Mauerpark

„Der Mauerpark ist Kulturgut“

von Julia Schmitz 4. April 2019

Schallschutzmuscheln und Anmeldeverfahren: Die Bezirksverordneten von Pankow haben etliche Ideen für den Mauerpark. Doch der Streit mit den Anwohner*innen geht weiter.


UPDATE vom 12. April 2019:

Das Umwelt- und Naturschutzamt Pankow hat die Karaoke-Veranstaltung nun auch für dieses Jahr genehmigt – und zwar an 26 Sonntagen zwischen dem 14. April und dem 20. Oktober jeweils von 15 bis 19 Uhr.

Fallen die Stichworte Mauerpark und Karaoke, sind Diskussionen programmiert – und es geht selten darum, ob es nun das Karaoke oder die Karaoke heißt. Denn die Meinungen zu der beliebten Veranstaltung, die traditionell von Ostern bis in den Spätherbst fast jeden Sonntag stattfindet, gehen extrem auseinander: Während die eine Seite die Karaoke-Veranstaltung nicht nur als Aushängeschild für Prenzlauer Berg, sondern auch für ein freies und kreatives Berlin bezeichnet, beschwert sich die andere Seite über den zunehmenden Lärm. Wie lässt sich in diesem Fall ein Kompromiss finden, der die Belange von Anwohner*innen, Musiker*innen und Künstler*innen vereint?

 

Entscheidung liegt beim Umweltschutzamt

Dass bis vor kurzem unklar war, ob das Karaoke 2019 überhaupt stattfinden kann, hatte aber noch einen anderen Grund: Organisator Joe Hatchiban erhielt vom Bezirksamt Pankow zunächst keine Genehmigung mit der Begründung, die andauernden Bauarbeiten der Berliner Wasserbetriebe für den Stauraumkanal unter dem Park gefährdeten die Sicherheit der Karaoke-Besucher.

Nachdem die Wasserbetriebe Bedenken diesbezüglich ausgeräumt, sich nach einem Ortsbesuch von Stadtrat Vollrad Kuhn (Grüne) aber auch zu weiteren Sicherheitsmaßnahmen verpflichtet hatten, gab das Bezirksamt grünes Licht für das gemeinschaftliche Singen – zumindest die Abteilung Stadtentwicklung und Bürgerdienste. Doch die Veranstaltung kann nur stattfinden, wenn das Umwelt- und Naturschutzamt unter Leitung von Daniel Krüger (parteilos, für AfD) ebenfalls eine Genehmigung erteilt – und damit sind wir wieder beim Thema Lärm.

___STEADY_PAYWALL___

Mauerpark

Unterstützer des Mauerparks protestieren in der Bezirksverordnetenversammlung / Foto: Julia Schmitz

 

In einer öffentlichen Anhörung am 3. April erläuterten Vertreter des Umweltschutzamtes den aktuellen Stand: Eine schalltechnische Berechnung rund um den Mauerpark habe einen Dezibelwert von 59 ergeben, der Grenzwert von 60dba werde somit unterschritten und die Karaoke-Veranstaltung dadurch in die Kategorie „wenig störende Veranstaltung“ eingeordnet. Bis zu 60 Veranstaltungen dieser Kategorie dürfen pro Jahr genehmigt werden, das Karaoke kommt mit 26 Terminen auf knapp die Hälfte.

Doch die Sache hat einen Haken, an dem sich nicht wenige Anwohner*innen stören: Bei den 59dba handelt es sich um einen Mittelwert, der aus Bemessungen zwischen 6 Uhr morgens und 22 Uhr abends stammt; im Amphitheater wird aber nur zwischen 15 und 19.30 Uhr öffentlich gesungen – und zu den Zeiten steige der Dezibelwert laut subjektivem Empfinden enorm, heißt es auf Seiten der Bewohner.

 

„Mauerpark ist Kulturgut“

„Im Sommer, wenn meine Fenster geöffnet sind, habe ich das Gefühl, die Musiker stehen bei mir auf dem Balkon“, beschwert sich eine Anwohnerin aus der Wolliner Straße und erntet Zustimmung. Es fallen Begriffe wie „Terror“ und „Horror-Karaoke“. Manche Anwohner*innen berichten, sie müssten im Sommer jeden Sonntag die Stadt verlassen, um sich erholen zu können.

„Vor 30 Jahren gab es keine Möglichkeit, durch das Gebiet zu laufen – jetzt ist es ein Ort wo sich Menschen aus vielen Ländern treffen, um zu enstpannen und – auch ohne Geld – Kultur genießen zu können. Der Mauerpark ist Kulturgut!“, hält ein anderer Anwohner dagegen. „Wie tot wollen wir Berlin denn noch bekommen, wenn wir alles verbieten, was Spaß macht?“, fügt jemand hinzu.

„Man könnte die Karaoke einzeln messen, wenn niemand sonst im Park ist, keine Autos vorbeifahren, kein Flugzeug fliegt und niemand hustet. Das ist nicht machbar“, entgegnet das Umweltschutzamt. In das Genehmigungsverfahren, das Mitte nächster Woche abgeschlossen sein muss, sollen die Interessen der Anwohner einfließen. Ob die international bekannte Veranstaltung wie gewohnt ab Ostern stattfinden kann, bleibt also erstmal weiter ungewiss. Fest steht bloß: Sollte sie genehmigt werden, dann nur noch von 15 bis 19 Uhr anstatt bis 19.30 Uhr.

 

Die Kritikpunkte an der Karaoke-Veranstaltung sind zahlreich / Foto: Julia Schmitz

 

Sonderstatus und Schallschutzmuscheln

Die Bezirksverordneten von Pankow stehen hingegen so gut wie geschlossen hinter der Veranstaltung: In der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) am 27. März stimmten sie mehrheitlich dem Antrag von SPD und Linksfraktion zu, der Karaoke-Veranstaltung eine Sondergenehmigung ab Ostern 2019 zu erteilen – und eine Zusage gleich auch für die Saison 2020 und 2021 zu geben.

Ebenfalls solle der Park im Flächennutzungsplan nicht nur als „gewidmete öffentliche Grün- und Erholungsanlage“ ausgewiesen werden, sondern einen Sonderstatus als Ort für Kunst, Kultur und Musik erhalten. Um auch die Lärmbeschwerden zu berücksichtigen, soll außerdem ein Regelwerk für Straßenmusik im Mauerpark erarbeitet werden: Vorschläge beinhalten unter anderem ein Online-Anmeldeverfahren für Musiker*innen sowie so genannte „Schallschutzmuscheln“, die den Schall in Richtung Hang leiten.

„Der Mauerpark wird zum Brennglas für alle Diskussionen rund um Freiräume in Berlin“, äußerte sich Bezirksbürgermeister Sören Benn (Linke) in der BVV; Freiheit sei aber nicht zu haben ohne Verantwortung, mit der man sich gemeinsam auseinandersetzen müsse. Denn, so Benn: „Der Mauerpark gehört niemandem – und gleichzeitig uns allen!“

Das könnte Dich auch interessieren

Hinterlasse einen Kommentar