Elfenbein

Der Literaturliebhaber aus dem Gleimkiez

von Julia Schmitz 11. November 2022

Seit 26 Jahren führt Ingo Držečnik den Elfenbein Verlag, seit 20 Jahren aus seiner Wohnung in Prenzlauer Berg. Jetzt ist er für den Berliner Verlagspreis nominiert.


Alles begann mit einem Lyrikband. Ingo Držečnik und Roman Pliske sind Anfang der 1990er Jahre Studenten der Germanistik an der Universität Heidelberg, geben das beliebte Magazin metamorphosen heraus. Darin ist Platz für Essays, Kurzgeschichten und Gedichte. Immer wieder drucken sie Verse von Andreas Holschuh, der hauptberuflich als Krankenpfleger arbeitet und regelmäßig Gedichte einsendet.

Warum diese nicht als separaten Band veröffentlichen, fragen sich Pliske und Držečnik 1995 – und setzen den Plan kurzerhand in die Tat um. Leben müssen sie davon nicht, ihre Eltern finanzieren ihnen das Studium. Dass sich Lyrik bis heute deutlich schwerer als ein Roman verkauft, wissen sie damals noch nicht, es hätte sie aber auch nicht gestört. „Wir wollten einfach gute Literatur verlegen“, sagt Držečnik. 1996 erscheint der Gedichtband „Unterderhand“, Leser*innen und Presse nehmen ihn gut an. Dann nimmt sich Holschuh überraschend das Leben.

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Umzug nach Berlin

Ein schwerer Schlag für Plischke und Držečnik, doch kein Grund, aufzugeben. Mutig produzieren sie immer neue Bücher, mieten sogar ihren ersten Stand auf der Frankfurter Buchmesse. Ihre Publikationen liefern sie noch persönlich in den Buchhandlungen ab, eine Auslieferung können sie sich nicht leisten. Um die Jahrtausendwende dann die Idee, den Verlagssitz aus Heidelberg nach Berlin zu verlegen, wo immer mehr Verlage ihr neues Zuhause finden. Der Elfenbein Verlag zieht erst in Büroräume in der Brotfabrik, später dann in eine Wohnung in der Gaudystraße. Von dort aus koordiniert Držečnik, mittlerweile im Alleingang, bis heute den Verlag.

Einen roten Faden, was die Themen der von ihm verlegten Bücher angeht, hat er nicht. „Ich mache die Texte, die mich persönlich ansprechen und von denen ich denke, dass sie anderen auch gefallen werden“, erzählt er. So reicht die Spanne von wiederentdeckten Schriftstellern der Schauerliteratur des 19. Jahrhunderts wie Arthur Machen (1863–1947), über die gesellschaftskritische Romane von Simon Raven bis in die Gegenwart mit zeitgenössischen Autor*innen wie Tobias Schwartz, Isabelle Azoulay oder Maria Stefanopoulou.

„Es dauert, eine Autorin oder einen Autor aufzubauen, man braucht mindestens drei schnell aufeinanderfolgende Bücher dafür“, sagt Držečnik. Ein Schwerpunkt seines Verlags liegt daher auf Werkausgaben bereits verstorbener Romanciers, darunter dem Dramatiker und Lyriker Klabund (1890–1928) oder Anthony Powell (1905—2000), dessen Romane die britische Seele gekonnt beschreiben. Und das funktioniert. „Ich bin bis Ende 2025 ausgebucht“, sagt der Mann, dessen Verlag 2020 mit dem Deutschen Verlagspreis ausgezeichnet wurde. Vielleicht kommt am Sonntag noch der Berliner Verlagspreis hinzu.

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