Mieten statt kaufen

von Julia Schmitz 15. November 2021

Mit Balkon und Parkplatz für das Lastenrad: Eigentlich sollten auf der Berliner Straße knapp 100 Eigentumswohnungen entstehen. Am Donnerstag wurde nun der Grundstein gelegt – allerdings für Mietwohnungen. Wie kommt das?


Dass sich hier ausreichend Platz für drei geräumige Häuser befindet, vermutet man im ersten Moment gar nicht: Auf dem Grundstück in der Berliner Straße 74 befand sich, hinter einem Mehrfamilienhaus aus den 1950er Jahren, bis vor Kurzem eine provisorische Halle für Trödel und Kram. Nun ragen hier Eisenstreben aus dem massiven Betonboden, der auf den märkischen Sand gesetzt wurde, damit die Gebäude einen stabilen Stand haben.

Bis 2024 soll das je sechsstöckige Gebäudetrio mit dem Namen LIV Berlin fertiggestellt werden und Platz bieten für insgesamt 99 Wohnungen von zwei bis fünf Zimmern; auch Penthäuser mit Blick über das nördliche Prenzlauer Berg befinden sich im Portfolio. Anders als bei älteren Bauvorhaben im Kiez wurde – weil Pankow vor zwei Jahren den Klimanotstand ausgerufen hat und alle Bauvorhaben auf ihre Klimafreundlichkeit hin geprüft werden müssen – die Verkehrswende hier gleich mitgedacht: Nur 24 Stellplätze für Autos wird es in der Tiefgarage geben, dafür 300 Parkmöglichkeiten für Fahrräder und sogar 15 für Lastenräder. „Im Zuge der Planungen haben wir ein neues Wort gelernt: ‚Lastenfahrradabstellplatznachweis‘“, erzählt Thomas Albrecht, dessen Architekturbüro Hilmer Sattler das Bauprojekt verantwortet, mit einem Lachen.

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Mieten statt kaufen

Viel Grün, viel Licht, Ruhe und das alles in einem der beliebtesten Stadtteile Berlins, dafür würden einige Menschen wohl alles tun. So war der Ansturm dementsprechend groß, als die Bauwert AG die 99 Wohnungen anbot – und zwar zunächst als Eigentum. „Zwei Maklerbüros waren vor Ort und haben massiv Werbung gemacht; es gab weder Grundrisse noch Showroom, nur die Info, dass bereits Dreiviertel der Wohnungen reserviert sind und die Preise nächste Woche um zehn Prozent erhöht werden. Es ging zu wie auf dem Basar“, erzählt uns Theresa*, die uns vor einigen Wochen angeschrieben hatte, um uns von ihren Erfahrungen zu berichten. Obwohl sie zunächst Interesse an einer 3-Zimmer-Wohnung hatte, entschied sie sich letztendlich gegen das Neubauprojekt.

Doch auch jene, die eine Reservierung abgeschlossen hatten, erhielten vor ein paar Monaten eine böse Überraschung: Die Bauherren zogen alle geplanten Verkäufe zurück, sagten die Notartermine ab. In einer Facebook-Gruppe tauschen sich jene aus, die sich bereits als zukünftige Eigentümer*innen sahen: „Wir haben vor drei Monaten eine Eigentumswohnung reserviert; es hieß die ganze Zeit, man arbeite noch an den Bauunterlagen für unsere Bank. Aber jetzt wurde uns gesagt, dass der gesamte Komplex zu Mietwohnungen gemacht wird und wir nicht mehr kaufen können. Wie ist das möglich?“, schrieb ein Mitglied im Juli.

Auf der Berliner Straße entstehen drei Häuser mit 99 Wohnungen / Bild: Bauwert AG

 

Projekt an Investor verkauft

Wir fragen bei der Bauwert AG nach. Die hat eine einfache Erklärung: Das Neubauprojekt sei zunächst mit Eigentumswohnungen geplant worden, doch dann habe ein Investor die komplette Immobilie gekauft. Um zukünftig allerdings nicht mit 99 Eigentümer*innen diskutieren zu müssen, habe er sich für die Änderung in Mietwohnungen entschieden. Welcher Investor dahinter steckt, will man bei LIV Berlin noch nicht verraten; ebenso wenig, zu welchem Preis die zwischen 50 und 175 Quadratmeter großen Wohnungen in Zukunft vermietet werden sollen. In dem ähnlichen Neubauprojekt „Port-o-Prenz“ auf der Pappelallee werden aktuell 4-Zimmer auf 130 Quadratmetern für 2.400 Euro angeboten, also ca. 18 Euro pro Quadratmeter – Kaltmiete.

Rentieren sich Mietwohnungen vielleicht stärker als Eigentumswohnungen? Eine Frage, die sich Theresa stellt. „Ich habe echt schon viele Dinge auf dem Berliner Immobilienmarkt erlebt, aber das war wirklich komisch“, sagt sie. Sie habe auch überlegt, ob es vielleicht mit dem Mietendeckel zu tun gehabt habe. Der wurde Ende März vom Bundesverfassungsgericht gekippt, die Mieten in Prenzlauer Berg waren im Nachgang wieder angestiegen. Doch galt der Deckel von Anfang an nicht für Neubauten.

Dass in Prenzlauer Berg der Bedarf an Wohnungen hoch ist, ob zum Kauf oder zur Miete, ist kein Geheimnis. Vollrad Kuhn (Grüne) ist davon überzeugt, dass auch höherpreisige Immobilien „zur guten Mischung“ im Kiez beitragen; der kürzlich in den Ruhestand verabschiedete Baustadtrat von Pankow hat den Bebauungsplan für das Neubauprojekt kurz hinter der Stadtteilgrenze damals bewilligt. Als Dank durfte er am Donnerstag eine Kelle Zement auf dem Grundstein in der Berliner Straße 74a verstreichen.

 

* Name von der Redaktion geändert

Titelbild: Grundsteinlegung in der Berliner Straße 74a / Foto: Julia Schmitz

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