazu verpflichten, für die nächsten Jahre auf „Luxussanierungen“ zu verzichten, also zum Beispiel kein zweites Bad oder eine Fußbodenheizung einzubauen und die entstandenen Kosten dann auf die Mieter*innen abzuwälzen. Auch Staffelmieten und die Ankündigung von Eigenbedarf sowie die Zusammenlegung von Wohnungen sind ausgeschlossen beziehungsweise eingeschränkt.___STEADY_PAYWALL___

Dass der Käufer besagte Abwendungsvereinbarung gar nicht erst unterschreibt, sondern vom Kauf zurücktritt, darauf haben die Bewohner*innen der Nummer 135 zwei Monate lang gehofft. Denn bei dem potentiellen neuen Eigentümer handelt es sich um das Immobilienunternehmen Blue Rock Group, deren Manager Ronny Pifko in den letzten Monaten in Berlin auf Shoppingtour unterwegs gewesen ist: Seit Herbst 2020, so berichtet die Immobilien-Zeitung, hat der Schweizer für über 64 Millionen Euro elf Wohn- und Geschäftshäuser in beliebten Stadtteilen wie Kreuzberg, Friedrichshain und Prenzlauer Berg erworben.

Schönhauser Allee

Die Mieter*innen hoffen, dass der Bezirk das Vorkaufsrecht anwenden kann / Foto: Julia Schmitz

 

Immobilienwert steigern

Ein Blick in das Portfolio des Unternehmens zeigt, dass es sich in den meisten Fällen um zwar grundsanierte, aber nicht übermäßig modernisierte Gebäude handelt. Mit dieser Tatsache kalkuliert Pifko offenbar: Der Großteil der Häuser, darunter auch die Schönhauser Allee 135/135a, befindet sich in Milieuschutzgebieten, die Bestandsmieten liegen oft unter dem ortsüblichen Mietspiegel. Pifko, heißt es, wolle vor allem Baulücken schließen, in den Höfen verdichten und Dachgeschosse ausbauen, damit neuen Wohnraum zu schaffen und den Wert der Immobilie steigern – um sie in ein paar Jahren mit Gewinn wieder zu verkaufen.

Eine Strategie, die sich mit der Kombination aus Abwendungsvereinbarung und den Vorgaben eines sozialen Erhaltungsgebiets allerdings nur erschwert umsetzen ließe. „Dem Käufer geht es sicher um Profit, und den kann man auf diese Weise nicht machen“, so ein Hausbewohner.

Am Dienstagmorgen wurde jetzt bekannt: Die Blue Rock Group hat die Frist tatsächlich verstreichen lassen und keine Abwendungsvereinbarung beim Bezirksamt eingereicht. Das macht nun von seinem Vorkaufsrecht Gebrauch und erwirbt die Häuser in der Schönhauser Allee 135/135a zusammen mit der Wohnungsgenossenschaft Bremer Höhe eG – die auch das Haus in der Choriner Straße 12 übernehmen möchte. Bis das in trockenen Tüchern ist, müssen die Hausbewohner*innen allerdings noch mindestens vier Wochen warten: So lange hat der Käufer nämlich das Recht, Widerspruch einzulegen.

 

Titelbild: Julia Schmitz

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