Thälmann

Der Ernst der Lage

von Julia Schmitz 22. März 2022

Alle Jahre wieder fordert jemand, das Thälmann-Denkmal an der Greifswalder Straße müsse abgerissen werden. Die Pankower CDU versucht es nun erneut – mit einer zweifelhaften Begründung.


Wie umgehen mit Monumenten ehemaliger Diktaturen? Sollte man sie aus dem Stadtbild entfernen oder, mitunter als Mahnung, an Ort und Stelle lassen? Im Falle der 14 Meter hohen Bronze-Statue von Ernst Thälmann, die seit 1986 der Greifswalder Straße ihre erhobene Faust entgegen streckt, nimmt die Diskussion kein Ende.

Bereits vier Jahre nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion war in der Pankower Bezirksverordnetenversammlung beschlossen worden, die überlebensgroße Büste abzubauen; der Beschluss wurde aber nicht umgesetzt. Anwohner*innen gründeten daraufhin das „Aktionsbündnis Thälmann-Denkmal“, um sie zu erhalten, es gab Diskussionen über den richtigen Umgang mit der Geschichte Ernst Thälmanns. 2012 flammte die Abriss-Debatte erneut auf: die ehemalige DDR-Bürgerrechtlerin Angelika Barbe sah in der Statue ein „falsches Symbol in Erinnerung an den Kommunismus und seine Verbrechen.“

Ernst Thälmann blieb weiter stehen, wurde 2014 offiziell in die Denkmalliste aufgenommen und wird, nach langem Streit, seit Herbst 2021 durch eine künstlerische Kommentierung ergänzt; eine historisch-kritische wurde noch nicht angebracht, da sich die Mitglieder des Expertengremiums lange Zeit nicht auf den Inhalt des Textes einigen konnten.

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„Hammer und Sichel höchst kritisch“

Nun will die Pankower CDU dem Monument erneut an den Kragen: Das Bezirksamt solle sich bei den geeigneten Stellen dafür einsetzen, dass die Büste wieder von der Denkmalliste gestrichen und abgebaut werde; ferner solle es prüfen, „inwiefern der Materialgegenwert den Opfern des russischen Überfalls auf die Ukraine zugutekommen kann.“

In einem seitenlangen Text, in dem er den Lebenslauf Thälmanns bis zu dessen Anfängen bei der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) zurückverfolgt, begründet Antragsteller David Paul seine Forderung: „Die Darstellung von Hammer und Sichel am Denkmal ist höchst kritisch zu bewerten, aufgrund der symbolischen Bedeutung für den Kommunismus. Auch war dies auf der Flagge der Sowjetunion abgebildet. Dies ist von besonderer Relevanz, da der russische Präsident Wladimir Putin in seiner Rede zur Lage der Nation im April 2005 den Zerfall der Sowjetunion 1991 als ‚die größte geopolitische Katastrophe‘ des 20. Jahrhunderts“ bezeichnete.“ Dass Putin dies persönlich nicht verwunden hätte, habe sich bereits 2014 mit der Annexion der Krim gezeigt, nun erneut mit dem russischen Überfall auf die Ukraine am 24. Februar.

 

Abriss als Symbolpolitik

Eine kritische Kommentierung, wie sie das Denkmal erhalten soll, ist in seinen Augen nicht ausreichend. Vielmehr sei es „Hohn und Spott für alle Opfer von sowjetischen und kommunistischen Diktaturen sowie für alle ukrainischen Menschen, die gerade vor dem russischen Überfall ihres eigenen Landes fliehen“, so Paul. Da alle Beteiligten, darunter auch der Erbauer der Büste, Lew Jefimowitsch Kerbel, „Feinde der freiheitlichen Grundordnung und der Demokratie“ gewesen seien, würde der Bezirk mit einem Abriss ein klares Zeichen setzen.

Die Fraktionsvorsitzende der Pankower Bündnisgrünen Hannah Wettig hatte den Abriss gegenüber der Berliner Morgenpost zunächst befürwortet. Auf Twitter ruderte die Fraktion gestern aber zurück.

Dass die Pankower Bezirksverordneten in der kommenden Versammlung am Mittwoch mehrheitlich für den Abriss stimmen werden, davon ist nicht auszugehen. Lange und ausgiebig wurde in den vergangenen Sitzungen über den angemessenen Umgang mit dem bronzenen Erbe der Vergangenheit diskutiert, wurde die künstlerische Auseinandersetzung „Vom Sockel denken“ der Filmemacherin Betina Kuntzsch nach zwei Jahren Wettbewerb feierlich eingeweiht. Dies alles wäre im Falle eines Abrisses umsonst gewesen. Was einst ein Denkmal war, ist für viele außerdem längst zum Mahnmal für die Verbrechen des Stalinismus geworden. Die Pankower Denkmalstürmer*innen müssen wohl weiter warten.

Titelbild: Julia Schmitz

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