Hirschhof

Widerstand in der K12

von Julia Schmitz 7. Februar 2022

Erst verschwand der öffentliche Park, jetzt sind auch die anliegenden Häuser bedroht: Erneut müssen Anwohner*innen des legendären Hirschhof zwischen Kastanienallee und Oderberger Straße zittern.


„Meet the Mieters“ steht auf einem gelben Transparent, das an der Hausfassade hängt: „Treffen Sie die Mieter“. Über 100 davon leben in den Wohnungen, die sich hinter der mit Stickern beklebten und von Graffiti verzierten Eingangstür der Kastanienallee 12 in vier weitgehend unsanierten Häusern mit Kohleöfen und drei Hinterhöfen befinden. Mehr als 50 Mietparteien haben in dem klassischen Altbau aus der Gründerzeit ihr Zuhause gefunden.

Doch ob sie das behalten könnten, ist derzeit ungewiss: Die beiden Erben der Immobilie, zwei Brüder, möchten diese loswerden, sind sich aber uneinig über den Weg zum Verkauf und haben den Fall deshalb dem Amtsgericht übergeben. Das erstellt nun ein Gutachten, vielleicht kommt es daraufhin zu einer Teilversteigerung. Ein Horrorszenario für die Bewohner*innen der K12.

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Selbstverwaltung kommt nicht infrage

„In den Häusern wohnen viele Freiberufler oder Menschen, die von der Grundsicherung leben“, erzählt Mila, die als Sprecherin der Hausgemeinschaft eingesetzt wurde. Eine Selbstverwaltung komme für sie nicht infrage, das sei mit so vielen Mieter*innen kaum machbar; nach einer Genossenschaft, die die Häuser mithilfe des Vorkaufsrecht erwirbt, suchen sie ebenfalls noch. Doch auch hier könnte der hohe Eigenanteil, den die Genossenschaft und die Bewohner*innen gemeinsam aufbringen müssen, zum Problem werden. „Das können wir vermutlich nicht stemmen“, sagt Mila. Auf Instagram teilt die Hausgemeinschaft seit kurzem regelmäßig Porträts der Bewohner*innen, um möglichen Investor*innen ein Bild davon zu vermitteln, wer hier eigentlich lebt.

Wir haben uns an einem grauen Tag Anfang des Jahres im Garten der K12 getroffen, auf dem kleinen Rest, der vom ehemaligen „Hirschhof“ übriggeblieben ist: In den 1980er Jahren, noch zu DDR-Zeiten, hatten Bürger*innen eine Initiative gestartet und in dem Zusammenhang die noch immer vom Krieg gezeichneten Hinterhöfe gesäubert. Durch Zusammenlegung mit den Hinterhöfen der Nachbarhäuser entstand ab 1985 eine öffentliche Fläche, die von Künstler*innen gestaltet wurde und in den kommenden Jahren zum Treffpunkt der „Prenzlauer Berg Szene“ wurde.

Der Hirschhof in den 80er Jahren / Foto: Gerd Danigel

 

Vom öffentlichen Park zum kleinen Garten

Doch mit der Wende folgte der Verkauf der Häuser nebenan und mit den neuen Mieter*innen begann der Streit: Man wollte die eigene Gartenfläche nicht mit Hinz und Kunz teilen, forderte die Einzäunung der privaten Grundstücke. Das Oberverwaltungsgericht urteilte 2011, dass der Hirschhof kein öffentlicher Park sei und die Eigentümer*innen also das recht besäßen, sich abzugrenzen. Der Bezirk gab nach längerem Rechtsstreit nach, zog kleine Mauern zwischen den Grundstücken hoch und baute parallel an einem neuen Hirschhof mit Zugang von der Oderberger Straße aus – seit Mitte 2017 ist dieser mit einem Spielplatz wieder für alle nutzbar.

In den nach der Aufteilung nur noch kleinen Garten der Kastanienallee 12 kommt man heute nur, wenn man Bewohner*innen bittet, die Tür am Ende des letzten Hinterhofs aufzuschließen. „Wir würden ihn in Zukunft gerne wieder für alle öffnen“, sagt Mila. Vielleicht könnte auch die namensgebende Hirschskulptur – die damals von drei Künstlern aus Stahl geschmiedet wurde und den Durchgang zum eigentlichen Hirschhof in der Oderberger Straße 15 bildete – wieder an ihren alten Platz zurückkehren. Doch das kann nur geschehen, wenn die Häuser gesichert sind. Vorerst müssen die „Mieters“ noch abwarten.

Titelbild: An der Fassade der K12 hängen Transparente / Foto: Julia Schmitz

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