Nach „Einer flog übers Kuckucksnest“ inszeniert Leander Haußmann ein neues Stück am Rambazamba Theater. „Läuft!“ ist ein wilder Ritt über die Metaebene der Theatertheorie.
Alles beginnt mit einem Ausschnitt aus der „Rede über den Schauspieler“, die Max Reinhardt – weltbekannter Theaterregisseur und Leiter des Theater am Schiffbauerdamm – 1928 in New York hielt. Blechern scheppert es aus den Lautsprechern des kleinen Saals in der Kulturbrauerei: „Ich glaube an die Unsterblichkeit des Theaters. Es ist der seligste Schlupfwinkel für diejenigen, die ihre Kindheit heimlich in die Tasche gesteckt und sich damit auf und davon gemacht haben, um bis an ihr Lebensende weiter zu spielen.“
„Max Reinhardt!“, ruft Jonas Sippel mit erhobenem Zeigefinger, ohne diesen auch moralisch zu erheben. Denn in seiner Rolle als „Rainer Werner“ braucht er das nicht: Als kongeniale Verkörperung des größenwahnsinnigen, vom Drogenkonsum geprägten Fassbinder besetzt er eine Schlüsselrolle des Stückes.
Ist doch alles nur ein Spiel
Meine Lachmuskeln haben an diesem Abend einiges zu tun. Was Leander Haußmann unter dem Titel „Läuft!“ mit dem Ensemble des Rambazamba Theaters und Gästen auf die Bühne gebracht hat, ist eine handfeste Komödie – mit durchaus ernsthaften, nachdenklichen Zügen. Und ein Spiel mit der Metaebene.
In einem Bühnenaufbau, der so wirkt, als befänden sich die Beteiligten noch in der Probe – am Rand steht eine Kaffeemaschine, daneben hängen Blätter, auf denen die Reihenfolge der Szenen vermerkt ist – diskutieren sie über Theater im Allgemeinen und Speziellen. Gibt es die vierte Wand zwischen Publikum und Schauspieler*innen wirklich? Robin Krakowski, der jeden seiner Auftritte als „Assistent“ mit einer akrobatischen Einlage einleitet, durchbricht sie jedes Mal genussvoll und wird nicht müde, von seinem Schauspielstudium zu erzählen.
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Inklusion als zentrales Motiv
Und welche Rolle spielen im hiesigen Theaterbetrieb eigentlich Menschen mit Behinderung? In einem Theater, das sich die Inklusion als Hauptbestandteil auf die Fahnen geschrieben hat, auf jeden Fall eine zentrale: wenn Samuel Koch, der seit einem Unfall bei „Wetten dass…“ 2010 vom Hals abwärts gelähmt ist, als „Mutmach“-Coach in seinem elektrischen Rollstuhl auf die Bühne kommt und den übergriffigen Annäherungsversuchen von Karla Sengteller auszuweichen versucht, ist das schlichtweg ulkig.
Für Lacher sorgt auch Sebastian Urbanski, der mit grauem Rauschebart Rainer Werner davon zu überzeugen versucht, dass man nur erfolgreich ist, wenn man ein Buch geschrieben hat. Nachdenklich wird es mit Heiko Fechner, der am Keyboard ein melancholisches Lied anstimmt, zu dem Dirk Nadler als schwarzer Todesengel auf der Bühne steht. Und Lioba Breitsprecher lockert jede noch so schwarzseherische Szene mit einer tänzerischen Einlage zu „Lovely Rita“ von den Beatles auf.
Alle Beteiligten nehmen das Leben mit Humor und einer Prise Ironie. Etwa wenn sie darüber diskutieren, ob Rollen mit Rollstuhlfahrer*innen nur von Menschen gespielt werden dürfen, die tatsächlich im Rollstuhl sitzen. Und muss ihre Behinderung eigentlich immer im Mittelpunkt stehen?
Gelegentlich hängt das Stück ein wenig in den Seilen, mäandert scheinbar ziellos vor sich hin, um dann doch wieder aufzudrehen. Als Zuschauer*in schwankt man bis zum Ende zwischen Melancholie und vor Lachen tränenden Augen.
„Läuft“ steht wieder im Januar 2024 auf dem Spielplan des Rambazamba Theaters in der Kulturbrauerei: am 5., 6. und 7. Januar sowie am 19., 20. und 21. Januar. Tickets sind bereits erhältlich und kosten 21 Euro.
Titelbild: Ausschnitt aus „Läuft!“ / Foto: Andi Weiland