Noch sechs Tage Zeit haben die Mieter*innen in der Kastanienallee 12, um ihr Haus vor der Teilungsversteigerung zu retten. Jetzt wenden sie sich mit einem offenen Brief an Franziska Giffey.
„Gilt Ihr Versprechen für ausreichend bezahlbaren Wohnraum zu sorgen nur für den Neubau oder auch dafür ein Stück des sozial gerechten Berlins bereits heute zu sichern?“ In der Hausgemeinschaft der „K12“ läuft ein Countdown – und es ist kein positiver. Nur noch bis zum 30. November haben die Bewohner*innen Zeit, den Kauf der insgesamt vier Häuser in der Kastanienallee 12 zusammen mit der Wohnungsbaugenossenschaft Selbstbau e.G. umzusetzen. Dann läuft die Schonfrist ab, welche die Erbengemeinschaft den Mieter*innen gegeben hat, eine Verlängerung dieser ist rechtlich nicht möglich.
Verstreicht sie, kommt es zu einer Teilungsversteigerung der Häuser. Und das wäre vermutlich das Aus für die jahrzehntelang gewachsene Gemeinschaft der über 50 Wohnungen rund um den ehemaligen Hirschhof. „Wenn wir nicht fristgerecht Teil der Genossenschaft Selbstbau e.G. werden, sind wir Fischfutter für die Haie auf dem spekulativen Immobilienmarkt dieser Stadt“, schreiben die Bewohner*innen jetzt in einem offene Brief an die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD).
___STEADY_PAYWALL___
Keine Antwort vom Senat
Um die Häuser ankaufen zu können, ist die Genossenschaft auf finanzielle Unterstützung des Landes Berlin angewiesen, für Fälle dieser Art hat der Senat ein Genossenschaftsförderprogramm ins Leben gerufen. Im vergangenen Jahr konnten sie die Häuser in der Choriner Straße 12 und der Schönhauser Allee 135 gerettet werden. Nach der Wahl im Herbst hatte es zunächst geheißen, die Fördertöpfe seien leer und könnten erst mit dem neuen Haushaltsplan gefüllt werden.
Der steht seit Längerem fest – doch noch immer warten die Menschen in der K12 auf Antwort des Senats. „Unser Antrag auf Unterstützung eines genossenschaftlichen Modells liegt seit Ende Juni (!) der zuständigen Senatsverwaltung vor. Seitdem warten wir auf konstruktive Gespräche. Erst kam monatelang gar nichts. […] Kurz vor endgültigem Aus kommen nun Aussagen, dass man ‚im Gespräch‘ stehe und ‚auf einem guten Weg‘ sei.“
Aus diese Gesprächen erfuhren die Mieter*innen, dass der Förderung vor allem ein Hindernis im Weg stehe: Das Haus sei zu billig. Genauer gesagt sei der Kaufpreis, den die Erbengemeinschaft veranschlagt hat, zu gering und die Bestandsmieten im Haus seien zu niedrig – die aktuellen Förderrichtlinien greifen in dem Fall nicht. Auch die Mischung aus Wohnen und Gewerbe im Haus stellt ein Problem dar. Um diese bürokratische Absurdität zu umgehen, müssten die Richtlinien geändert werden. Oder der Fall einzeln betrachtet werden.
„Die Bewohner*innen und wir wollen keine Ausnahme und kein Geld was nicht da ist. Wir fordern die Anpassung der bisherigen Verwaltungspraxis an den konkreten Fall. Das beispielsweise angewendete Verfahren zur Ermittlung des nicht förderfähigen Anteils am Kaufpreis für die Gewerbeflächen führt, auch angesichts steigender Zinsen, zur sofortigen Unwirtschaftlichkeit und zum Versagen der notwendigen finanziellen Unterstützung. Diese Verwaltungspraxis bei den Berechnungen ist in keinem Gesetz und in keiner Richtlinie vorgeschrieben und kann aus unserer Sicht von den Verantwortlichen auch ohne das Parlament angepasst oder geändert werden“, heißt es dazu seitens der Selbstbau e.G.
In der Geschichte der sozialen Stadterneuung habe es eine Reihe von Förderungen gegeben, in denen das Problem mit der Bewertung der Gewerbeflächen in jedem einzelnen Fall betrachtet und gelöst wurde, sagt eine Bewohnerin der K12. Immer wieder werde der Genossenschaft und dem Projekt vorgeworfen, die Verwaltung könne doch nicht jeden konkreten Fall betrachten. „In den letzten 3 Jahren wurden meiner Kenntnis nach 16 Projekte gefördert. Der Aufwand dafür, dass dann der jeweiligen Situation angemessene und vom Fördernehmer leistbare Entscheidungen getroffen werden können, scheint vertretbar.“
Protestaktion und Ausstellung
Die Häuser in der Kastanienallee 12 stechen heraus aus den vollständig sanierten Altbauten des Kiezes: Etliche der Wohnungen werden noch mit Kohleofen beheizt, teilweise gibt es sogar noch Außentoiletten. „Der Putz bröckelt, aber wir haben Freiraum, Solidarität und eine verlässliche Gemeinschaft“, sagen die Mieter*innen. Dass sie diese aus der Zeit gefallene Oase nach einem Verkauf nicht komplett in diesem Zustand erhalten können, ist ihnen bewusst. Doch könnte eine klimagerechte und sozial nachhaltige Sanierung der Gebäude dabei helfen, die „typische Berliner Mischung“ der Bewohner*innen zu erhalten, sagen sie.
Aktuell weiß man sich in der K12 nur noch mit lautem Protest zu helfen. „Wir haben die volle Unterstützung unseres Bezirks, aber auch die ist nur symbolisch, wenn im Senat keine Entscheidungen gefällt werden. Wir haben die Unterstützung der Nachbarschaft und wir selbst arbeiten seit zwei Jahren mit allen Beteiligen dafür, die K12 nicht in die Hände von Investoren gelangen zu lassen. Was bei uns konstruktiv funktioniert, scheitert bislang an dem Willen Berlins, auf das Gemeinwohl zu setzen“, heißt es weiter.
Bis zum 30. November wollen sich die Bewohner*innen jeden Tag um fünf vor zwölf vor das Haus stellen und protestieren. Am Samstag, 26. November eröffnet das Museum Pankow ausserdem die Open Air-Ausstellung „Das ist unser Haus“ in der Prenzlauer Allee. Franziska Giffey sei eingeladen, sich vor Ort selbst ein Bild zu machen. Doch viel Zeit dafür hat sie nicht mehr: Der Countdown läuft.
Titelbild: Julia Schmitz