Atelierbesuch aus dem Wohnzimmer

von Julia Schmitz 5. Mai 2020

Wie gestaltet man ein Kunstfestival in Zeiten von Corona? Die Organisator*innen der artspring mussten ihr Konzept völlig neu denken – und verlegen nun Ausstellungen, Performances und Konzerte ins Internet.


Eigentlich war alles ganz anders geplant: Ab dem 9. Mai sollte die artspring die Stadtteile Weissensee, Pankow und Prenzlauer Berg einen Monat lang in eine Bühne für Kunst verwandeln, 230 Künstler*innen hatten sich zur Teilnahme angemeldet. Höhepunkt und Ende der Aktion wären auch dieses Jahr die offenen Ateliers am ersten Wochenende im Juni gewesen. Doch mit den Kontaktbeschränkungen zur Eindämmung von Covid 19 musste das Programm komplett überarbeitet werden.

Und das ist definitiv eine Herausforderung für die Organisatoren. Denn wie führt man ein Festival, das von der Begegnung zwischen Künstler*innen, Besucher*innen und der Kunst lebt, im Netz durch? Am wichtigsten sei ihnen die Niedrigschwelligkeit, sagt Kerstin Karge; die Angebote müssten auch für Menschen erreichbar sein, die sich sonst wenig bis gar nicht mit Computern beschäftigen.

Die Webseite wurde zu diesem Zweck auf einen anderen Server umgestellt, sodass die Inhalte über den gesamten Zeitraum des Festivals dort abgerufen werden können. Um die Künstler*innen dabei zu unterstützen, ihre Werke in einer ästhetisch ansprechenden Form zu präsentieren, drehte man außerdem Video-Tutorials für die Teilnehmer*innen. „Es werden sicherlich nicht alle etwas im Netz zeigen“, so Karge, außerdem sei es jedem selbst überlassen, wie er oder sie seine Kunst präsentiert.

artspring

Künstler bringen ihre Werke ins Netz: Hier im Atelier von Berthold Bock / Foto: Ralph Bergel

 

Protest im Netz

Die Künstler*innen der Kunst Etage Pankow nutzen die artspring, um auf die angespannte Raumsituation in Berlin aufmerksam zu machen: „Kunst braucht Raum! – Mobile Ateliers als Alternative“ heißt eine der Performances, die online aufgeführt werden. Ende 2019 hatten sie ihre Ateliers in der Pestalozzistraße räumen müssen, die Zwischennutzung von Räumlichkeiten im Atelierhaus Prenzlauer Promenade läuft im Herbst 2020 aus, die Zukunft ist ungewiss. Für ein mehrteiliges performativ-installatives Video hat sich auch Daniel Baden entschieden, der mit „ZWIELICHT: Das alte Lied von Nähe und Distanz“ zwei höchst aktuelle Schlagworte aufgreift.

In „To Return – Die Verwirrungen einer Heimatlosen“ erforscht Filmemacherin Sedi Ghadiri im Dialog mit einem Schauspieler ihre Erfahrungen als Künstlerin, die aus Köln nach London zog, um der Stigmatisierung zu entgehen. Jetzt lebt sie in Berlin und fragt sich in ihrer Lesung: „Kann Widerstand eine Heimat schaffen?“ Unter dem Titel „Botschaft im Exil“ bestreitet das Atelierhaus Australische Botschaft (Ost) einen Abend mit Ausstellung, ägyptischem Tanz und Konzert, live übertragen aus dem Delphi-Theater. Auch das Kino ist im diesjährigen Programm in Form der „artspringnale“ enthalten: In Kooperation mit dem Lichtblick-Kino auf der Kastanienallee werden jeden Freitag im Mai Kurz- und Langfilme freigeschaltet, die im Anschluss eine Woche online verfügbar sind.

 

Museen und Galerien dürfen öffnen

Und die offenen Ateliers im Juni? Der Berliner Senat hat die Öffnung von Museen und nicht-kommerziellen Galerien zum 4. Mai erlaubt, offenen Ateliers stünde unter Einhaltung der Hygienemaßnahmen und Abstandsregeln eigentlich nichts im Weg. „Wir können es zu diesem Zeitpunkt einfach noch nicht sagen, ob wir das machen können oder nicht“, erklärt Karge. „Es kommt natürlich auch auf die Künstler*innen an, manche gehören zur Risikogruppe. Offene Ateliers sind ein Gesprächsangebot, jeder muss selber entscheiden, ob er öffnet bzw. hingeht.“

 

Die artspring berlin 2020 findet vom 9. Mai bis 7. Juni zum größten Teil online statt. Alle Termine, Orte und Zeiten findet ihr auch in der Festivalzeitung, die im Mai an Haushalte in Pankow verteilt wird.

Foto oben: Offene_Ateliers 2019 / Atelier Marc Groeszer / Foto André Wunstorf

Das könnte Dich auch interessieren

Hinterlasse einen Kommentar