Das kann warten

von Thomas Trappe 11. November 2014

In der Esmarchstraße soll auf ehrenamtlicher Basis ein Kiezprojekt entstehen. Alle im Bezirksamt sagen, sie wollen das Projekt. Trotzdem kommt kein Vertrag zustande.

Wie kann man eine Behörde handlungsunfähig machen? Indem man möglichst viele Entscheidungsbefugte an einen Tisch setzt und von ihnen eine Entscheidung verlangt. Das ist jetzt schlimmstes Amtsbashing, wohl wahr, aber zumindest im Falle des Prenzlauer Berger „Rektorenhauses“ und des mit der Sache betrauten Bezirksamts Pankow kann man diese Einschätzung durchaus teilen. Denn tatsächlich ist es hier gerade so: Alle sagen, sie wollen das Projekt, aber trotzdem warten die Ehrenamtler, die es auf die Beine stellen wollen, seit mehr als einem Jahr auf einen schriftlichen Vertrag. Drei Stadträte im Bezirksamt Pankow sind damit inzwischen befasst, vier plus den Bürgermeister gibt es insgesamt. Und trotzdem scheint es derzeit möglich, dass das sogenannte Rektorenhaus in der Esmarchstraße 18 kein Nachbarschaftshaus wird, wie es Pro Kiez e.V. und Homer Freunde e.V. planen – sondern beide Vereine entnervt das Handtuch werfen.

Das Rektorenhaus, der Name sagt es, war lange Unterkunft für Lehrer, nebenan befindet sich die Homer-Grundschule. Die ehrenamtliche Kurt-Tucholsky-Bibliothek des Pro Kiez e.V. hat hier seit vielen Jahren ihren Sitz, außerdem zwei Mietparteien. Das Haus gehört dem Bezirk, der schon lange beabsichtigt, die leerstehenden Räume zu belegen, gerne zur schulischen Nutzung oder für Sozialarbeit, wie es jetzt auch angedacht ist. Das Problem dabei waren schon immer die verschiedenen Zuständigkeiten, denn eigentlich hat jeder der vier Stadträte hier was mitzureden. Die Immobilienstadträtin, weil es sich um eine bezirkliche Immobilie handelt. Die Schul- und Sozialstadträtin, weil es sich um alte Schulräume handelt. Der Stadtrat für Stadtentwicklung, weil es sich um ein Haus handelt, das dem Denkmalschutz unterliegt und der Bauaufsicht. Es sind die drei Stadträte, die gerade in Spitzengesprächen, nun ja, sprechen. Theoretisch könnte man einen vierten auch noch dazu holen: Der Kulturstadtrat, der für die Bibliothek im Haus Verantwortung trägt.

 

Weber beklagt ständige Vertröstungen

 

Wiebke Weber empfängt im Rektorenhaus, mit den Worten, dass sie „hier eigentlich illegal“ sei, und mit einem Schild an der Tür, das höchstens sechs Personen den Zutritt gewährt. Weber ist Vorständin von Homer e.V. Als solche konnte sie sich vor mehr als einem Jahr noch gute Hoffnungen machen, dass Weihnachten 2014 in der Esmarchstraße 18 ein florierender Nachbarschaftstreff etabliert sein würde – der Bezirk hatte das mit ihr schließlich so verabredet. Heute ist Weber nur noch genervt, „von ständigen Vertröstungen und der ewigen Warterei“. Und von der Aufforderung des Bezirksamtes, doch bitte eine zweite Feuertreppe zu bezahlen, wenn man hier ein ehrenamtliches Angebot aufbauen wolle.

Vor knapp zwei Jahren wandte sich Weber an das Bezirksamt mit dem Vorschlag, die leerstehenden Räume im Rektorenhaus zu betreiben. Der Deal: Der Bezirk überlässt die Immobilie zur kostenfreien Nutzung, bekommt dafür aber ein Bildungs- und Nachbarschaftshaus, also ein Angebot, an dem in Prenzlauer Berg inzwischen chronischer Mangel besteht. Vor allem geht es um die Nachmittagsbetreuung von Schulkindern. Die Sozialstadträtin Lioba Zürn-Kasztantowicz (SPD) zeigte sich offen, allerdings wurde darauf gedrängt, dass eine Kooperationsvereinbarung mit Pro Kiez und der Grundschule abgeschlossen wird, als Grundlage für einen späteren Nutzungsvertrag.

 

Feuertreppe wird gezahlt. Wer zahlt die Feuertreppe?

 

Den arbeiteten die drei potenziellen Träger aus, schickten ihn laut Wiebke Weber dann Anfang des Jahres ans Bezirksamt. „Ein halbes Jahr passierte dann erstmal nichts“, so Weber. Dann sei die Bitte des Schulamtes erfolgt, zwei Formulierungen zu ändern, was erledigt worden sei. „Danach folgte wieder nichts.“ Nach intensivem Mailwechsel und einem erneuten, wiederum änderungsbedüftigem Vertragsentwurf und einem Treffen mit der Immobilienstadträtin Christine Keil (Linke) sei dann am 24. September die Nachricht gekommen, dass Keils Immobilienamt keinen Nutzungsvertrag mehr unterschreiben wolle. Grund seien „fehlende Baugenehmigungen“. Konkret geht es um eine zweite Feuertreppe am Haus. Ein Problem, von den Wiebke Weber und ihre Mitstreiter mit gutem Recht seit 2013 annahmen, dass es längst gelöst sei.

Wegen seines Alters entspricht das Rektorenhaus nämlich nicht mehr den aktuellen Standards des Brandschutzes. Dies sei Weber bereits im Sommer 2013, also vor sämtlichen Verhandlungen mit Schul- und Immobilienamt, mitgeteilt worden. „Bei einer Begehung, an der sämtliche Amtsträger und die Bauaufsicht teilnahmen.“ Es wurde damals angeordnet, dass bei der geplanten Nutzung des Hauses eine zweite Feuertreppe installiert werden müsse – und nicht mehr als sechs Personen einen Raum betreten dürften. Weber wandte sich an den für diese Angelegenheiten zuständigen Stadtrat Jens-Holger Kirchner (Grüne), der ihr gesagt haben soll, dass sein Amt die Kosten übernehmen könne und auch werde, sobald ein Nutzungsvertrag aufgesetzt sei. Kirchner bestätigt das auf redaktionelle Anfrage, das Angebot gelte nach wie vor. „Wenn denn endlich mal ein Nutzungsvertrag vorgelegt wird.“ Und das ist nun die Stelle, die Weber zur Verzweiflung bringt und deutliche Züge einer Amtsposse trägt: Denn, wie gesagt, den Nutzungsvertrag verweigert das Immobilienamt mit der Begründung, dass keine offizielle Abmachung darüber besteht, wer die Feuerleiter zahlt.

 

Wegen fehlender Feuertreppe: Beschränkter Zugang

Wegen einer fehlenden Feuertreppe: Beschränkter Zugang (Foto:tt)

 

Wiebke Weber sieht Parallelen zu einem anderen Jugend- und Kiezprojekt im Bezirk, bei dem ebenfalls Immobilienstadträtin Keil eine maßgebliche Rolle spielt: Dem des Hof23 in der Langhansstraße. Hier geht es ebenfalls um Nutzungsverträge, die nie wie beredet zustande kamen und um Arbeiten, die Freiwillige geleistet haben, um später zu merken, dass sie dem Bezirk offenbar unter falschen Annahmen eine Immobilie hergerichtet haben. Denn auch in der Esmarchstraße ist in den vergangenen Monaten viel passiert: Mitglieder der kooperierenden Vereine richteten Räume auf beiden Etagen her, letzte Arbeiten müssen noch in der Küche erledigt werden. Eltern aus der Schule und dem Kiez halfen, Entsandte eines internationalen Work Camps, außerdem schickte Immobilienscout Angestellte im Rahmen eines Mitarbeiterprogramms. Das Schulamt von Stadträtin Zürn-Kasztantowicz förderte das, erklärt Wiebke Weber, durch Finanzierung von Farbe, Pinseln und anderen Utensilien. Gleichzeitig wurde im Immobilienamt ein Schreiben aufgesetzt, in dem der Kooperation mitgeteilt wurde, dass ein Nutzungsvertrag wie gedacht nicht möglich sei. Und Stadtrat Kirchner wartete darauf, dass er seine Feuertreppe loswird.

 

Drei Stadträte – kein Ergebnis

 

In diesem Status verharren die Dinge nun. Vor ein paar Wochen schickte das Immobilienamt einen neuen Vertragsentwurf, in dem zwar nicht mehr wie im Vorgängerentwurf gefordert wird, dass die Vereine die Feuertreppe selbst zu bezahlen haben, dafür wurde dem Ganzen aber eine bemerkenswerte Präambel vorangestellt. Dort steht geschrieben, dass der Nutzer die Räume bereits verwendet, ihm aber bekannt sei, dass „seine aktuelle Nutzung bauordnungsrechtlich nicht genehmigt“ sei. Innerhalb von sechs Monaten sollte zudem ein „Bauantrag auf Umnutzung der Räume“ gestellt werden. Außerdem dürften nicht mehr als sechs Personen einen Raum betreten, solange es nur eine Feuertreppe gebe. Für Wiebke Weber und ihren Verein eine unmögliche Voraussetzung, die Nutzungsvereinbarung zu unterschreiben – weil diese es dem Bezirksamt sehr leicht machen würde, die Immobilie wieder zu entziehen. Die ehrenamtliche Arbeit der vergangenen eineinhalb Jahre wäre damit umsonst gewesen. „Wir wollen als legale Nutzer anerkannt werden, alles andere ist absurd“, sagt Wiebke Weber.

Im Bezirksamt gab es jetzt ein trilaterales Treffen, um eine Lösung zu finden, die lässt aber weiter auf sich warten. Sozialstadträtin Lioba Zürn-Kasztantowicz erklärt auf Anfrage, dass sie davon ausgehe, „dass der Nutzungsvertrag zeitnah abgeschlossen wird. Aus meiner Sicht gibt es kein unüberwindbares Problem.“  Ihr Amt sei auf dieses „ehrenamtliche Engagement angewiesen, da wir hier im Bezirksamt vor dem Hintergrund der viel zu vielen akuten Problemlagen im Schulamt keine Möglichkeiten haben, das Rektorenhaus mit einer Priorität zu versehen.“ Jens-Holger Kirchner, wie gesagt, wartet auf grünes Licht von der Immobilienverwaltung. Und die dafür verantwortliche Stadträtin Christine Keil bittet, die „Fragen bis nach der Rückkehr von Frau Zürn-Kasztantowicz zurückzustellen. Mir ist der letzte Gesprächsstand nicht bekannt.“ Seit einer Woche ist Zürn-Kasztantowicz zurück aus dem Urlaub, eine neue Antwort Keils steht noch aus.

 

Jugendamt zahlt, Immobilienamt verbietet

 

Eventuell zieht es sich also noch etwas, bis dahin kann Wiebke Weber im Haus nur wenig machen und nicht mit mehr als sechs Teilnehmern. Schul-AGs, Anträge auf Fördergelder, andere Angebote für Jugendliche, kulturelle Veranstaltungen für den Kiez – all das geht nicht. Die Erziehungswissenschaftlerin Weber berät seit 1. Oktober in nicht genehmigten Zimmern nun Eltern und Pädagogen der Homer-Grundschule zu Kommunikationsproblemen im Schulleben. Freilich nur im eingeschränkten Maße, wegen der Vorgaben des Immobilienamtes. Webers Stelle wird dabei vom Bezirksamt finanziert – vom Jugendamt.

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