Späti-Tour mit Flaschenbier

von Sarah Schaefer 14. Dezember 2018

Es gibt Bier in rauen Mengen, aber nicht immer einen warmen Platz zum Trinken: Wir sind einen Samstagabend lang durch die Prenzlauer Berger Spätis gezogen.


19.34 Uhr, Greifswalder Straße

„Sp@tkauf“ steht in großen, erleuchteten Buchstaben über dem Laden. Und daneben, damit auch ganz klar ist, dass man hier online gehen kann: „Internet“. Es ist Adars Reich. Der 20-Jährige, wacher Blick, Kopfhörer im Ohr, führt seit ein paar Wochen den Laden.

Das Geschäft läuft, im Minutentakt kommen Menschen herein. Eine Frau und ein kleines Mädchen betreten den Späti, die Frau kauft vier Flaschen Augustiner, Tabak und Paper. Ein Mann deckt sich mit fünf Flaschen Berliner Kindl ein, zwei junge Frauen mit Strickmützen kaufen Mixbier und einen Gin-Cocktail in der Dose.

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Adar mag seine Arbeit. „Das ist kein Job, bei dem man morgens aufsteht und denkt: Ich habe keine Lust zu arbeiten“, sagt er. Und er mag Prenzlauer Berg. Die Lage seines Spätis sei super, man könne zu Fuß zum Alex laufen, die Atmosphäre sei angenehm. Viel besser als in anderen Bezirken, wo es Probleme mit Diebstahl und Gewalt gebe, Wedding oder Neukölln etwa. Wo er wohne? „Neukölln“, antwortet er, ohne eine Miene zu verziehen. 

Adar schwärmt davon, wie entspannt seine Kunden sind, da kommt ein Mann aus dem Internetcafé nach vorn und beschwert sich, dass Adar ihm noch nicht den PC eingeschaltet habe. Der Späti-Betreiber wird kurz sauer. Da könne man doch mal kurz warten, er unterhalte sich schließlich gerade. „Ich mache dir den nicht an“, ruft er dem Mann zu – und tut es dann doch.

Lekr, nur wenige Gehminuten von Adars Späti entfernt, hat bereits zu und wird auch am kommenden Tag wegen des Verkaufsverbots an Sonntagen nicht öffnen. Auf das Thema angesprochen, schüttelt Adar nur den Kopf. „Wenn Leute hier sonntags die Straße lang laufen, erwarten sie doch, dass Läden geöffnet haben.“

Der offizielle Name von Adars Späti ist übrigens nicht „Sp@tkauf Internet“, sondern „Spätkauf 47“. Die 47 steht für die ersten zwei Ziffern der Postleitzahl der Stadt Mardin in der Türkei. Der Stadt, aus der Adars Familie stammt.

 

20.23 Uhr, Pappelallee

Uwe ist mit dem Rad zu seinem Stamm-Späti geradelt, hat sich dort ein Berliner Pilsener gekauft und mit dem Ladenbesitzer ein paar Worte über Berliner Fußballclubs gewechselt. Jetzt steht er vor dem Späti, der „Hutfabrik“ heißt, und zündet sich eine Zigarette an. Sein Bier hat Uwe auf einem Vorsprung in der Hauswand abgestellt. Seit zwei Jahren ist er Stammkunde in der „Hutfabrik“, erzählt der 60-Jährige. Der Späti liege auf dem Weg von seiner Arbeit nach Hause, und hier trinke er sein Feierabendbier. Nicht jeden Abend, aber doch sehr regelmäßig.

Dann sagt er einen Satz, den man in Prenzlauer Berg nicht oft hört: „Ich mag Touristen.“ Ihm gefalle die Atmosphäre an der Pappelallee, er schaue den Prenzlauer-Berg-Besuchern gern beim abendlichen Flanieren zu. „Ich bin aber auch nicht von dem Lärm betroffen“, sagt er, seine Wohnung liege in einer ruhigen Gegend.

Im Späti treffen man nette Leute und das Bier sei günstig. Doch Uwe spricht auch von den vielen Eckkneipen, die seit der Wende schließen mussten. Kneipen, in denen er sich auf eine Runde Skat oder Doppelkopf traf. So sehr er Spätis möge, ein Ersatz für diese Kneipen seien sie nicht.

Er hat Verständnis dafür, dass die Berliner auch sonntags geöffnete Spätis erwarten, wenn sie vergessen haben, rechtzeitig einzukaufen. Aber eigentlich seien das „Großstadtmarotten“, sagt er mit einem milden Lächeln.

20.37 Uhr, Schönhauser Allee

Der Späti trägt den unauffälligen Namen „Multishop“, in der Mitte des Raumes stapelt sich das Bier in Kisten, an der Wand reihen sich in Kühlschränken die Bier- und Brauseflaschen aneinander. Doch viel Nachfrage gibt es nicht an diesem Abend. „Heute ist nicht viel los“, sagt Verkäufer Ercan. Das schlechte Wetter, und außerdem seien die Menschen jetzt lieber auf dem Weihnachtsmarkt.

Seit zehn Jahren gebe es diesen Späti schon, er habe viele Stammkunden. „Aber die Kunden wechseln oft“, sagt Ercan. Nicht ganz freiwillig, wie er glaubt: Viele könnten sich die Miete nicht leisten und zögen darum aus dem Kiez weg.

 

21.23 Uhr, Schönhauser Allee, weiter nördlich

Tony, Inhaber von „Tony’s Kiosk“, hat gleich Feierabend. Seine Ablöse ist schon da und zieht sich im Nebenraum um. Auch hier gibt es Bier, Zigaretten, Chips. Es gibt aber auch Umhängetaschen mit „Berlin“-Aufdruck, Schnapsgläser mit „Berlin“-Aufdruck und Quietscheenten mit Irokesen-Frisur. Ob das bei seinen Kunden ankommt? „Bei den Touristen schon“, sagt der 28-Jährige.

Seit drei Jahren führt er den Laden, in der Zeit habe er so gut wie keine schlechten Erfahrungen gemacht. Selbst die Teilnehmer der berüchtigten britischen Junggesellenabschiede seien freundliche Kunden.

„Und wegen der Preise hat sich noch niemand beschwert“, sagt Tony. Briten staunten über die günstigen Tabakpreise, Skandinavier darüber, wie wenig sie für das Bier bezahlen müssen.

Die Entwicklungen zum Sonntagsverkaufsverbot verfolgt Tony aufmerksam. Sonntags nicht zu öffnen, sei für ihn nicht existenzbedrohend, sagt er. Seine besten Tage seien Freitag und Samstag. Aber er weiß, dass das bei anderen Spätis anders aussieht. „Wenn man die Berliner fragen würde, die wären doch alle auf unserer Seite“, sagt er.

Ob wir drinnen noch ein Bier trinken können? Der Laden sei schon ziemlich eng, sagt Tony. Aber wir könnten gern vor der Tür eins trinken.

21.57 Uhr, Gleimviertel

Reden sei Sache des Chefs, und der sei nicht da, sagt der freundliche Verkäufer hinter der Ladentheke. Im Kühlschrank entdecken wir ein Bier-Matcha-Mixgetränk, dessen Haltbarkeitsdatum abgelaufen ist. Meine Begleitung kauft es trotzdem.

Ob wir unser Bier im Laden trinken könnten, fragen wir. Draußen sei es so kalt.

Das gehe leider nicht, heißt es auch hier. Getränke im Späti seien zum Mitnehmen gedacht, streng genommen dürfe er uns das Bier daher auch nicht öffnen, sagt der Verkäufer. Er reicht uns einen Flaschenöffner über die Ladentheke, damit wir die Sache selbst in die Hand nehmen.

 

23.08 Uhr, Wörther Straße

Still und dunkel ist es am Kollwitzplatz, auf der Straße ist kaum noch jemand unterwegs. Der Späti in der Wörther Straße ist einer der wenigen Läden, in denen noch Licht brennt. Es gibt es ein üppiges Angebot an Zeitungen und Zeitschriften, aber die wenigen Kunden, die zu dieser Uhrzeit hierherkommen, suchen etwas anderes.

Vor einem Regal mit Spirituosen stehen Jasmin und Guillermo und beratschlagen sich ausgiebig über ihren Alkoholkauf. Jasmin (21) wohnt um die Ecke, Guillermo (23) ist aus Spanien zu Besuch. Jasmin trägt eine große Flasche Fanta im Arm, die Frage ist: Welcher Schnaps passt am besten dazu? Guillermo schlägt vor, die Fanta mit Gin zu mixen.

Sie kommen gerade vom Weihnachtsmarkt, sagt Jasmin, und wollen sich noch ein Getränk für den Abend holen. „Und für Sonntag“, sagt sie. „Morgen wollen wir auch etwas trinken.“

Die beiden haben sich offensichtlich darauf eingestellt, dass sonntags die Spätis geschlossen sein könnten. Oder sie haben einfach keine Lust, bei dem Wetter vor die Tür zu gehen.

Fotos: Mathias Wesselmann

 

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