Die Mieter von Prenzlauer Berg – Teil 2

von Kristina Auer 12. Juli 2017

In der Stargarder Straße 28 will der neue Eigentümer sanieren. Die Mieten sollen um bis zu 150 Prozent steigen. Die meisten Bewohner können das nicht bezahlen, viele sind Rentner.

 

Was passiert:

Das Eckhaus in der Stargarder Straße 28 und Dunckerstraße 23 steht im sozialen Erhaltungsgebiet Helmholtzplatz. Viele der Mieter wohnen dort seit Jahrzehnten und sind im Rentenalter. Das Haus ist 2016 an die BlumZweig GmbH verkauft worden. Diese will das Mietshaus umfangreich sanieren: Fassadendämmung, Fahrstühle, Zentralheizung und neue Balkone stehen auf den Bauanträgen. Laut eines Gutachtens, das die Eigentümer in Auftrag gegeben haben, ist die Fassade beschädigt und feucht und muss isoliert werden. Die Mieter haben Modernisierungsankündigungen erhalten, die Mieten sollen sich danach teils mehr als verdoppeln. Die Pankower Bezirksverordnetenversammlung (BVV) hat im April ein Sozialplanverfahren für das Haus beschlossen: Das Bezirksamt soll den Bewohnern helfen, Vereinbarungen mit dem Eigentümer zu treffen, damit sie in ihren Wohnungen bleiben können. Ein Sozialplanverfahren ist allerdings für den Hauseigentümer freiwillig.

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Der aktuelle Stand:

Die Fassadendämmung, der Einbau einer Zentralheizung, der Anbau von Balkonen und der Austausch von Fenstern sind inzwischen vom Bezirk genehmigt worden. Laut Mieterin Catrin haben die Bauarbeiten im Hinterhof begonnen, dort ist die Fassade bereits eingerüstet. Die Fenster des Hinterhauses sind abgedeckt, sodass die Mieter dort kein Licht mehr haben. Dies soll laut Ankündigung bis November so bleiben. Wie die Mieter berichten, habe der Eigentümer ihnen bei freiwilligem Auszug eine niedrige Abfindung angeboten.

20 Mietparteien haben der Modernisierung und Mieterhöhung zugestimmt, sechs haben alles abgelehnt und wollen es auf einen Rechtsstreit ankommen lassen. Einigen von ihnen ist gekündigt worden. Die übrigen sieben haben entweder überhaupt nicht reagiert oder einzelnen Arbeiten zugestimmt. Der Bezirk hat mit den Eigentümern Kontakt aufgenommen, sie leben in Israel. Daraufhin wurde ein Treffen zwischen dem von den Eigentümern bevollmächtigten Architekten, der Mieterberatung und bezirklichen Vertretern verabredet. Laut Mieterberatung habe der Architekt dabei Entgegenkommen signalisiert und auf den Dachgeschossausbau verzichtet. Außerdem wolle der Eigentümer die Wohnungen im Bestand halten und nicht zu Eigentumswohnungen umwandeln. Die angekündigten Mieterhöhungen bleiben jedoch bestehen.

 

Das sagen die Mieter:

Die Mieterinnen Catrin und Friederike glauben, dass der neue Eigentümer nur modernisieren will, um die Mieten zu erhöhen und Altmieter zu verdrängen. Sie sind fest überzeugt, dass der Schaden an der Fassade viel geringer ist als die vom Gutachten befundenen 58 %. „Vor zwei Jahren gab es schon einmal ein Energiegutachten“, sagt Catrin (rechts im Bild). „Damals wurde ermittelt, dass das Haus gut isoliert ist.“ Von einer energetischen Sanierung sei in diesem Gutachten abgeraten worden, weil Kosten und Nutzen in keinem Verhältnis gestanden hätten.

Deshalb hätten sich die Mieterinnen ein zweites, vom Bezirk bezahltes Gutachten gewünscht, um die Mängel zu überprüfen. „Stattdessen wurde alles durchgewinkt“, sagt Catrin. Auch von der Mieterberatung fühlt sie sich nicht ernstgenommen. Man habe den Mietern dort falsche Hoffnungen gemacht. Viele von ihnen sind alt oder krank und können sich die starken Mieterhöhungen nicht leisten. Sie machen sich große Sorgen und können kaum noch ruhig schlafen, sagt Catrin.

Die Mieter finden, der Auftrag der BVV, ein Sozialplanverfahren in Gang zu setzen, sei nicht ausreichend ausgeführt worden. Einige Verordnete aus der Linksfraktion setzten sich für die Mieter ein. Sie habe aber den Eindruck, Stadtrat Kuhn interessierten die Menschen nicht.

 

Das sagt der Stadtrat:

Die Bauanträge zu dem Haus seien in 35 verschiedenen Vorgängen beim Bauamt eingegangen, sagt Stadtrat Kuhn. Diese „Salami-Taktik“ erschwere die Arbeit für den Bezirk erheblich, weil zunächst kein Überblick über alle Maßnahmen möglich sei. Das Amt habe sich umfangreich mit dem Haus beschäftigt und mehrfach und wiederholt konkrete Nachprüfungen angestellt.

Für ein zweites Gutachten zum Zustand des Hauses fehlt im Bezirk laut Kuhn das Geld. Man habe aber einen Energieberater damit beauftragt, das erste Gutachten zu prüfen. Der sei nach zahlreichen Rückfragen, angeforderten Darstellungen und Anpassungen zu dem Schluss gekommen, dass das Gutachten plausibel ist.

Das in der BVV beschlossene Sozialplanverfahren hat laut Kuhn keine Rechtsgrundlage, weil das Konzept aus den ehemaligen Sanierungsgebieten stammt, die aber inzwischen aufgehoben wurden. In den jetzigen sozialen Erhaltungsgebieten existiert das Instrument des Sozialplanverfahrens nicht. „Wir können einem Eigentümer nicht einfach etwas auftragen, das er zu tun hat“, sagte Kuhn im Stadtentwicklungsausschuss. „Ebenso wenig können wir Baugenehmigungen davon abhängig machen, ob die Mieten für die Mieter bezahlbar bleiben.“ Der Bezirk könne die Anträge nur möglichst sorgfältig nach dem Erhaltungsrecht prüfen. Energetische Sanierungen müssten laut Bundesgesetz genehmigt werden. In Härtefällen, in denen Mieter die Erhöhungen nicht bezahlen können, habe der Bezirk den Mietern Umsetzungswohnungen angeboten, so Kuhn.

 

Fazit: 

Die Stargarder Straße 28 wirkt wie ein klassisches Beispiel für Modernisierungsarbeiten, die hauptsächlich aus dem Grund gemacht werden, weil sie den Gewinn für Eigentümer erheblich steigern. Der Bezirk scheint sich verwaltungstechnisch intensiv mit dem Fall beschäftigt zu haben. Dass die Verdrängung vieler Mieter möglicherweise trotzdem nicht verhindert werden kann, zeigt: Es fehlen noch immer die politischen Mittel. Die Bundesgesetzgebung, nach der elf Prozent der Kosten für energetische Sanierungsmaßnahmen anteilig auf die Mieter umgelegt werden können, erschwert den Kampf gegen Mietsteigerungen erheblich. So gesehen kann man argumentieren, dass bestimmte Modernisierungsarbeiten politisch gewollt sind, und Verdrängung und Mieterhöhungen dafür bis zu einem gewissen Punkt in Kauf genommen werden. Die Bezirkspolitiker haben darauf keinen Einfluss. Es werden deshalb dringend funktionierende politische Werkzeuge benötigt.

 

Die Mieter von Prenzlauer Berg – Teil 1: Immanuelkirchstraße 35

Die Mieter von Prenzlauer Berg – Teil 3: Danziger Straße 55

Die Mieter von Prenzlauer Berg – Teil 4: Prenzlauer Allee 45

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Gentrifizierung und Verdrängung sind in Prenzlauer Berg keine neuen Probleme. Trotzdem hat die Politik immer noch kein Mittel gegen sie gefunden. Das zeigen viele Fälle der letzten Monate: In verschiedenen Häusern in Prenzlauer Berg sind Mieter von Kündigungen und  drastischen Mieterhöhungen bedroht, obwohl sie in Milieuschutzgebieten wohnen. Wir nehmen die konkreten Fälle in unserer Mini-Serie unter die Lupe, zeigen, wo die Probleme liegen und fragen, ob unsere Bezirkspolitiker wirklich nicht mehr für Mieter tun könnten.

 

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