Ghiath Al Mhitawi

Ein Leben für den Film

von Christina Heuschen 5. August 2022

Ghiath Al Mhitawi liebt Filme. Doch lange träumte er nur davon, mit ihnen Geschichten zu erzählen. Nach einigen Umwegen feiert er nun erste Erfolge.


„Natürlich braucht es Drama, aber ich will nichts wiederholen. Ich überlasse meinen Kollegen diese Filme über die Menschen, die sich in ihren 30ern verloren fühlen und immer deprimiert sind“, sagt Ghiath Al Mhitawi. Dabei schaut er sich um. Dann muss er lachen, gerade sitzt er in einem Café in der Oderberger Straße. Die Umgebung wirkt wie die ideale Kulisse für genau die Art von Filmen, die er nicht drehen möchte. „Ich respektiere diese Arbeiten, aber ich glaube, ich habe eine andere Aufgabe.“

Es sei schade, dass Syrer*innen bisher vor allem Dokumentationen über ihre Erlebnisse produziert haben, Spielfilme gebe es nur wenige. In der Tat beherrschen vor allem amerikanische Spielfilmproduktionen den Markt, die Mehrheit reproduziert Stereotype. „Es ist Zeit, dass wir unsere Geschichte erzählen und das, was wir erlebt haben“, findet Al Mhitawi. ___STEADY_PAYWALL___

Ghiath Al Mhitawi liebt Filme, er liebt es mit ihnen Geschichten zu erzählen und Zuschauer*innen damit zu provozieren. Sein neuer Kurzfilm „Return“ macht genau das. Darin kehrt ein syrischer Soldat für einen kurzen Urlaub zu seiner Mutter zurück. Er genießt ihre Gesellschaft und das Essen. Doch er möchte ihr auch sagen, was er wirklich denkt: Die Menschen, für die er kämpft, sind korrupt und kriminell; er will dem Militärdienst entkommen. Seine Mutter aber besteht darauf, ihn als Helden darzustellen, der für sein Land und die Ehre seiner Familie kämpft.

Der Film läuft gut, sehr gut. Seine Premiere feierte er beim Max Ophüls-Filmfestival. In Leipzig gewann er beim Filmfestival „Kurzsuechtig“ den Jurypreis im Bereich Fiktion. Und jetzt soll „Return“ in den Niederlanden, in Italien, in Portugal laufen, immer mehr Zusagen europäischer Filmfestivals kommen rein.

 

Auf Umwegen zum Film

Doch lange träumt Al Mhitawi nur davon, Filme zu machen. Seine ersten Erfolge hat der 35-Jährige nur über Umwege erreicht. Denn in Syrien studiert der Filmemacher zunächst Theaterwissenschaften am Higher Institute of Dramatic Arts in Damaskus. Nach seiner Flucht lebt er in vielen verschiedenen Städten. In Leipzig absolviert er schließlich eine Ausbildung zum Mediengestalter an der Fernsehakademie Mitteldeutschland und arbeitet anschließend als Ton- und Kameramann für eine kleine Firma.

2015 wird sein Stück „The Final Return“ am Royal Court Theater in London aufgeführt. Sein zweites Stück „The Abyss“ wird 2019 beim Edinburgh International Festival gezeigt. Mittlerweile macht er seinen Master Drehbuch an der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf, wo er seinen Kurzfilm „Return“ geschrieben und gedreht hat.

Al Mhitawi glaubt, dass er viel Glück gehabt habe. „In Deutschland glauben alle an Institutionen. Immer wenn ich sage, dass ich an der Filmuni Babelsberg bin, nehmen die mich ernst. Egal ob ich Ahnung habe oder nicht“, sagt er lachend, nur um dann wieder ernst zu werden. Es gebe richtig viele talentierte Leute, die nicht in der Branche schaffen, weil sie nicht an den großen Filmschulen waren. Auch er habe einiges woanders gelernt, sagt er nachdenklich: die technischen Basics für das Filmen in seiner Ausbildung in Leipzig, das Drehbuchschreiben und die Zusammenarbeit mit Schauspieler*innen am Theater.

 

Eigene Erfahrungen als Filminhalte

Überhaupt sei alles für ihn positiv, seit er in Berlin lebe. Als er 2019 in die Stadt zieht, wohnt er zuächst in der Danziger Straße, heute in der Nähe der Greifswalder Straße – alles Drama frei sagt er. Schlechte Erfahrungen habe er genug gemacht. „Ich hatte Glück, dass ich in Leipzig war und nicht in Dresden oder Chemnitz. Wenn du da anders aussiehst, wirst du direkt als Flüchtling kategorisiert. Und dann bist du entweder weniger wert oder du wirst bemitleidet. Man kann dort nicht eine normale Person wie hier in Berlin sein. Hier hast du die Freiheit zu sein, was du möchtest.“

Dramatischen Stoff für seine Filme hat er damit ohnehin genug, glaubt er. „Ich habe bemerkt, dass ich in meinen zukünftigen Projekten die Sachen bearbeiten möchte, die ich in Syrien oder in Leipzig erlebt habe.“ Tatsächlich schreibt Al Mhitawi gerade an seinem ersten Feature-Film, der in Leipzig spielen wird. Darin lebt Jumana, eine syrische Ärztin, seit neun Jahren in Deutschland. Seit ihrer Flucht vor ihrer Familie aus Damaskus, hat sie sich ein stabiles Leben in der Stadt aufgebaut. Sie arbeitet als Ärztin in einem Krankenhaus und führt eine Beziehung. Doch die plötzliche Ankunft ihres Bruders, der als Flüchtling nach Deutschland kommt, zwingt sie, sich mit ihrer Vergangenheit und einem Teil ihrer Lebensrealität auseinander zu setzen, die sie bis dahin erfolgreich verdrängt hat.

Auch wenn er für den Film noch eine Finanzierung sucht, ist er zuversichtlich. Aufzugeben scheint er ohnehin nicht so schnell. Sein Traum ist es, weiter Filme über Themen zu machen, die ihn interessieren, und damit Leute zu bewegen.

 

Titelfoto: Sebastian Herbst

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