Hutmacherin

Zu Besuch bei keiner Hutmacherin

von Sonja Koller 10. Januar 2022

Doreen Persche betreibt einen der letzten Hutläden Berlins: Kleemann Hüte hat auf der Schönhauser Allee schon einiges überdauert. Im Gespräch erzählt sie, warum sie keine Hutmacherin ist und warum sich der Laden in Prenzlauer Berg halten wird.


Dies ist ein Text aus unserem Schwerpunkt
„Leute im Kiez“


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Seit 1905 werden an der Schönhauser Allee 131 Hüte verkauft. Vor dem Laden „Kleemann Hüte“ dürften die meisten Bewohner Prenzlauer Bergs schon Zeit verbracht haben. Wahrscheinlich haben viele von ihnen das aber gar nicht bemerkt. Denn das Geschäft liegt direkt hinter der Straßenbahnstation Milastraße. Wer auf die Tram wartet, muss sich also nur umdrehen um im Schaufenster Hüte zu bestaunen oder mit Doreen Persche plaudern.

Sie ist Inhaberin des Ladens und hat eine Vielzahl der Hüte hier selbstgemacht. Die Chancen stehen nicht schlecht, dass man sie trifft, wenn man sich den Laden genauer ansieht. Denn sie hat nur eine weitere Mitarbeiterin, betreut Kund*innen an den meisten Tagen selbst. Geübt hat sie dafür quasi ihr ganzes Leben lang. Schon ihre Oma, ihr Opa und selbst ihr Onkel waren Hutmacher. Und auch Doreen wollte seit ihrer Kindheit immer nur mit und an Hüten arbeiten. Nur Lehrerin hätte sie sich als junges Mädchen für sich auch vorstellen können. Heute macht sie beides, ein bisschen.

 

Modistin, keine Hutmacherin

Betritt man das Geschäft, sieht man auf einem Blick hunderte Kopfbedeckungen: klassische Fedoras, Melonen (das Markenzeichen von Charlie Chaplin), Schiebermützen, Ballonmützen und Cloches, deren Form an eine Glocke erinnert. Selbst Wollmützen und Baseball Caps gibt es hier. Dazwischen: eine Frau mit offenem Gesicht und einem Maßband, das sie um den Hals trägt. Rot, orange, lila, gelb, rosa, silber, blau – Doreen verkauft Kopfbedeckungen in jeder Farbe. Die Männerhüte sind fast ausschließlich zugekauft, die Damenhüte macht Doreen teilweise selbst. Trotzdem ist sie keine Hutmacherin, wie sie erzählt.

Hutmacher*innen arbeiten arbeiten mit Pressen an der Grundformen eines Hutes, sie formen den Hut. Doreen aber ist Modistin. Sie garniert den Hut, und das in der Schönhauser Allee bereits seit 1989. Damals übernahm sie das Geschäft von ihrem Onkel. Er war es, der ihr von klein auf beigebracht hat, mit Hüten zu arbeiten. Mit dem Namen „Kleemann“, der auch heute noch groß vor über dem Eingangstor steht, hatte der Laden aber schon damals nichts mehr zu tun. Das waren die Gründer, erzählt Doreen. Ihr Onkel hatte ihnen den Laden abgekauft.

Ihre ersten Jahre bei „Kleemann Hüte“, die 90er, seien schwer gewesen. Damals war die Schönhauser Allee voller Läden mit Produkten, die eher außergewöhnlich und mitunter seltsam waren. Ständig sei einer davon Pleite gegangen, sagt Doreen. Das warf kein gutes Bild auf die Einkaufsstraße, der Ruf der Schönhauser Allee hinderte Doreen und ihren Laden am großen Erfolg. „Heute sind die Läden hier stabil“ sagt sie. Die Gegend ist teurer geworden, das merkt die Modeliererin. Aber auch für das Material musste sie in den letzten zehn Jahren immer mehr ausgeben. Ein Hut, den sie etwa vor zwei Jahren noch um 140 Euro zukaufen konnte, kostet mittlerweile um 190 Euro. Das macht sich auch bei den Preisen für Kunden bemerkbar.

Doreen

Im Atelier von Doreen Persche / Foto: Sonja Koller

 

„Auch normale Menschen sollen sich Hüte leisten können“

Die Tür geht auf, herein kommt ein Mann mittleren Alters. „Ich brauche für meinen Freund einen Lederhut mit Federn.“ „Wissen Sie die Kopfgröße?“ Doreen nutzt das Maßband um ihren Hals, um den Kopf des Kunden abzumessen. 59. Sollte der Hut für den Freund zu klein sein, könnte sie ihn auch im Nachhinein noch weiten. Häufig macht sie Veränderungen und Reparaturen an älteren Modellen. Doreen bietet dem Mann treffsicher mehrere schwarze Hüte an; der Kunde entscheidet sich schnell, bezahlt 139 Euro. Wenn sie den Preis für einen ihrer Hüte nennt, „zucken Viele nicht mal“ erzählt die Verkäuferin später.

Ihre Preise sind human, deshalb laufe es gut, meint Doreen. Wichtig ist ihr eins: „Auch normale Menschen sollen sich Hüte leisten können“. Doreen will, dass sie nicht nur wohlhabenden Menschen vorbehalten sind. Wer für einen besonderen Anlass einen Hut braucht, soll sich den auch leisten können, findet sie. Ihr Beruf ist für sie keine Kunst, sondern Handwerk. Doreen will normale, tragbare Mode herstellen. Überkandidelte Hüte mag sie gar nicht. Während die Frau im grauen, unscheinbaren Pulli erzählt, wird klar, dass auffallen auch für sie persönlich kein Ziel ist.

 

Ein Leben als Modist*in ist fast unmöglich

In anderen Geschäften in Berlin gehe nichts unter 500 Euro über den Tresen, erzählt Doreen. Sie schüttelt den Kopf, wirkt eher enttäuscht als verachtend. „Da werden Hüte gemacht, die können wir auch herstellen“. Aber günstiger. „Da mache ich lieber einen Hut mehr. Nur einen pro Monat um 500 Euro zu verkaufen, das wäre nichts für mich“. Im Gespräch ist zu spüren, dass Doreen ihr Handwerk liebt.

Ihr Wissen gibt sie regelmäßig an Lehrlinge weiter. Der Traum vom Lehrerdasein hat sich also zumindest teilweise erfüllt. Sieben Lehrlinge hat sie schon ausgebildet, darunter nur ein Mann. Aber das Leben als Modist*in ist schwer. Sechs der sieben von Doreen ausgebildeten Modist*innen entschieden sich gleich nach Abschluss der Ausbildung bei Doreen, ein Studium in einem anderen Bereich anzufangen. Nur eine junge Frau konnte in der Branche bleiben und machte in einer anderen deutschen Stadt einen Laden auf. Und musste diesen schon kurz darauf wieder schließen. Das Geld reichte nicht.

Doreen

Kleemanns Hüte / Foto: Sonja Koller

 

Warum kann Kleemann überleben?

Wie schafft Doreen es, dass Kleemann Hüte auch 116 Jahre nach seiner Eröffnung noch funktioniert? Vielleicht liegt es daran, dass ihr Geschäft in einem Holländischen Reiseführer empfohlen wird. So fahren manche Touristen extra nach Prenzlauer Berg, um bei Doreen einzukaufen. Neben Urlaubern sind es aber auch Stammkunden, denen der Laden seinen Erfolg zu verdanken hat, meint Doreen. „Für viele gehört der Hut mittlerweile zur Persönlichkeit“, erzählt sie. Einige der Stammkunden hat sie noch nie persönlich kennengelernt. Denn seit sie sich im März des letzten Jahres dazu entschieden hat, zusätzlich über einen Instagram Account Hüte zu verkaufen, hat sie auch auf den sozialen Medien einige treue Käufer gefunden.

Trotz Corona war 2021 ein „echt gutes Jahr“ für Kleemann Hüte. Heute sind die Hüte farbenfroher geworden, erst kürzlich habe sie an einen Herrn einen pinken „bucket hat“ verkauft, erzählt Dorren schmunzelnd. Und wie stets bei der Modeliererin mit den Hüten? Doreen selbst hat nur eine Handvoll davon zu Hause und trägt sie nur zu wirklich besonderen Anlässen. Im Laden trägt sie niemals Kopfbedeckung.

 

Titelbild: Sonja Koller

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