Aufstand der Laubenpieper

von Constanze Nauhaus 17. August 2017

SOMMERPAUSENSONDERSENDUNG: Aufruhr im Gemüsebeet gab es im Juni: Die Bornholmer Grundschule soll nicht nur einen Anbau bekommen, sondern auch eine neue Turnhalle – und zwar auf Kleingartenparzellen.

 

ARTIKEL vom 21. Juni 2017:

 

Torsten Kühne bewahrt die Fassung. Lässig in Sneakers streicht er sich wiederholt die Tolle aus der Stirn, während er redet. Die hochgekrempelten Hemdsärmel sind sicher kein Zufall, denn hier und heute geht es richtig zur Sache. Bei der Ortsbegehung der Kleingartenkolonie Bornholm II auf eine Traube von diskussions- und empörungsfreudigen Anwohnern, Gärtnern und Eltern zu treffen – damit hatte der Schulstadtrat (CDU) ebenso wenig gerechnet wie seine Kollegen, Bezirksbürgermeister Sören Benn (Linke) und Baustadtrat Vollrad Kuhn (Grüne). „Darauf war ich jetzt nicht vorbereitet, das steht auch nicht in der Tagesordnung, aber wie heißt es so schön: Leben ist das, was passiert, wenn man dabei ist, Pläne zu machen“, kontert Benn den Menschenauflauf vor der Kolonie.

 

Niemand hat die Absicht…

 

Worauf er vorbereitet war: Ein reguläres Treffen des Kleingartenbeirats im Vereinsheim, verbunden mit einem Ortstermin in der Kolonie Bornholm II. Hier könnten nach Vorstellung des Bezirks bald sechs Parzellen einem Turnhallen-Neubau der nebenstehenden Bornholmer Grundschule weichen. Dass die Laubenpieper da auf die Barrikaden gehen, war eigentlich vorprogrammiert. Schon länger feilen die „Gartenretter“ an Projekten, ihre Präsenz und ihr Engagement im Kiez noch weiter an die Öffentlichkeit zu tragen. „Wenn gebaut wird, leiden Fauna und Flora. Wir haben Fledermäuse, von denen die meisten Arten geschützt sind sowie etliches Getier im Eschengraben –  Rotbauchunken, Lurche, Salamander, die noch genauer bestimmt werden müssen“, sagt Christiane Unger, Schriftführerin von Bornholm II. Außerdem stehen auf der Kolonie so viele seltene Apfelsorten, dass der Verein für sein „Apfelprojekt“ Ende Juni den Pankower Umweltpreis verliehen bekommt. „Einerseits verleiht uns die Bezirksverordnetenversammlung Pankow dafür den Umweltpreis und auf der anderen Seite will die Politik dieses schützenswerte Gut in Bauland verwandeln“, empört sich Unger.

„Wir haben keine Zeit, die Kinder sind schon geboren.“

„Wir machen uns das nicht leicht“, erklärt Kühne den Anwesenden. „Irgendwo müssen wir in allen Pankower Ortsteilen in den nächsten sechs Jahren 8.000 Schulplätze schaffen.“ Das habe man schon vor zehn Jahren gewusst, wieso die Stadt denn Schulgebäude verkauft habe, will eine Mutter wissen. Ja, da gebe er ihr völlig recht, man habe zu kurzfristig geplant, aber da dürfe sie ihn nicht fragen. „Wir haben nicht mehr viel Zeit, die Kinder sind geboren. Und mir fehlt irgendwann die Fantasie mir vorzustellen, wo wir sie noch unterbringen.“ Und man rede hier wirklich nur über sechs Parzellen plus einige anteilig, 3.000 Quadratmeter. „Niemand hier im Bezirk hat die Absicht, mit Wohnungsbau…“ Gelächter aus den hinteren Reihen, eine Steilvorlage. Erwartungsgemäß fällt ein höhnisches „Niemand hat die Absicht…“.

 

Doch was sich an diesem Dienstagnachmittag vor der Kolonie so spontan ergibt, ist bei allen Meinungsverschiedenheiten eigentlich positiv. Benn nennt es irgendwann belustigt einen „Planungsworkshop“, es hagelt Alternativvorschläge. Jeder hat irgendeine Idee, umliegende Schulgebäude werden durchexerziert wie die Driesener Straße (Gebäude wird von einem Oberstufenzentrum genutzt), die Schönfließer Straße (Gebäude wird von einer freien Schule und von künstlerischen Einrichtungen genutzt) und so weiter und so fort. Auch die bulgarische Brache nebenan fällt zumindest für einen Turnhallenbau aus, da Bulgarien nicht verkaufen möchte. Und natürlich bleiben unkonstruktive, aus Empörung geborene Kommentare nicht aus. Doch als sich die drei hohen Vertreter des Bezirks gemeinsam mit den Anwesenden über eine ausgerollte Karte beugen, um sich geduldig alle möglichen Vorschläge – „Die Turnhalle vielleicht hier? Und den Sportplatz dann etwas weiter oben, den Ökogarten mehr nach dort.. Und was ist eigentlich mit dem GASAG-Gelände?“ – anzuhören, auszuschließen oder zu prüfen versprechen, da bekommt die leere Phrase „Politik zum Mitmachen“ plötzlich Sinn. Und das ganz ungeplant.

Karte des Bezirksamt der Kolonie. Die potenzielle Baufläche ist gelb (Foto: Constanze Nauhaus)

Karte des Bezirksamt der Kolonie. Die potenzielle Baufläche ist gelb (Foto: Constanze Nauhaus)

 

Informationsveranstaltung geplant

Was vom Mitmachen am Ende übrig bleibt, ist abzuwarten. Immerhin: „Der Bürgermeister hat uns zugesichert, dass es einen weiteren Termin bei uns im Vereinshaus geben wird, um über Alternativen zum Baustandort zu reden. Er möchte vorher unsere Vorschläge hören, um sich gezielt vorbereiten zu können“, heißt es aus dem Vorstand nach der abendlichen Sitzung des Kleingarten-Beirats. Doch die Fronten sind klar. „Jeder einzelne Gärtner wird kämpfen bis zum Schluss“ , kündigt Bornholm-II-Vorstand Edwin Damrose an. Schulstadtrat Kühne schießt zurück: „Und ich kämpfe um jeden einzelnen Schulplatz!“ Fast eine Kriegserklärung, die der Bezirksbürgermeister zu entschärfen versucht, er spricht von unterschiedlichen Interessen, die alle berechtigt seien. Auf den Einwurf von Gärtnerseite, man engagiere sich schließlich für Pankow, rüffelt Benn: „ Ja, wir engagieren uns auch nicht für Honolulu!“ Und weist sogleich darauf hin, in solchen Prozessen darauf zu achten, mit den Emotionen dort zu bleiben, wo sie hingehörten: Nämlich zu Hause.

 

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