Rathaus Pankow

“Auf Video-Konferenzen sind wir gar nicht eingestellt” 

von Mona Linke 19. März 2020

Das öffentliche Leben in Berlin kommt zum Erliegen, immer mehr Firmen schicken ihre Belegschaft nach Hause. Im Bezirksamt Pankow ist man davon weit entfernt.


Es sind disruptive Zeiten für die deutsche Arbeitswelt: Um die Ausbreitung des Corona-Virus zu verlangsamen und das Gesundheitssystem vor dem Kollaps zu bewahren, haben auch viele Unternehmen ihre Luken dicht gemacht. Wer am Computer arbeitet, wird ins Home-Office geschickt, Teambesprechungen finden per Videokonferenz statt, kommuniziert wird per Chat-Programm oder am Telefon. Selbst alteingesessene Großkonzerne brechen mit der gewohnten deutschen Präsenzkultur. Alles, um den persönlichen Kontakt so weit wie möglich zu unterbinden und die Infektionskurve abflachen zu lassen. 

Ähnlich dürfte die Arbeit in den Behörden und Ämtern der Berliner Bezirke ablaufen, möchte man meinen – und neigt dazu, sich Headset-tragende Kommunalpolitiker am heimischen Küchentisch vorzustellen, die sich per Video-Chat in die Ausschuss-Gremien einwählen. 

Szenarien, von denen das Berliner Behördentum aktuell nur träumen kann, wie ein Blick ins Bezirksamt Pankow zeigt: von leeren Gängen keine Spur. Nur ein Bruchteil der Mitarbeiter arbeitet aktuell von zu Hause aus, viele Dienststellen wie Bürgerämter, Standesämter und die Jugendhilfe sind fast vollständig besetzt, die Bezirksverordneten sitzen in ihren Büros. 

 

Home-Office in vielen Ämtern unmöglich 

Der Grund ist dafür ist simpel: Es geht nicht anders. „In vielen Bereichen ist es schlichtweg nicht möglich, die Mitarbeiter ins Home-Office zu entlassen”, sagt Bezirksstadtrat Torsten Kühne (CDU). So zum Beispiel im Standesamt, wo nach wie vor Ehen geschlossen werden – wenn auch nur im “kleinen Kreis” von zwei Personen – also dem Brautpaar. Oder im Sozialamt, wo noch immer Sprechstunden stattfinden für Menschen, die aufgrund prekärer Lebenssituationen keinen Zugang zu Internet und Telefon haben. 

Doch es gibt noch einen Bremsklotz, der dem Bezirksamt Pankow aktuell mehr denn je zu schaffen macht: eine miserable, vollkommen veraltete Technik. „Die IT-Infrastruktur erlaubt nur einer begrenzten Anzahl von Mitarbeitern, im Home-Office zu arbeiten”, so Kühne. Das bekommt auch Jugendstadträtin Rona Tietje (SPD) zu spüren: „Auf Video-Konferenzen sind wir gar nicht eingestellt. So etwas gibt es im normalen Betrieb nicht”. Auch handle es sich bei den Ämtern Jugend, Wirtschaft und Soziales um Bereiche, die weiterarbeiten müssen: „Der Kinderschutz muss gewährleistet bleiben und Grundsicherungen weiter ausgezahlt werden”. 

In einigen Abteilungen wie dem Sozialamt komme hinzu, dass die Mitarbeiter ihre Akten nicht einfach mit nach Hause nehmen können. „Das sind hochsensible personenbezogene Daten”, so Tietje. Elektronische Akten gibt es in den Berliner Behörden nicht. Einzig ihre Stabsmitarbeiter*innen hat die Bezirksstadträtin nach Hause schicken können. “Die haben mobile Geräte, da kann man das machen”. 

 

Sitzungen werden abgesagt, Termine storniert 

Untätig bleibt man im Bezirksamt Pankow aber keineswegs: Mit Hochdruck werde gerade an der Umstrukturierung aller Abteilungen gearbeitet, sagt Torsten Kühne. Seit Montag sind Stadtentwicklungsämter und Bürgerhäuser für den Publikumsverkehr geschlossen, ebenso wie alle Kinder- und Jugendfreizeiteinrichtungen. Sprechstunden in den Bürgerämtern, der Einbürgerungsbehörde und dem Wohnungsamt wurden abgesagt, Termine storniert, Anliegen weitgehend nur noch telefonisch oder schriftlich bearbeitet.

Alle internen „nicht notwendigen” Beratungen und Veranstaltungen des Kollegiums würden ebenfalls abgesagt, so Tobias Schietzelt, Pressesprecher des Bezirksamts Pankow. Dringende Sitzungen dagegen finden unter Auflagen statt: Im kleineren Kreise oder als Telefonkonferenz – soweit denn möglich. Ansonsten bleibt den Mitarbeitern vor Ort nichts anderes übrig, als die empfohlenen Hygienemaßnahmen zu beachten: Nicht mehr dicht beieinander sitzen und regelmäßig die Hände waschen. 

 

Gesundheitsamt am Limit 

Nicht gerade einfacher wird die Lage dadurch, dass die ohnehin schon überlasteten Bezirksämter durch die Pandemie inzwischen personell am Anschlag arbeiten – allen voran die Gesundheitsämter. Denn in Verdachtsfällen sind sie es, die über Virus-Tests und Quarantäne entscheiden und die Kontaktpersonen von positiv Getesteten nachverfolgen. In Pankow stockt man deswegen nun personell auf: Im ersten Schritt um 50 Dienstkräfte, die von anderen Bereichen abgezogen werden. In den bezirklichen Kultur- und Bildungseinrichtungen zum Beispiel seien nun Kapazitäten frei geworden, so Kühne. 

Die Entscheidung, welche Einrichtungen geschlossen und welche Veranstaltungen verboten werden, obliegt zwar dem Senat. Die Bezirke allerdings sind dafür zuständig, zusammen mit der Polizei zu kontrollieren, ob Kita-, Bar- und Ladenbetreiber den Verboten tatsächlich nachkommen. 

 

Pankow lässt noch mehr Läden schließen als vorgesehen

Seit Mittwoch nun dürfen nun auch die meisten Berliner Einzelhändler nicht mehr öffnen. Noch mehr Arbeit für den Bezirk Pankow, der das Ladenöffnungsgesetz noch dazu restriktiver als andere Bezirke auslegt: So hat der Bezirk die Regelung auch auf Nagelstudios und Kosmetiksalons ausgeweitet. Das geht über die Berliner Verordnung hinaus, also muss sich Pankow auch selbst um die Schließungen kümmern. Zuständig ist das Gesundheitsamt. 

Jugendstadträtin Rona Tietje ist trotz der Ausnahmesituation guter Dinge: „Das ist eine Herausforderung für uns alle, aber wir kriegen das hin”. Schwierig könne es werden, wenn der Bezirk auf Notbetrieb umstellen muss. Das wäre der Fall, wenn Ausgangssperren verhängt werden oder große Teile des Personals selber in Quarantäne müssten. Bislang seien aber – glücklicherweise – alle Mitarbeiter*innen gesund. 

 

Foto: Prenzlauer Berg Nachrichten

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