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Prenzlauer Berg Newsletter #2 lässt Frauen die Stadt planen

von Julia Schmitz 16. Januar 2022

Was passiert mit der Kulturbrauerei, wird die Cantianstraße umgebaut und warum gab es erneut Pannen bei einer Wahl? Das und mehr in unserem Newsletter zum Nachlesen.


Liebe Leserinnen und Leser!

Kurze Ampelphasen für Fußgängerüberwege, unerreichbar hohe Haltegriffe im Bus, schummrig beleuchtete Tunnel und Wege, mangelnde Barrierefreiheit, nur wenige öffentliche Toiletten – etliche Elemente der städtischen Infrastruktur wurden, schaut man genauer hin, an den Bedürfnissen von Frauen, älteren Menschen oder Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen vorbeigeplant. Jahrzehntelang haben Stadtplaner*innen – Berlin ist da keine Ausnahme – auf die Fortbewegung mit dem Auto und auf lineare Wege zwischen Arbeitsstätte und Wohnung fokussiert gebaut. Doch die Realität sieht anders aus: Vor allem Frauen nutzen viel häufiger öffentliche Verkehrsmittel, gehen zu Fuß und wechseln über den Tag verteilt meist zwischen mehreren Orten. Auch in Pankow. Es ist deshalb an der Zeit, dass der Bezirk gendergerechter wird, findet die Bezirksverordnete Ulrike Rosensky (SPD). Sie fordert deswegen die Einrichtung eines „Frauenbeirat Stadtplanung“. Was das bedeutet, haben wir sie gefragt für unseren

Text der Woche:

  • BVV: Urbane Räume wurden in der Vergangenheit hauptsächlich von Männern für Männer geplant. In Pankow soll sich das ändern: Die SPD will mithilfe eines Frauenbeirats Pankow gendergerechter machen.

Was sonst noch los war:

  • Leute im Kiez: Doreen Persche betreibt einen der letzten Hutläden Berlins: Kleemann Hüte hat auf der Schönhauser Allee schon einiges überdauert. Im Gespräch erzählt sie, warum sie keine Hutmacherin ist und warum sich der Laden in Prenzlauer Berg halten wird.

Kiezfoto der Woche

Schlechte Laune? Ein Spaziergang durch die „Wimpelstraße“ hilft immer!
Foto: Julia Schmitz

Aus dem Bezirk

  • Corona: Die Pandemie hält Deutschland und Berlin weiterhin im Griff, die Zahl der Infizierten steigt erneut sprunghaft an – auch in Pankow. Am Donnerstag lag die Inzidenz im Bezirk laut RKI bei 890,2. Die Bezirksverordnete Katja Ahrens (SPD) wollte deshalb wissen: Wie erklärt sich das Bezirksamt die steigenden Fallzahlen in Pankow, die derzeit sogar oberhalb des Berliner Durchschnitts (aktuell bei 918,5) liegen? Auch wenn Friedrichshain-Kreuzberg (1398,2) und Neukölln (1247,7) mit ihren Inzidenzen Pankow locker den Rang ablaufen, ist das kein Grund zur Beruhigung. Was kann der Bezirk also tun, um die Zahl zu senken? Die Verläufe der Infektionszahlen seien in allen Berliner Bezirken ähnlich, Pankow habe in den letzten Monaten dabei meistens unter dem Durchschnitt gelegen, so Dr. Cordelia Koch (Grüne), Bezirksstadträtin für Gesundheit. Möglicherweise hänge der sprunghafte Anstieg Inzidenz bereits mit der Omikron-Variante zusammen, so Koch weiter; „aber wir haben keine Kapazitäten, um Forschungen über Ursache und Wirkung der Ausbreitung anzustellen.“ In Pankow setze man daher nicht mehr allein auf die Isolierung von Patient*innen und Kontaktpersonen, sondern vor allem auf die Impfung: Vom 3.-7. Januar hatte Kochs Abteilung eine dezentrale Impfwoche organisiert, die vor allem im Norden des Bezirks für Zulauf sorgte. 584 Spritzen wurden verabreicht, die meisten davon so genannte Booster-Impfungen.
  • Seniorenwahl: Die Pannen der Dreifachwahl Ende September sind noch nicht lange her, da geht es im Bezirk erneut drunter und drüber: Anfang Januar erhielten rund 90.000 Pankower*innen, die über 60 Jahre alt sind, eine Benachrichtigung für die Wahl der Seniorenvertretung ihres Bezirks. Doch die kam nicht aus Pankow, sondern aus Reinickendorf – und sorgte für ordentlich Verwirrung. „Zuerst erhielt ich die Wahlbenachrichtigung vom Bezirksamt Reinickendorf. Zwei Tage danach lag die Wahlbenachrichtigung vom Bezirksamt Pankow in meinem Briefkasten. Hätte ich die zweite Nachricht nicht erhalten, wäre ich am 17.März zur Wahl im Fontane-Haus angetreten. Hätte ich dann dort in der Liste der Wahlberechtigten gestanden mit meiner Pankower Adresse?“, schreibt uns Harro Lorenzen. Das Bezirksamt sei für diese Panne nicht verantwortlich, heißt es in einer Pressemitteilung der zuständigen Bezirksstadträtin Dr. Cordelia Koch (Grüne); es habe sich um einen technischen Fehler des IT-Dienstleistungszentrums gehandelt. Lorenzen nimmt das Ganze mit Humor: „Ich gehöre nicht zu jenen, die am liebsten das ‚Totalversagen‘ der Ämter deklamieren. Nach den bis heute unter den Teppich gekehrten Merkwürdigkeiten der letzten Wahlen nehme ich vergnügt zur Kenntnis, wasalles unstimmig sein kann in der Vorbereitung einer Wahl.“
  • Kulturbrauerei: Kino, Theater, Literatur, Kunst? Gibt es hier alles! Allen Unkenrufen der letzten Jahre zum Trotz ist Prenzlauer Berg noch immer ein Ort mit vielfältigem kulturellem Programm: Das steuern sowohl die kommunalen Einrichtungen wie das Theater unterm Dach, die WABE und die Prater Galerie als auch Standorte wie das Ballhaus Ost, das Machmit Museum oder das Pfefferberg Theater bei. Dass dem Bezirk auch die nicht hauseigenen Spielstätten am Herzen liegen, betont die neue Stadträtin Dominique Krössin (Die Linke) in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage des Bezirksverordneten Thomas Enge (FDP): „Es gilt – gerade in diesen Zeiten – genau diese Vielfalt insgesamt zu stärken und die pandemiegeschwächte Kunst- und Kulturszene zu unterstützen.“ Der Wille ist da, doch die Umsetzung nicht immer einfach: „Die Problematik besteht grundsätzlich darin, dass das Bezirksamt gegenüber den immensen Interessen des Immobilienmarkts nur schwerlich mit öffentlichen Geldern konkurrieren kann“, so Krössin. Die Ateliers in der ehemaligen Australischen Botschaft gingen aus diesem Grund verloren, ebenso die KunstEtagenPankow. Zu den aktuellen kulturellen Sorgenkindern des Bezirks gehört, neben dem Kino Colosseum, auch die Kulturbrauerei. Weil das Areal verkauft werden sollte, forderten die Bezirksverordneten im vergangenen Sommer die Aufstellung eines Bebauungsplans, um das von Kulturstätten wie dem Theater RambaZamba, dem Kesselhaus und dem Kino genutzte Gelände langfristig als Kulturstandort zu sichern. Die Beschlussvorlage für den Bebauungsplan ist nun – nachdem, ganz geordnet bürokratisch, alle Antworten der zuständigen Senatsverwaltungen und der bezirklichen Fachämter vorliegen – laut Krössin „weitgehend fertiggestellt“ und wird demnächst dem Bezirksamt vorgelegt. Der Mietvertrag zwischen dem Land Berlin und dem Eigentümer der Kulturbrauerei läuft noch bis zum 31. Dezember 2026; der Senat will sich dafür einsetzen, diesen zu verlängern.
  • Cantianstraße: Den Pankower Grünen sitzt offenbar etwas zu quer, und zwar die Autos auf der Cantianstraße – deshalb wollen sie, dass diese in Zukunft längs, als entlang des Bürgersteigs parken und nicht mehr mit der Nase zum Bordstein. Der Bürgersteig ist nämlich, im Vergleich zu anderen in Berlin, sowieso schon recht schmal und wird oft durch „überhängende“ Autos noch enger. Auch in puncto Fußgänger*innenfreundlichkeit in der Straße, die tagsüber vor allem als Schulweg genutzt wird, sehen die Bündnisgrünen Änderungssbedarf: „Die weiße Farbe der Gehwegvorstreckungen an den Kreuzungen Cantianstraße Ecke Milastraße und Gaudystraße ist abgeblättert und kaum noch sichtbar. Das führt dazu, dass die Kreuzungen zugeparkt sind und die Zufußgehenden Schwierigkeiten haben, über die Straße zu kommen“, heißt es im Antrag, der in der Bezirksverordnetenversammlung am Mittwoch besprochen wurde – und einiges an Gegenwind bekam. Zwar unterstützen auch die anderen Parteien den Grundgedanken, doch gab es erheblichen Zweifel an den vorgeschlagenen Maßnahmen: Diese könnten zusammenfallen mit dem Umbau der Brücke auf der Schönhauser Allee und für Stau sorgen, argumentierte Mike Lenkeit (SPD); Wolfram Kempe (Die Linke) sah das Problem vor allem in der Änderung der Parkordnung: „Die Cantianstraße ist objektiv ziemlich breit, mit der Änderung der Parkplätze wird sie gefühlt noch breiter und könnte zur Rennstrecke in das Wohngebiet hinein werden“. Weiter diskutiert wird nun im Ausschuss für Mobilität und Ordnung.
  • Danziger Straße: Apropos Verkehrssicherheit: Die wird auch auf der Danziger Straße als verbesserungswürdig eingeschätzt, diesmal von der CDU-Fraktion. Vor allem die Situation an der Kreuzung mit der Winsstraße, wo Radfahrer*innen aufgrund der Abschüssigkeit Richtung Friedrichshain schnell an Geschwindigkeit zulegen, müsse verbessert werden: „Das größere Risiko an dieser Stelle besteht demnach nicht für die an der Ampel wartenden Radfahrer beim Wechsel von rot nach grün, sondern für die bei grüner Ampel schnell herabfahrenden Radfahrer“, so Antragstellerin Denise Bittner (CDU). Um den Rad– vom Autoverkehr zeitlich zu trennen, solle außerdem eine Fahrradampel in Betracht gezogen werden. Auch dieser Antrag wurde erstmal an den Ausschuss überwiesen.
  • Fahrradreparatur: Vielleicht gesellt sich zu der Fahrradampel in Zukunft noch eine Fahrradreparatursäule? Die wünscht sich die Linksfraktion „an geeigneten und vom Fahrradverkehr hoch frequentierten Verkehrsknotenpunkten im Bezirk“; zum Beispiel auf dem Berlin-Usedom-Radweg, der durch Prenzlauer Berg führt. Abschauen könnte sich Pankow das Prinzip bei Rostock oder bei Reinickendorf, die die mit Werkzeug ausgestatteten Säulen für Spontanreparaturen bereits erfolgreich einsetzen – bespricht das Ganze aber erstmal im kleineren Ausschuss-Kreis.
  • Greifswalder Straße: Schlechte Nachrichten gibt es von der Greifswalder Straße – diesmal gleichermaßen für Radfahrer– und Autofahrer*innen. Nach einem Wasserrohrbruch ist die Straße zwischen Storkower Straße und Thomas-Mann-Straße gesperrt und zwar voraussichtlich witterungsbedingt noch bis zum 20. Januar. Autos müssen die Sperrung umfahren, Radler*innen absteigen und schieben. Ob sich alle daran halten werden?
  • Bürger*innendeputierte: Mit der neuen Legislaturperiode hat die Bezirksverordnetenversammlung einen neuen Ausschuss für Partizipation und Integration eingerichtet – und der sucht nun Bürger*innendeputierte. Vorschläge können unter anderem von Migrant*innenselbstorganistationen (MSO), die auf der Öffentlichen Liste zur Wahl des Landesbeirats für Partizipation stehen, eingereicht werden. Der Ausschuss tagt alle vier Wochen, die ehrenamtliche Arbeit wird mit einer Aufwandsentschädigung vergütet.

Kriminelles & Unschönes

  • Wohnungsraub: Die Polizei bittet mit der Veröffentlichung eines Fotos um Mithilfe bei der Suche nach einer Tatverdächtigen: Diese habe am Abend des 26. November 2020 vier weitere Tatverdächtige in die Wohnung eines 27-Jährigen gelassen. Nachdem die Vermummten den Mieter mit einer Pistole bedroht und gefesselt hatten, stahlen sie Geldbörse, Smartphone und PKW-Schlüssel, später auch den PKW. Der Überfallene konnte sich befreien und die Polizei alarmieren.
  • Fahrzeuge brannten: In der Hanns-Eisler-Straße gerieten in der Nacht zu Samstag gegen 0.20 Uhr vier PKWs in Brand, nachdem zuvor ein VW und ein Audi angezündet worden waren. Die Feuerwehr löschte die Flammen, die Fahrzeuge erlitten erheblichen Schaden.

Tipps & Termine

  • 15./16.1.: Die gigantische Büste von Ernst Thälmann thront seit DDR-Zeiten an der Greifswalder Straße. Im Auftrag des Bezirks hat sich Künstlerin Betina Jentzsch mit dem Denkmal auseinandergesetzt, herausgekommen ist die Dokumentation Vom Sockel Den­ken, die an diesem Wochenende in der Brotfabrik am Caligariplatz gezeigt wird. Beginn ist jeweils um 16 Uhr, der Eintritt kostet 8/6 Euro.
  • Bis 23.1.: Gundula Schulze-Eldowy gehört mit ihren markanten schwarz-weiß-Bildern zu den bekanntesten Fotografinnen der DDR. Nach dem Mauerfall ging sie auf Reisen, im Gepäck eine Polaroidkamera. Die Ausstellung Mangoblüte & Wildrose in der Galerie Pankow zeigt über 230 der Aufnahmen, die zwischen 1991 und 2003 entstanden sind. Geöffnet ist Dienstag bis Freitag von 12 bis 20 Uhr und Samstag/Sonntag von 14 bis 20 Uhr.

Das habt ihr vielleicht verpasst

  • Künstlerin: Fast ihr ganzes Leben hat Monika Meiser in Prenzlauer Berg verbracht, seit knapp fünf Jahrzehnten wohnt sie im selben Eckhaus. Ein Besuch bei der Künstlerin, die analytisch denkt und abstrakt malt.

Zitat der Woche

„Die Chance, unsere Viertel ganz neu und aus feministischer und weiblicher Sicht zu gestalten, haben wir jetzt“

sagt Ulrike Rosensky. Sie setzt sich in der BVV dafür ein, dass Frauen in Zukunft stärker in die Stadtplanung miteinbezogen werden.

Unsere Kieze „weiblicher“ zu gestalten bedeutet übrigens im Umkehrschluss nicht, dass Männer in irgendeiner Form benbachteiligt oder ausgeschlossen werden sollen. Aber wäre es nicht einfach schön, wenn eine Stadt für alle Menschen gleichermaßen gestaltet wäre? In diesem Sinne wünsche ich euch ein wundervolles Wochenende!

Eure Julia Schmitz
und die ganze Redaktion


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