Prenzlauer Allee 45

Die Mieter von Prenzlauer Berg – Teil 4

von Kristina Auer 14. Juli 2017

Die Prenzlauer Allee 45 soll von einem Investor gekauft werden – für über sieben Millionen Euro. Teile des Hauses stehen schon leer. Der Bezirk prüft das Vorkaufsrecht, macht aber wenig Hoffnung.

 

Was passiert:

Das Gebäude mit der Klinkerfassade in der Prenzlauer Allee 45 steht im Milieuschutzgebiet Winsstraße. Wie viele Prenzlauer Berger Häuser hat es in der Vergangenheit mehrfach den Besitzer gewechselt. Schon vor Inkrafttreten des Milieuschutzgebietes im Juli 2014 wurde das Mietshaus in Einzeleigentum aufgeteilt: Ein bürokratischer Schritt, der den einzelnen Verkauf von Wohnungen an Privateigentümer und damit die Umwandlung von Miets- in Eigentumswohnungen erlaubt. Seit 2014 wurde dem Bezirksamt der Leerstand mehrerer Wohnungen im Haus angezeigt. Damals gab es auch eine Baugenehmigung für das Haus, die aber inzwischen erloschen ist. Das Gebäude ist in keinem tadellosen Zustand und müsste über kurz oder lang zumindest teilsaniert werden.

Aktuell stehen 12 von 37 Wohnungen in dem Haus leer, in den restlichen leben noch 61 Bewohner. Nun soll das Haus erneut verkauft werden, an den Investor Nedeljko Prodanovic – für sieben Millionen Euro. Aufgrund des Milieuschutzes und der Aufteilung hatten die Bewohner ein Vorkaufsrecht für ihre jeweiligen Wohnungen. Dank des Leerstands kann der Investor aber alle restlichen Wohnungen auf einen Schlag kaufen und die anderen Eigentümer in Eigentümerversammlungen überstimmen. Die Bewohner fürchten für diesen Fall, Modernisierungsarbeiten mittragen zu müssen, die für sie unbezahlbar sind.

 

Der aktuelle Stand:

Die Frist, in der die Mieter das Vorkaufsrecht annehmen und ihre Wohnungen kaufen können, ist abgelaufen. Sechs Mieter haben sich für den Kauf entschieden. Die restlichen hoffen auf Unterstützung von der Bezirkspolitik, um sich gegen mögliche Konsequenzen aus dem Verkauf an den Investor zu schützen. Der Bezirk prüft aktuell noch das Vorkaufsrecht für das gesamte Haus.

Protest der Mieter der Prenzlauer Allee 45 gegen den Verkauf ihres Wohnhauses

 

Das sagen die Mieter:

Auch die Mieter der Prenzlauer Allee 45 haben sich zusammengeschlossen, um gegen den Verkauf ihres Wohnhauses und mögliche Verdrängung vorzugehen. Im März protestierten sie mit einem riesigen Banner an der Fassade gegen die Verkaufspläne. Inzwischen haben die Mieter einen Verein gegründet. Auch sie hoffen, das Haus über das Vorkaufsrecht des Bezirks mithilfe einer Stiftung oder einer Genossenschaft kaufen zu können. Dennoch ist ihnen die Problematik bewusst: „Es bräuchte einen sehr hohen Kredit, sieben Millionen plus möglicherweise nochmal 20 Prozent für eine Teilsanierung“, sagt Mieter Andreas Heuer. Ein anderer Weg wäre laut Heuer, dass eine Stiftung das Grundstück kauft und es per Erbpachtvertrag an eine Genossenschaft vermietet, die das Haus kauft. Die Mieter wissen, dass ihre Chancen gering sind, wollen sich aber nicht kampflos geschlagen geben. „Es wäre ein Zeichen, dass Prenzlauer Berg noch lebt„, sagt Heuer für den Fall, dass der Kauf gelänge.

 

Das sagt der Stadtrat:

Vollrad Kuhn (Grüne) versichert, dass seine Behörde das bezirkliche Vorkaufsrecht für das Haus genau prüft, macht aber wenig Hoffnung: „Es sieht nicht gut aus“. Das Problem ist wieder: der hohe Kaufpreis. Erschwerend hinzu kommt laut Kuhn außerdem die Aufteilung in Einzeleigentum. Durch diese sei unklar, ob der Bezirk ein Vorkaufsrecht überhaupt ausüben könne. Die Rechtslage sei komplex und verworren.

„Wenn das Vorkaufsrecht nicht genutzt werden kann, wie es gerade aussieht, können wir nur versuchen, mäßigend auf den neuen Eigentümer einzuwirken“, sagt Kuhn. Und noch der Hinweis: In Härtefällen, also bei für Mieter unbezahlbaren Mieterhöhungen, könnten bezirkliche Umsetzwohnungen angeboten werden.

 

Fazit: 

Bei der Prenzlauer Allee 45 ist der Bezirk zu spät aktiv geworden. Wäre er frühzeitig gegen den Leerstand vorgegangen, wären alle Wohnungen noch vermietet gewesen, hätten einige Mieter vielleicht eher den Kauf ihrer eigenen Wohnung gewagt. Das sagt auch Andreas Heuer, denn dann hätte es kein Ungleichgewicht zwischen einzelnen Eigentümern und einem Investor, dem mehrere Wohnungen gehören, gegeben.

In der jetzigen Situation steht der Bezirk vor dem gleichen Problem wie in der Danziger Straße 55: Der spekulative Kaufpreis macht eine wirtschaftliche Nutzung des Hauses quasi unmöglich. Es ist deshalb unwahrscheinlich, dass das bezirkliche Vorkaufsrecht in Anspruch genommen werden kann.

 

Die Mieter von Prenzlauer Berg – Teil 1: Immanuelkirchstraße 35

Die Mieter von Prenzlauer Berg- Teil 2: Stargarder Straße 28

Die Mieter von Prenzlauer Berg – Teil 3: Danziger Straße 55

***

Gentrifizierung und Verdrängung sind in Prenzlauer Berg keine neuen Probleme. Trotzdem hat die Politik immer noch kein Mittel gegen sie gefunden. Das zeigen viele Fälle der letzten Monate: In verschiedenen Häusern in Prenzlauer Berg sind Mieter von Kündigungen und  drastischen Mieterhöhungen bedroht, obwohl sie in Milieuschutzgebieten wohnen. Wir nehmen die konkreten Fälle in unserer Mini-Serie unter die Lupe, zeigen, wo die Probleme liegen und fragen, ob unsere Bezirkspolitiker wirklich nicht mehr für Mieter tun könnten.

 

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2 Kommentare

Wolfgang Otto 15. Juli 2017 at 12:40

Liebe Redaktion von PBN, liebe Frau Auer, es ist gut, daß die Presse über solche Probleme auf dem Wohnungsmarkt berichtet. Aber haben Sie nicht das gleiche Problem wie das Bezirksamt? Sie berichten erst dann, „wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist“. Das schürt nur die schlechte Stimmung der Anwohner gegenüber Politik und Investoren. Deshalb nur ein Rat: Halten Sie Augen und Ohren offen, damit alle Beteiligten r e c h t z e i t i g und mit Erfolgschancen reagieren können. Weiterhin viel Erfolg mit den PBN.

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Kristina Auer 24. Juli 2017 at 11:51

Lieber Herr Otto!
Vielen Dank für Ihren Kommentar. Sie haben Recht, es wäre toll, wenn wir Probleme schon im Voraus kommen sehen könnten! Bei manchen übergeordneten Themen ist das der Fall, zum Beispiel wenn es ganz generell um Bevölkerungsentwicklung geht. Gerade Gentrifizierung und die allgemeine Entwicklung der Wohnungssituation sind ja Prozesse, die schon seit vielen Jahren im Gange sind, wir begleiten diese Entwicklungen. In konkreten Einzelfällen ist es aber natürlich schwierig für uns, Dinge vorherzusehen. Anträge für Baugenehmigungen o.ä. gehen ja nicht bei uns ein. Insofern können wir leider oft erst berichten und einordnen, wenn bestimmte Entscheidungen bereits gefallen sind. Natürlich halten wir trotzdem Ohren und Augen offen! Ganz herzliche Grüße!

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