Theater

Theater o.N. gerettet

von Julia Schmitz 17. Januar 2023

Fast sechs Jahre hat das Kindertheater aus der Kollwitzstraße nach einem langfristigen Zuhause gesucht. Nun hat es einen neuen Standort gefunden.


Wo viele Menschen mit unterschiedlichen Interessen Tür an Tür wohnen, kommt es schnell zu Streit. Während für manche ein Kinderlachen das schönste Geräusch auf der Welt ist, fühlen sich andere davon einfach nur gestört. So auch mitten in Prenzlauer Berg.

In der Kollwitzstraße 53 befindet sich seit 1995 das auf Kinder ausgerichtete Theater o.N., das in der jetzigen Konstellation seit 2010 besteht, aber eigentlich schon viel älter ist: 1979/80 gründete eine Gruppe aus Puppenspieler*innen, Schauspieler*innen, Schriftsteller*innen und Regisseur*innen unter dem Namen „Zinnober“ das erste freie Theater der DDR, zunächst in der Knaackstraße 45.

Der Staatsmacht war das Ensemble jedoch ein Dorn im Auge, ständig drohte die Räumung des Ladenlokals, letztendlich bekamen sie Auftrittsverbot. Doch das „Zinnober“ spielte weiter, in Privatwohnungen und kirchlichen Gemeinderäumen. Mit dem Mauerfall endete das Versteckspiel, das Theater – jetzt mit neuem Namen – zog in die Kollwitzstraße.

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Beschwerden über Lärm

Die Ruhe währte allerdings nicht lange. Anfang der 1990er Jahre wurde das Haus verkauft und saniert, die neuen Bewohner*innen des Hauses, in dessen Erdgeschoss sich das Theater befindet, beschwerten sich seitdem immer wieder über Lärm. 2017 teilten die Hauseigentümer*innen dem Ensemble dann überraschend mit, dass ihr Mietvertrag nicht verlängert werde. Dank Gesprächen mit Bezirk und Senat und der Umsetzung von Schallschutzmaßnahmen konnte die Kündigung noch einmal verhindert werden – doch 2022 sei endgültig Schluss in der Kollwitzstraße, hieß es damals.

Händeringend hatte der Bezirk seitdem nach einem neuen Standort gesucht. Im Dezember 2022 dann endlich Erleichterung: Das Theater o.N. kann voraussichtlich 2025 auf das Gelände des Bezirksamts an der Fröbelstraße ziehen. Hier steht die „Fröbelkapelle“, die bis in die 1930er Jahre zur Aufbewahrung von Leichen diente und mit dem Umbau zur Spielstätte aber jeglichen morbiden Charme verliert. Derzeit führt das Theater Gesprächte mit den Vermietern in der Kollwitzstraße, um den Mietvertrag bis dahin zu verlängern.

„Mit der Bereitstellung der landeseigenen Liegenschaft sieht die Senatsverwaltung für Kultur und Europa das Vorhaben zur Sicherung von Spielorten auf ideale Weise realisiert – insbesondere in Zeiten wachsender Raumnot“, heißt es beim Bezirksamt. Bereits 2019 hatte die Senatsverwaltung das landeseigene Gebäude als Ausweichort angeboten; der Bezirk hatte es damals aber als nicht ausreichend tauglich für einen regulären Spielbetrieb befunden und abgelehnt.

 

Auseinandersetzung mit der Geschichte

„Wir sind sehr glücklich, dass die Kapelle auf dem Gelände des Bürgeramts für uns „flott gemacht“ wird. Wir freuen uns, in Pankow bleiben zu können und auf die Aufgabe, den neuen Kiez zu erkunden und neue Kooperationen und Kontakte zu schließen“, sagt die künstlerische Leiterin Dagmar Domrös auf Nachfrage der Prenzlauer Berg Nachrichten. Künstlerisch und inhaltlich werde sich das Theater intensiv mit der wechselvollen Geschichte des neuen Standorts beschäftigen.

1886-1889 erbaut, diente die Anlage als Hospital- und Siechenhaus und gehörte zu den ersten städtischen Krankenhäusern Berlins, die zur Versorgung der wachsenden Industriemetropole nach den neuesten medizinischen Erkenntnissen erbaut wurden. Nach Auflösung des Hospitals 1934 bezog das NS-Bezirksamt die Gebäude. In den Jahren nach Ende des Zweiten Weltkriegs besetzte die sowjetische Kommandantur das Gelände, bevor 1950 das Areal getrennt und ein Teil bis 1985 vom Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der DDR beansprucht wurde.

„Die Gebäude – und das meint nicht nur die Leichenhalle – sind also historisch sehr aufgeladen. Uns mit der Geschichte und den in ihr verborgenen Geschichten zu beschäftigen und vor diesem Hintergrund die Fröbelkapelle neu und positiv zu besetzen, als freies Kindertheater mit Blick in die Zukunft, sehen wir als Aufgabe, der wir mit Spannung und Freude entgegenblicken“, so Domrös.

Titelbild: Julia Schmitz

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