Auf dem Weg zum inklusiven Bezirk

von Julia Schmitz 14. Januar 2022

Urbane Räume wurden in der Vergangenheit hauptsächlich von Männern für Männer geplant. In Pankow soll sich das ändern: Die SPD fordert die Einrichtung eines „Frauenbeirates Stadtplanung“.


Kurze Ampelphasen für Fußgängerüberwege, unerreichbar hohe Haltegriffe im Bus, schummrig beleuchtete Tunnel und Wege, mangelnde Barrierefreiheit, nur wenige öffentliche Toiletten – etliche Elemente der städtischen Infrastruktur wurden und werden noch immer, schaut man genauer hin, an den Bedürfnissen von Frauen, älteren Menschen oder Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen vorbeigeplant.

Jahrzehntelang verfolgten Stadtplaner*innen und Architekt*innen die Vorstellung eines linearen Alltags, der sich auf eine strikte Trennung von Arbeit und Freizeit konzentriert und das Auto in den Mittelpunkt stellt: Raus aus dem Haus, rein in das Fahrzeug und ins Büro, abends retour. Doch der Tagesablauf vieler Menschen, nicht nur in einem Innenstadtbezirk wie Pankow, sieht in vielen Fällen anders aus.

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Was macht eine inklusive Stadt aus?

Vor allem für Frauen: Noch immer leisten diese einen Großteil der so genannten „Care-Arbeit“, kümmern sich also um den Nachwuchs, bringen ihn zu Kita, Schule und zum Musikunterricht. Laut Statistischem Bundesamt legen sie häufiger als Männer ihre Wege dabei zu Fuß oder mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zurück, mitunter mit Kinderwagen im Schlepptau – eine Straße zu überqueren, ohne zwischendrin auf der von Tram und Autos umtosten Mittelinsel warten zu müssen, ist aufgrund kurzer Ampelphasen oft unmöglich.

Öffentliche Toiletten sind Mangelware; findet sich eine, ist die Nutzung für Frauen meistens kostenpflichtig, die Pissoirs für Männer sind jedoch gratis. Wie sähen Städte also aus, wenn stärker auf die Bedürfnisse bisher weitestgehend vernachlässigter Gruppen eingingen? Wie könnte der öffentliche Raum in Pankow „weiblicher“ oder, besser gesagt, inklusiver werden?

Die SPD Fraktion Pankow möchte dies erreichen, indem sie in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) die Einrichtung eines „Frauenbeirat Stadtplanung“ fordert. Dieser soll „Problemlagen und Fragen von Frauen im Bezirk in der Stadt- und Bauplanung, bei den Themen Wohnen, Grünplanung, Umweltschutz, Mobilität und Straßengestaltung aufgreifen und dazu konkrete Anregungen geben“, heißt es im Antrag.

 

Idee ist nicht neu

Was für manche Kritiker*innen wie ein versponnenes Konzept bezirkspolitischer Feminist*innen klingen mag, ist hingegen nicht neu: Bereits in den 1970er Jahren entstanden erste Ideen für geschlechtergerechte Stadtplanung; in Wien setzt man diese seit über 30 Jahren um, auch die Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hat 2011 ein „Handbuch für Gendermainstreaming in der der Stadtentwicklung“ herausgegeben.

In Pankow hat sich die Bezirksverordnete Ulrike Rosensky dem Thema angenommen. Sie ist Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (ASF), der Frauenorganisation der SPD und mit dem Bereich der Gleichstellung bestens vertraut. „Frauenspezifische Aspekte, Sichtweisen und Lebensgefühl in Planungen der Kommunen und Städte einfließen zu lassen, ist schon länger ein Thema. Für unseren Antrag haben wir uns den Frauenbeirat Mitte zum Vorbild genommen. Die Empfehlungen des damaligen Frauenbeirates Tiergarten aus dem Jahr 1993 machen deutlich, dass zur Verankerung frauenspezifischer Kriterien, zum Beispiel in Bebauungsplänen, formale Verbindlichkeiten erforderlich sind. Ich wünsche mir, dass zukünftig dieser Beirat ganz klar im Pankower Stadtentwicklungsamt angesiedelt ist. Die Chance, unsere Viertel ganz neu und aus feministischer und weiblicher Sicht zu gestalten, haben wir jetzt“, sagt sie.

In der Bezirksverordnetenversammlung am Mittwoch wurde der Antrag in die Ausschüsse für Stadtentwicklung und Gleichstellung überwiesen, wo sie demnächst diskutiert werden.

 

Titelbild: Öffentliche Pissoirs – hier ein klassisches „Café Achteck“ am Senefelder Platz – sind fast immer kostenlos, öffentliche Toiletten hingegen nicht / Foto: Julia Schmitz

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