Mietendeckel

Deckel drauf, Deckel runter

von Julia Schmitz 21. Mai 2021

Ein paar Monate nach Inkrafttreten des Berliner Mietendeckels wurde er auch schon wieder vom Bundesverfassungsgericht kassiert. Zwei Frauen aus Prenzlauer Berg erzählen, was das für sie bedeutet.


„Das aktuell geltende Mietengesetz ist ein großer, nicht funktionierender Witz!“, sagt Pia N.* Denn die Einführung des Mietendeckels und die Aufhebung dessen nur wenige Monate später hat sie vor allem Geld und Zeit gekostet. Als im Sommer 2019 publik wird, dass Berlin die Bestandsmieten gesetzlich einfrieren will, liegt drei Tage später ein Brief von der Hausverwaltung in ihrem Briefkasten: Die Miete werde ab September um 64 Euro monatlich erhöht. Ende 2013 ist Pia N. in das 2009 neu gebaute Haus an der Grenze zu Friedrichshain gezogen, hat seitdem bereits drei Mieterhöhungen hinter sich. „Das war immer im Rahmen des rechtlich Möglichen, also maximal 15 Prozent in drei Jahren“, erzählt sie. Und doch wirkt es auf sie, als wolle der Hauseigentümer noch schnell Fakten schaffen, bevor ihm womöglich für die nächsten fünf Jahre die Hände gebunden sind.___STEADY_PAYWALL___

Mit Einführung des Mietendeckels wird ihre Miete dann wieder auf die vorherige Summe zurückgestuft – das Zuviel gezahlte Geld wird ihr allerdings nicht erstattet. Einen persönlichen Kontakt zum Besitzer gibt es ebenfalls nicht: „Den Eigentümer meiner Wohnung kenne ich gar nicht. Es läuft alles über Hausverwaltungen. Seit ich in der Wohnung wohne, hat der Eigentümer bereits dreimal und noch viel öfter die Hausverwaltung gewechselt. Es handelt sich hierbei immer um Immobiliengesellschaften mit Sitz sonst wo, teilweise als Aktiengesellschaft geführt, die nur darauf aus sind, das Maximum an Profit abzugreifen“, so Pia N.

 

Differenz muss zurückgezahlt werden

Die Differenz zu der höheren Miete legt sie vorsichtshalber zur Seite; sie habe bereits befürchtet, dass das Ganze nicht klappen würde, erzählt sie. Und sie sollte Recht behalten: Am 15. April 2021 entscheidet das Bundesverfassungsgericht, dass der Mietendeckel nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist und Berlin nicht im Alleingang ein Gesetz dieser Art beschließen darf. Die Mietsenkungen sind also nichtig. Vermieter können aufatmen.

Für etliche Berliner*innen heißt das allerdings: Die Differenz zu der vorher gültigen Miete muss nachgezahlt werden, selbst ohne klare Aufforderung durch die Vermieter. Ausnahmen bilden die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften; diese verzichten auf eine Rückforderung sowie bis Ende September auf eine Erhöhung der Mieten. Doch auch das könnte demnächst gekippt werden: „Der Senat befindet sich hierzu noch in der Abstimmung“, heißt es in der Antwort auf eine Anfrage des Abgeordneten Danny Freymark (CDU). Der nächste Brief von der Hausverwaltung lässt nicht lange auf sich warten, Pia N. muss knapp 900 Euro nachzahlen.

 

Über 400 Euro weniger Miete

Für Clara S.* ist es erstmal eine sehr gute Nachricht, als Anfang 2020 beschlossen wird, die Berliner Mieten zu deckeln. Seit 15 Jahren ist der Arnimkiez ihr Zuhause, vor vier Jahren ist sie mit ihrem Freund zusammengezogen, hat eine Familie gegründet. Aus Prenzlauer Berg wollte sie damals nicht wegziehen, obwohl die Kosten für eine Bleibe in dem beliebten Stadtteil in den letzten Jahren immer weiter gestiegen sind: „Die Wohnung war vor dem Mietendeckel schon überteuert. Aber man nimmt ja vieles hin, um im Kiez zu bleiben und generell in Berlin eine Wohnung zu finden“, erzählt sie.

Als der Mietendeckel im November 2020 wirksam wird und ihr Vermieter – der Großteil der Wohnungen im Haus gehört privaten Eigentümern – nichts von sich hören lässt, wendet sie sich schriftlich an ihn mit der Bitte, die Miete entsprechend zu senken. „Er hat auch ziemlich schnell und nett reagiert, sich entschuldigt, dass es private Probleme gab und er daher noch nicht geantwortet hätte. Ich persönlich denke aber, viele private Vermieter wollten es auch eher aussitzen. Von anderen Mietern im Haus weiß ich, dass ihre Vermieter meinten, die Miete sei in Ordnung und müsse nicht gesenkt werden – was aber eigentlich auch nicht stimmte.“

 

„Wir haben im Kiez unser soziales Umfeld“

Um mehr als 400 Euro monatlich verringern sich die Kosten ab da an für Clara S. Auch sie und ihr Partner legen das Geld zur Seite, weil sie ebenfalls davon ausgehen, dass der Mietendeckel nicht lange Bestand haben wird. Mittlerweile haben die Beiden allerdings mit einem viel größeren Problem zu kämpfen: Rund zwei Monate, nachdem sie ihren Vermieter auf die Senkung der Miete angesprochen hatte, meldet dieser telefonisch Eigenbedarf für die Wohnung an. Die kleine Familie fällt aus allen Wolken.

„Als wir die Wohnung gemietet haben meinte der Vermieter noch, dass er seine eigene Wohnung hat und er keine Ansprüche bezüglich Eigenbedarfs stellen würde. Für uns kam das sehr überraschend und wir haben sehr damit zu kämpfen, da man sich hier im Kiez die Mieten auch gar nicht mehr leisten kann. Es ist leider auch recht schwierig, gegen Eigenbedarfskündigungen vorzugehen. Aber wir werden es versuchen, wenn wir es schriftlich haben, denke ich. Wir haben im Kiez unser soziales Umfeld, unser Kind hat die Kita.“

Sollten sie die Wohnung verlassen müssen, könnte es schwierig werden mit einer neuen Bleibe im angestammten Kiez: Die Preise für Neuvermietungen sind nach Aufhebung des Mietendeckels noch einmal kräftig gestiegen.

*Namen von der Redaktion geändert

Titelbild: Julia Schmitz

Das könnte Dich auch interessieren

Hinterlasse einen Kommentar