Ein Jahr: Wir bleiben alle

von Juliane Schader 31. Dezember 2012

Totgesagte leben länger, auch in der Kultur. Der Kulturabbau wurde abgeschmettert, Literaten und Puppenspieler gibt es noch. Aber erinnert sich noch jemand an das Guggenheim Lab?

In der Disziplin Schreckensnachrichten aus dem Kulturbetrieb ist Prenzlauer Berg ja mittlerweile auf Olympia-Niveau. Auch 2012 hat wieder alles dafür getan, dass seine Leistungskurzve steil nach oben reicht. Rein sportlich betrachtet war es natürlich ein herber Rückschlag, dass es mit der Abwicklung des kompletten Kulturareals Ernst-Thälmann-Park vorerst nicht geklappt hat. Aber da ist ja das letzte Wort noch nicht gesprochen. Dafür ist es natürlich eine gute Aussicht, dass mit der ollen Kulturbrauerei voraussichtlich 2021 Schluss ist und endlich ein ordentlicher Investor die Sache in die Hand nimmt. Ist ja nicht mehr zu ertragen, dieser kulturelle Ballungsraum auf Kosten des Steuerzahlers.

Und damit herzlich willkommen zu unserem satirischen Jahresrückblick zum Thema Kultur. Wir beißen zwar, aber meinen es gar nicht so. Was übrigens eine typisch Berlinerische Eigenart ist.

 

Früher war nicht alles schlecht, nicht mal die Comedy-Clubs

 

Dabei war natürlich früher nicht alles schlecht, nicht mal früher im Sinne des gerade zu Ende gehenden Jahres. Gut, die Bohème ist vielleicht nicht mehr ganz so da wie einst. Dafür ist Prenzlauer Berg jetzt Comic-Hochburg, Supper-Club-Eldorado und Schaufenster in die Welt der kleinen Verlage. Im Schatten der Hochäuser des Thälmann-Parks gibt es sogar noch eine Metal-Kneipe, in der nur ganz selten Britney Spears läuft. Und im Zonenrandgebiet zu Mitte existiert ein Comedy-Club, in dem ein Inder zum Immigrantenstadl lädt.  

Fehlen eigentlich nur noch eine auf frauenfreundliche E-Gitarren spezialisierte Kulissenbau-Expertin mit Telenovela-Erfahrung und ein Hyper-Cineast, der den Magic-Johnson-Faktor eines jeden Kinos im Kiez erfasst, damit man dem Viertel eine kulturelle Vielfalt unterstellen kann. Verdammt, das gibt es alles wirklich? In Prenzlauer Berg? Da hat man seine Vorurteile schon so gut gepflegt, und dann muss man sie trotzdem über Bord werfen. 

Zumal es hier sogar noch Dinge gibt, denen weder eine ordentlich durchgezogene Gentrifizierung noch ein Systemumsturz bislang etwas anhaben konnte. In dieser Kategorie hatten wir es in diesem Jahr mit dem kleinen Wunder eines Literatursalons zu tun, der seit 2004 am Kollwitzplatz aktiv ist und 2012 seinen 9. Geburtstag feierte. Hoffen wir, dass er nicht weiter so rapide altert. Sowie mit 40 Jahren Puppenspiel, wobei man nicht von Puppentheater sprechen und über die ganze dazugehörige Szene schweigen darf. 

Sie wundern sich schon, wie viele schlechte Überleitungen eigentlich in einen so kleinen Jahresrückblick passen? Halten Sie sich fest: Eine habe ich noch.

 

Rolf Eden im Osten, mehr kann man nicht verlangen

 

Denn weder neun, geschweige denn 40 Jahre hielt es das Guggenheim Lab im Prenzlauer Berger Pfefferberg aus, nachdem es sich letztendlich doch dazu durchgerungen hatte, dort Station zu machen. Die Nachhaltigkeit des mobilen Denklabors dürfte in etwa so dimensioniert sein wie seine Verweildauer. Als seine größte Errungenschaft wird wohl die Tatsache in die Annalen eingehen, dass es nur dem Lab gelang, Rolf Eden einmal in den Osten der Stadt zu locken. 

Womit ein finaler Schwenk auf die Vergangenheit gelungen ist – ja, genau die, von der immer alle sagen, dass es damals noch eine Szene gegeben habe, aber nie ganz sicher ist, wann genau das mit der richtigen Szene denn nun war. In dem Früher, das wir heute 80er nennen, gab es auf jeden Fall Szene-Punks. Und 1990 sah das auch alles noch furchtbar szenig aus, das sehen sie hier. Andere behaupten natürlich, die wirkliche Szene sei mit dem Bau der Windmühlen im 18. Jahrhundert verloren gegangen. Fragen Sie mal die Maulwürfe und Hasen, was die davon gehalten haben!

Doch genug der Nostalgie, 2013 steht vor der Tür. Mal schauen, was es uns so mitgebracht hat. 

 

 

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