Tigermücke

Eine Frage der Zeit

von Katharina Angus 29. August 2023

Sie surrt durch Vorgärten und die Medien: die Tigermücke. In den grüneren Bezirken Berlins ist das Insekt, das potenziell Dengue-Fieber und das West-Nil-Virus übertragen kann, bereits angekommen. Doch wie steht es um Prenzlauer Berg?


Mit dem Klimawandel breiten sich zunehmend invasive Insektenarten in Deutschland aus. Zu ihnen zählt auch die Tigermücke, die in früheren Zeiten die kalten deutschen Winter nicht überlebt hätte. Das hat sich inzwischen geändert. Seit 2020 wird sie auch hierzulande nachgewiesen. Zwar ist die Mücke an sich nicht gefährlicher als einheimische Arten, sie kann jedoch gefährliche Viren wie Zika oder das West-Nil-Virus übertragen, wenn sie Infizierte sticht.

Dr. Doreen Werner vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF e.V.), das unter anderem mit dem Lageso in Berlin kooperiert, schätzt die Wahrscheinlichkeit eines solchen Falls zwar nicht als hoch ein, aber „sie liegt inzwischen höher als null.“

 

Darüber spricht kein Mensch

Die Entomologin weist darauf hin, dass auch herkömmliche Mücken verschiedene Krankheiten verbreiten können. Nach derzeitigem Erkenntnisstand sei noch kein Krankheitserreger in Deutschland der Tigermücke zuzuordnen. Allerdings betont sie: „Es gab bereits einen Todesfall durch den West-Nil-Virus, der durch eine Hausmücke übertragen wurde, aber darüber spricht kein Mensch.“

Schlagzeilen machen hingegen die Tigermücken-Nachweise aus Treptow-Köpenick. Zu diesem Fall findet Werner deutliche Worte: „Wenn man sofort reagiert, hat man gute Chancen, die Mücke an ihrer Ansiedlung zu hindern. Aber man muss schnell sein, und nicht, wie es in Treptow-Köpenick passiert ist, mehrere Jahre vergehen lassen, bevor man handelt.“

Da die Tigermücke flugträge ist, erweitert sie ihren Radius nur um einige hundert Meter, anstatt Kilometer weit zu fliegen. Das erklärt, warum andere Bezirke bislang von Nachweisen der Mückenart verschont geblieben sind. Für Prenzlauer Berg gilt nach derzeitigem Wissensstand: Wir sind Tigermückenfrei. Allerdings ist die Gefahr einer schleichenden Ausbreitung groß, da die Tigermücke insbesondere an urbane Gegebenheiten angepasst ist. Während die heimischen Arten hohe Wasserstände, wie sie an Teichen oder in Regentonnen zu finden sind, lieben, reicht den Tigermücken eine achtlos weggeworfene Coladose mit ein paar Tropfen Wasser, um sich anzusiedeln. Gleiches gilt für Blumentopfuntersetzer.

 

Jagdsaison

Um festzustellen, ob die Tigermücke in der eigenen Nachbarschaft angekommen ist, reicht ein Abgleich mit den prominenten äußeren Merkmalen des Insekts nicht aus. Die Tigermücke ist eine besonders kleine Art und ihre typischen Kennzeichen, wie Hell-Dunkel-Färbung oder geringelte Beine sind mit bloßem Auge kaum zu erkennen. Hinzu kommt, dass ältere Mücken ihre Farbschüppchen mit der Zeit „abfliegen“. Dr. Werner erklärt außerdem: „Es gibt 52 einheimische Mückenarten, von denen einige Mücken ähnliche Färbungen oder Kennzeichen wie die Tigermücke besitzen, beispielsweise geringelte Beine. Das könnte eine Ringelschnake sein.“

Momentan erreichen das ZALF e.V. zahlreiche Einsendungen, die mit der Aufschrift „Tigermücke!“ versehen sind. Für seinen „Mückenatlas“ hat das Institut eine Methode entwickelt, in möglichst kurzer Zeit große Datenmengen über die aktuelle Verbreitung verschiedener Mückenarten zu sammeln, indem Bürger*innen Mücken aus ihrer Umgebung einschicken und bestimmen lassen können. Auf diese Weise entsteht ein genaueres Bild der aktuellen Lage.

 

Jede Mücke zählt

Seit die WHO Europa für malariafrei erklärt hatte, war die Stechmückenforschung in Deutschland weitgehend zum Erliegen gekommen. Erst mit der Blauzungenkrankheit, einer Tierseuche im Jahr 2006, die durch ein anderes blutsaugendes Insekt, die Gnitzen, übertragen wurde, erfolgte ein Umdenken. Die Mücke rückte wieder in den Fokus.

Das ZALF e.V. will auf Mitnahme der Bevölkerung setzten, nicht auf Panikmache. Von den eingesandten Tigermücken-Verdachtsfällen bestätigt sich derzeit kaum einer. Die Einsendungen sind jedoch das sicherste Mittel, eine Tigermücke zu identifizieren. „Niemand, auch kein Arzt, kann von einem Stich ableiten, welche Mückenart zugestochen hat. Die Reaktion auf den Stich unterscheidet sich von Mensch zu Mensch und hängt von unserem individuellen Immunsystem ab. Es ist möglich, dass die Immunantwort auf eine Hausmücke stärker ausfällt als die auf eine Tigermücke“, so Werner.Und nicht nur in der Immunabwehr zeigen sich Unterschiede.

 

Süßer Atem

Ob uns Mücken anziehend finden oder nicht, hängt außer vom Schweißgeruch von unserem individuellen Prozentgehalt an CO₂ in der Ausatemluft ab. Wer ohnehin keinen Massenanflug verzeichne, dem könnten Hausmittel, wie bestimmte Kräuter auf dem Balkon, durchaus helfen, so Werner. Inzwischen solle die „politische Kommunikation auf Aufklärung setzen, statt auf Angst, und schneller und transparenter erfolgen. Wenn man die Bevölkerung beispielsweise darüber informiert, dass man einen Mückenstich nicht aufkratzen sollte, weil dadurch Sekundärinfektionen ausgelöst werden können, die uns letztendlich zum Arzt treiben, wäre damit schon ein wesentlicher Beitrag geleistet.“

Hier findet ihr den Mückenatlas des ZALF e.V., zur Mückenjäger*in könnet ihr hier werden. Die Berliner Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege stellt ebenfalls umfassende Informationen zur Verfügung. Gefangene Mücken könnt ihr außerdem neuerdings in eine Zentrale Anlaufstelle im Bezirksamt Mitte einsenden: Es reiche, das Insekt vorher zwischen Papierhandtücher oder Servietten zu legen, heißt es. Die Adresse: Vektormonitoring, Gesundheitsamt Berlin-Mitte, Haus B, Turmstraße 21, 10559 Berlin. Die Absender werden gebeten, dazu auch den Bezirk und möglichst die genaue Adresse zu nennen. Auch das Datum eines Stichs ist von Interesse.

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