Gethsemanekirche

„Das ist keine Diktatur“

von Julia Schmitz 20. Dezember 2021

Vergangene Woche kam es vor der Gethsemanekirche zu Ausschreitungen bei einer Demo gegen die aktuellen Corona-Maßnahmen. Anwohner*innen wollten sich das nicht gefallen lassen und riefen zum Gegenprotest auf.


Sie skandierten „Friede, Freiheit, gegen die Apartheid“ und sangen „Freiheit“ von Marius Müller Westernhagen: Am 13. Dezember versammelten sich ungefähr 300 Menschen vor der Gethsemanekirche in der Stargarder Straße. Der Grund: Ablehnung der Corona-Maßnahmen, Kritik an der Bundesregierung. Doch die Demonstration war offenbar nicht genehmigt oder organisiert; weil sich auf Nachfrage der Polizei keine Versammlungsleitung meldete und auch die bei Demonstrationen verpflichtenden Abstands- und Maskenregeln nicht eingehalten wurden, lösten die Beamt*innen die Veranstaltung auf.

Bereits zuvor war es, laut Anwohner*innen, zu Aggressionen seitens der Teilnehmer*innen gekommen: Mitglieder der Kirchengemeinde seien bedroht worden, man habe ihnen die Maske aus dem Gesicht gerissen. Die Gethsemanekirche war als Ort für den Protest ausgesucht worden, weil hier während der „Friedlichen Revolution“ im Herbst 1989 Menschen Mahnwachen gegen das DDR-Regime abgehalten hatten – in den Augen der Demonstrant*innen befindet man sich erneut in einer Diktatur, gegen die es Widerstand zu leisten gilt.

 

„Das ist keine Diktatur“

Doch die Anwohner*innen des Kiezes rund um die Kirche wollen sich das nicht gefallen lassen. Unter dem Titel „Gemeinsinn leben. Demokratische Werte schützen“ organisierten sie zusammen mit der Kirchengemeinde eine Versammlung, die sich gegen die Vereinnahmung des geschichtsträchtigen Ortes stellt. „Damals haben mutige Menschen unter hohen persönlichen Risiken die Freiheit und die Demokratie erkämpft, in der wir heute leben“, heißt es in dem Aufruf.

Sie kritisieren die fehlende Abgrenzung der Protestierenden gegenüber Rechtsextremist*innen und verurteilen, dass mit der Gleichsetzung von Corona-Maßnahmen mit historischen Ereignissen Diktaturen verharmlost werden: „Wir weisen die Behauptung, dass wir in einer neuen Diktatur leben, mit aller Entschiedenheit zurück und bekennen uns zu der weltoffenen und freiheitlich-demokratischen Grundordnung in unserem Land“.

Anwohner*innen wehren sich gegen die Vereinnahmung der Gethsemanekirche / Foto: Julia Schmitz

 

Demo verlief ruhig

200-300 Menschen kamen am Montag zusammen, um den Platz vor der Kirche einzunehmen. „Lasst euch impfen!“ hat ein Teilnehmer auf ein Stück Pappe geschrieben; er ist einer der wenigen, die ein Plakat mitgebracht haben. Die findet man eher auf der Gegenseite: „Ich vertraue auf die Kraft meines Immunsystems“, skandiert eine junge Frau und fügt hinzu: „Ihr seid doch nur wegen uns hier! Hätten wir letzte Woche nicht hier gestanden, wärt ihr auch nicht hier!“ Die Impfungen seien ein groß angelegter Menschenversuch, brüllt ein Mann in die Menge.

Insgesamt verläuft die Demonstration aber sehr ruhig und friedlich, nur vereinzelt wird zwischen den beiden Lagern heftig diskutiert. Nach anderthalb Stunden ist die Veranstaltung beendet, die Organisator*innen sind zufrieden. Ab jetzt wollen sie jeden Montagnachmittag vor der Gethsemanekirche stehen.

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