Bornholmer Gärten: Stimmt es, dass…

von Constanze Nauhaus 20. Oktober 2016

… unsere Lieblings-Kleingartenkolonie bebaut wird? Gleich mehrere unserer Leser wollen gehört haben, dass für Bornholm „konkrete Bebauungspläne in der Schublade“ liegen. Aber in welcher?

„Ominös ist hier gar nichts“, gibt die erste Zeile der Email gleich Kante. Absender: Martin Pallgen, Sprecher der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Betreff: geplante Bebauung der Kleingartenkolonie Bornholm II. „Wir haben dazu nichts in der Schublade, vor allem nichts Geheimes“, so Pallgen weiter. Dies gelte seines Wissens auch für den Bezirk Pankow, der alle Kleingartenanlagen sichern möchte. Unnötiger Zusatz, ist der Dissens zwischen Bezirk und Senat zu diesem Thema doch kein Geheimnis.

 

Der Bezirk stellt sich nach wie vor gegen eine Bebauung

 

„Ich bin weiterhin gegen eine Bebauung von Bornholm“, stellt Pankows grüner Noch-Baustadtrat Jens-Holger Kirchner denn auch zum x-ten Mal klar. Ob er sich denken könne, was den aktuellen Buschfunk im Kiez angefacht hat? Vielleicht, so Kirchner, der „Flächenscan“ der Senatsverwaltung, das sei aber bislang alles Theorie. Zu dieser Theorie findet sich auf den Seiten der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung unter „Wohnungs- und Städtebauprogramm Wachsende Stadt“ eine recht konkrete Karte, veröffentlicht im vergangenen Monat. Sie verzeichnet neben diversen neu geplanten Stadtquartieren auch die Baupotenziale kleinerer Flächen, und zoomt man sich in die Karte hinein, so entdeckt man schnell den mittelgroßen grauen Punkt direkt auf Bornholm II (schwarzer Pfeil auf untenstehender Abbildung). Mittelgroßer Punkt, verrät die Legende, steht für Wohnungsbaustandorte für 250 bis 999 Wohnungen.

 

Quelle: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt 2016

 

Da ist Bornholm gerade so am großen grauen Punkt für über 1000 Wohnungen vorbeigeschrammt. Denn schon der Stadtentwicklungsplan Wohnen 2025 aus dem Jahr 2014 sah dort 950 neue Wohnungen vor, allerdings mit dem Vermerk „Realisierungseinschätzung: 4“, heißt: nachrangig nach 2025. Das bedeutet aber nicht, dass die Anlage für die nächsten neun Jahre gesichert ist. Laut Kleingartenentwicklungsplan von 2014 stehen Bornholm I und II bis 2020 unter Bestandsschutz, das Papier wird zurzeit überarbeitet, 2017 soll eine Beschlussfassung erfolgen. Senatsverwaltungssprecher Pallgen stellt klar: „Ob und inwieweit nach 2020 Kleingartenanlagen mit auslaufenden Schutzfristen für bauliche Nutzungen in Anspruch genommen werden müssen, hängt davon ab, ob der Bevölkerungszuwachs in der derzeitigen Größenordnung anhält.“

Da stehen die Chancen für Bornholm langfristig schlecht, befindet sich die Kolonie doch im am stärksten wachsenden Bezirk. Bis 2030 soll die Pankower Bevölkerung um 16 Prozent wachsen, mit 62.000 Zuzüglern rechnet man in den nächsten 14 Jahren. In einem bezirklichen Wohnbaukonzept, das der Stadt als Grundlage für die Bauleitplanung dient, erhebt Pankow selbst potenzielle Bauflächen. Das 486 Seiten starke Papier, im Auftrag des Bezirks von den Stadtplanern der Machleidt GmbH erstellt, widmet Bornholm-Ost zwei Seiten, an deren Ende in Großbuchstaben ein rotes DISSENS prangt, genauer: „Dissensfläche: DISSENS; Dissenstyp: Erhalt KGA“. Eine Übersetzung ins Amtsdeutsche des Umstandes, dass Bezirk und Stadt sich bezüglich der Zukunft Bornholms nicht einigen können. Und ob sich das durch den neuen Senat ändert, ist noch nicht abzusehen. Die laufenden Koalitionsverhandlungen seien zwar geheim, so Kirchner, aber soviel könne er sagen: „Baupotenziale in Bornholm spielen dort keine Rolle.“ Ob das nun gut oder schlecht ist, sei dahingestellt.

 

Quelle: Bezirksamt Pankow von Berlin/Abteilung Stadtentwicklung 2016

 

Was die Gärtner selbst angeht, so scheinen sich nur wenige in ihr ungewisses Schicksal zu ergeben. „Es gibt zwar ältere Semester, die sagen: Ich war hier mein ganzes Leben, nach mir die Sintflut. Aber das sind die wenigsten“, sagt Jasmin Rietdorf, Bornholmgärtnerin und Titelheldin unseres sommerlichen Gärtnern-Schwerpunktes. „Ich sage nicht, dass wir keine bezahlbaren Wohnungen brauchen. Aber ob die hier entstehenden dann bezahlbar sein werden, ist eine andere Frage.“

Über den Satz der Senatsverwaltung, bei der „Abwägung aller Belange“ würden die Gartenfreunde „eng in den Prozess eingebunden“, kann auch Torsten Löhn nur müde lächeln. „Wir binden uns selbst in den Prozess mit ein“, so der Bornholmgärtner. Mit anderen aktiven Gartenfreunden begann er vor gut einem Jahr, sich bei monatlichen Treffen Strategien gegen die Bebauungspläne zu überlegen. Vielleicht haben auch diese Aushänge über die Aktion „Gartenretter“ die Gerüchteküche im Kiez brodeln lassen? „Wir wollten keine Panik auslösen, uns aber frühzeitig vorbereiten. Das ist eine Gratwanderung“, erklärt Löhn. Ihre Unentbehrlichkeit demonstrieren beide Kolonien durch eine Kiezöffnung, die weit über „Bei uns kann man schön spazieren gehen“ hinausgeht. Kiezfeste, ganzjährig geöffnete Vereinsheime, regelmäßige Workshops für Kitas und Senioren, Entwicklung von Nachhaltigkeitsstrategien, die Liste ist lang. Und man geht gezielt auf die Verantwortlichen zu.

 

„Hier wird es eine große Kampfbereitschaft geben“

 

Diese waren sich zumindest auf der 120-Jahr-Feier der Anlage Anfang September beim politischen Frühschoppen in einem Punkt einig. „Alle führenden Politiker aus dem Bezirk haben sich für den Erhalt der ökologisch und sozial wertvollen Bornholmer Gärten ausgesprochen“, erinnert sich Robert Ide, stellvertretender Vorstandsvorsitzender von Bornholm I. „Verwundert hat uns nur, dass sich ausgerechnet der Grünen-Direktkandidat Andreas Otto skeptisch geäußert und eine Öffnung der Anlagen gefordert hat.“ Obwohl das doch bereits geleistet werde.

„Tue Gutes und rede darüber“ – in Bornholm jetzt wichtiger denn je, das findet auch Torsten Löhn. „Diese Art von Bedrohung hat die positiven Prozesse in der Kolonie beschleunigt.“ Längst löse sich die vielen Anlagen anhaftende gemütliche Verschlafenheit hier auf, und die Verantwortung, die Bornholm für die gesamte Umgebung habe, dringe immer mehr bei allen Pächtern durch. Zwar erinnert sich Löhn sehr genau an wiederholte Signale von Bezirksseite, es gebe genug alternative potenzielle Bauflächen abseits der Kleingartenanlagen. Doch klare Versprechen sind das nicht. „Sollte es hart auf hart kommen, wird es hier große Kampfbereitschaft geben“, stellt Löhn unmissverständlich klar. „Für uns Pächter wäre eine Bebauung Bornholms ein großer Verlust – für die Stadt aber ein noch viel größerer.“

 

Fazit: Wird Bornholm bebaut? Jein. Neue konkrete Entwicklungen gibt es entgegen allen Buschfunks nicht, in den nächsten drei Jahren ist der Erhalt der Kolonie Bornholm II, um die es maßgeblich geht, gesichert. Doch langfristig könnte ihr die lukrative, zentrale Lage zum Verhängnis werden. Vor allem, wenn die Inanspruchnahme als Bauland von einem Sichfortsetzen des aktuellen Zuzugstrends abhängig gemacht wird. Da hilft nur: Keinem sagen, wie schön es hier ist. Und bis dahin heißt es abwarten, Tomaten pflanzen und Filterkaffee aus der Thermoskanne trinken.

 

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