„Immer da, wenn man ihn braucht.“

von Sarah Schaefer 12. Dezember 2018

Retter in der Not, „Insel der Menschlichkeit“ und Ort intimer Begegnungen. Wovon die Rede ist? Vom Späti natürlich. Die Ergebnisse unserer Umfrage.


Klar, Bier spielt eine große Rolle. Aber der Späti eures Vertrauens ist für euch viel mehr als ein großer Kühlschrank. Er ist Teil des Kiezlebens, Versorger in der Not, er wird geschätzt für seinen Vorrat an Eis und Pflastern und als Schauplatz ungewöhnlicher Ereignisse.

In unserer Umfrage habt ihr berichtet von Begegnungen mit einem Modedesigner aus Singapur, einem spontanen Flirt und von Herrn Le, Betreiber des Lekr, von dem man wohl behaupten kann, dass er so ziemlich alles vorrätig hat, was seine Kunden brauchen – er muss nur lange genug danach suchen.

Der Fall des Lekr und die Tatsache, dass Spätis sonntags offiziell geschlossen bleiben müssen, beschäftigen euch – auch das hat unsere Umfrage gezeigt. Denn gerade am Sonntag spielt der Späti für euch eine wichtige Rolle: „Es macht das Leben entspannter. Insbesondere sonntags. Es nimmt einem den Stress, an alles im Voraus denken zu müssen“ schreibt ein/e Teilnehmer/in der Umfrage.

Ein Überleben ohne Späti kaum möglich

Für viele scheint ein Überleben ohne Späti kaum möglich – das Wort „Not“ („Notversorgung“, „Notfall“,„Notfall-Versorger“, „Notvorratskammer“) kommt in euren Antworten erstaunlich häufig vor. „Schön für Feierabendbier – aber auch für Notsachen: Wasser, Pflaster, Tiersachen, Kaffee“, heißt es in einer Antwort. Auch meiner Kollegin Julia Schmitz hat ihr Stamm-Späti schon oft den Abend gerettet

Aber es sind nicht nur diese „Notfälle“, die euch in die Arme des Späti-Verkäufers treiben. Der Späti ist für euch „eine Insel der Kommunikation und der Menschlichkeit in Zeiten der Vereinsamung durch Smartphone und Internet.“ Oder auch einfach ein „Platz, um beim Bier zu quatschen“ und ein Stück Kiezkultur: „Der gehört sowas von zu unserer Straße…“, findet ein/e Teilnehmer/in.

Manch einer wiederum spart sich die schier endlose Schlange vor den Prenzlauer Berger Eisdielen und hat stattdessen den Späti zur „Eisvergabestelle für Kinder“ auserkoren.

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Nicht jeder ist ein Fan

Doch nicht alle finden Spätis bedingungslos toll. Ein/e Teilnehmer/in ärgert sich „über 30 Sorten Bier und noch mehr Alkohol, stinkende Eingänge, besoffene Touristen“. Die Anzahl der Spätis in seiner/ihrer Umgebung stehe in keinem Verhältnis zum Bedarf. Stattdessen fehle der „kleine Kiezladen der eben auch sonntags auf hat, um mal schnell die vergessene Milch zu kaufen“.

Die überwiegende Mehrheit der Umfrage-Teilnehmer (fast 70 Prozent) kauft im Späti Bier. Der zweithäufigste Grund für den Späti-Besuch der Teilnehmer hat eigentlich nichts mit dem Späti-Angebot zu tun: Über 55 Prozent suchen den Späti auf, weil der Bote hier ihre Pakete abgegeben hat. Mehr als 40 Prozent nehmen ihren Späti in Anspruch, weil der Kühlschrank leer ist, die Supermärkte aber bereits geschlossen haben.

Morgendlicher Türkisch-Grammatikkurs

Im Späti treffen die unterschiedlichsten Menschen zu jeder Tages- und Nachtzeit aufeinander, und es gibt jede Menge Alkohol. Beste Voraussetzungen für großartige Begegnungen. Hier kommen eure Antworten auf die Frage: „Was ist das Lustigste, Kurioseste oder Überraschendste, was du in einem Prenzlauer Berger Späti erlebt hast?

„Als ich nach P‘berg zog und zum ersten Mal in meinem zukünftigen Späti war, hatte ich mein Portemonnaie zu Hause vergessen. Daraufhin meinte der Verkäufer: „Bist du öfters in der Gegend? Falls ja, nimm die Ware mit und komm dann eines Tages zum Bezahlen.“

„Verkäufer wollte ein Date mit mir. :)“

„Ich brauchte eines Sonntags einen Dichtungsring für den Wasserhahn. Im Lekr hab ich den Inhaber, Herrn Le, danach gefragt. Die Antwort: „Haben wir. Aber wo?“ Daraufhin suchte er rund zwanzig Minuten in dutzenden Kisten – und fand genau ‚meine‘ Dichtung!“

„Ich traf einen der berühmtesten transsexuellen Modedesigner, der aus Singapur stammt. Er hat meiner Tochter prompt angeboten, ihr die Grundlagen des Modedesigns zu vermitteln, kostenlos.“

„Spontaner Türkisch-Grammatikkurs morgens um 5 Uhr.“

„Zuletzt in einem drei Minuten dauernden Gespräch jemanden kennengelernt, gegenseitige Sympathie bemerkt und die Nacht zusammen verbracht. Voll geil.“

„Einmal war ich im Späti und kam mit dem jungen Mann hinterm Tresen ins Gespräch, der mir sein Leid klagte, in dem Späti, der seinem Vater gehörte, arbeiten zu müssen. Es ödete ihn an. Ein andermal war ich im selben Späti und kam mit dem älteren Mann hinterm Tresen ins Gespräch, der sich beklagte, dass sein Sohn keine Freude an der Arbeit in seinem Laden hat.“

„Nen Strip“

„Live Bondage Performance“

(Anm. d. Red.: Wir würden gern wissen, was da los war. Der Verfasser/Verfasserinnen dieser beiden Antworten dürfen sich gern bei uns melden.)

„Verkauf der Zeitschrift am Sonntag unter der Hand/Theke, weil irgendsoein Mensch meinte, man müsse Spätis drangsalieren. Es durften Zeitschriften daher sonntags nur noch bis 16 Uhr verkauft werden. Ich kam manchmal ein paar Minuten zu spät, um den aktuellen Spiegel zu kaufen. Nach einem Rundumblick, ob irgendeine „Petze“ da ist, wurde der Spiegel wie Bückware doch noch verkauft. Man kannte sich. Leider musste der Späti letztes Jahr wegen Krankheit schließen.“

„Der Spätimann hat vor zwei Wochen gefragt, wo ich denn Weihnachten verbringe. Damit hat er meine Mutter um zwei Wochen geschlagen! So was hätte ich niemals für möglich gehalten.“

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