Bäumchen wechsle dich

von Katharina Angus 17. Februar 2021

Ob im Thälmannpark, auf der Werneuchener Wiese oder im Mühlenviertel: In letzter Zeit werden in Prenzlauer Berg scheinbar verstärkt Bäume gefällt. Aber wer entscheidet darüber und was können Anwohner tun? Eine Übersicht.


Dies ist ein Text aus unserer Reihe
„Umweltschutz & Nachhaltigkeit“


Sie sind Schattenspender, verbessern die Luftqualität und hübschen das Stadtbild auf: Rund 430.000 Bäume Straßenbäume stehen laut Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz in Berlin, knapp 43.000 davon im Bezirk Pankow (Stand Ende 2019). Doch immer wieder müssen einzelne oder mehrere Exemplare gefällt werden; begründet wird dies oft mit Baumaßnahmen oder mit Krankheit der Linden, Platanen oder Kastanien. Stimmt das? Wir haben alles, was ihr über Baumfällungen in Prenzlauer Berg wissen müsst, zusammengetragen.

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Warum wurden in den vergangenen Monaten so viele Baumfällungen durchgeführt?

Eine pauschale Erklärung dafür gibt es nicht. Fällungen können sowohl auf Renovierungsarbeiten, bauliche Maßnahmen oder Baumschäden zurückgehen, heißt es seitens des Bezirksamts. Ein Grund für vermehrte Fällungen in einem bestimmten Zeitkorridor kann allerdings mit den Geldern, die dem Straßen- und Grünflächenamt (SGA) zur Verfügung stehen, zusammenhängen. Im Gegensatz zu anderen Bereichen in der Bezirksverwaltung sind die Mittel, die Pankow vom Senat für die Grünfläche erhält, nicht zweckgebunden. Dies bedeutet, dass von Seiten der Kommunalpolitik entschieden werden kann, die Mittel anstatt für die Pflege von Bäumen in andere Bereiche zu investieren.

„Die berlinweiten Sparmaßnahmen der vergangenen Jahrzehnte hatten auch Auswirkungen auf die personellen Kapazitäten des Straßen- und Grünflächenamtes Pankow, das in massiver Unterbesetzung dem auftretenden Wildwuchs nicht mehr im notwendigen Maße entgegentreten konnte. Dadurch hat sich über diesen Zeitraum vermehrt Wildwuchs gebildet, den die Mitarbeiter des SGA nun versuchen allmählich wieder abzubauen“, so Bezirksstadtrat Vollrad Kuhn (Grüne), der auch dem Straßen- und Grünflächenamt vorsteht.

Instandsetzungen wie diese können den Eindruck einer Häufung von Fällungen erwecken. Dies könnte derzeit zutreffen, vermutet Nicholas A. Klöhn, der als Sachverständiger für Bäume tätig ist. „Da werden Rückstände nachgearbeitet, für die das Grünflächenamt nicht verantwortlich ist“, so Klöhn.

 

In welchen Zeiträumen darf überhaupt gefällt werden?

Das Bundesnaturschutzgesetz erlaubt Baumfällungen in der Regel nur im Zeitraum vom Oktober bis März jeden Jahres. Damit wird sichergestellt, dass die Reproduktionszeiten der meisten Tierarten geschützt sind.

 

Wer entscheidet, ob ein Baum gefällt werden muss und welche Kriterien sind dafür maßgebend?

„Jeder Straßenbaum im Bezirk unterliegt einer regelmäßigen Kontrolle durch einen ausgebildeten Baumkontrolleur. Sofern dieser Schäden am Baum feststellt, die die Verkehrssicherheit gefährden, und die sich nicht mehr durch Rückschnitte oder ähnliche Maßnahmen beheben lassen, wird der Kontrolleur die Fällung des Baumes empfehlen“, sagt Stadtrat Kuhn. Die Mitarbeiter*innen des Straßen- und Grünflächenamts könnten haftbar gemacht werden, wenn sie von Schäden an einem Baum wissen, daraufhin jedoch keine Maßnahmen zur Sicherung durchführen und dann zum Beispiel ein herabfallender Ast die Windschutzscheibe eines Autos einschlägt. Deshalb folgen sie der Empfehlung zur Fällung fast immer, so Kuhn.

Bäume

Rund 43.000 Straßenbäume gibt es im Bezirk Pankow / Foto: Julia Schmitz

 

Gibt es bestimmte Baumsorten, die anfälliger für Krankheiten sind als andere?

Die Anfälligkeit der Bäume für Krankheiten ändert sich je nach den äußeren Bedingungen. So kann beispielsweise die jeweilige Wetterlage für Schäden verantwortlich sein. Auch Schädlingsvorkommen sind nicht immer vorhersehbar und können sich dynamisch auch in Wechselwirkungen mit besipielsweise Dürren entwickeln. Baumgutachter Klöhn warnt davor, sich auf bestimmte Arten und Sorten festzulegen und weist darauf hin, dass eine breite Streuung der Arten größere Resistenz des Gesamtbestandes verspricht.

 

Gibt es eine spezielle Pflanzstrategie für den Bezirk Prenzlauer Berg?

Für die Auswahl neuer Bäume orientieren sich die Experten an zahlreichen Faktoren, wie dem bereits vorhandenen Baumbestand, den Sonnenverhältnissen oder Bodenerschütterungen. Die Entscheidungsfindung kann teilweise auch durch Anwohnerinitiativen oder Empfehlungen der GALK e.V. (Deutsche Gartenamtsleiterkonferenz e.V.) beeinflusst werden. Dabei besteht das Hauptziel in passgenauer Standortausrichtung, die sowohl Verkehrsgegebenheiten als auch Klimabesonderheiten berücksichtigt. Derzeit dominiert bei den Straßenbäumen im Bezirk Pankow die Linde mit ca. 17.700 Exemplaren, gefolgt von Ahorn (ca. 8.000) und Platane (ca. 2.400). Nur in der Hagenauer Straße im Kollwitzkiez steht tatsächlich kein einziger Straßenbaum.

 

Spielt der Klimawandel eine Rolle bei der Pflanzenauswahl?

„Das Straßen- und Grünflächenamt legt großen Wert darauf, bei Neupflanzungen möglichst eine Baumart auszuwählen, die mit den zukünftig zu erwartenden klimatischen Bedingungen gut zurechtkommen, um damit eine möglichst lange Lebensdauer der Bäume zu erreichen“, sagt Kuhn über die Pflanzstrategie der nächsten Jahre. „Klima-Resilienz ist in der gesamten Grünpflege ein sehr wichtiges Thema“, bescheinigt auch Klöhn. Allerdings weist er auf grundlegende Probleme hin. „Solange wir uns nur an der Hitzeverträglichkeit der Bäume orientieren, folgen wir einer falschen Fährte. Denn nur, weil eine bestimmte Baumart an einen klimatisch wärmeren Standort genetisch besser angepasst ist, bedeutet es nicht unbedingt, dass sie auch gegen Dürren, wie wir sie in Berlin und Brandenburg in den letzten Jahrzehnten erlebt haben, gefeit sind. Sogar im innerdeutschen Vergleich regnet es in Berlin – insbesondere im Frühjahr, wenn die Bäume austreiben – nur wenig. Da kann es bereits problematisch werden, Baumsorten zu pflanzen, die aus Norddeutschland, den Niederlanden oder gar aus dem Balkangebiet kommen, weil sie ab die Berliner Dürre nicht angepasst sind.“

Einen Ausweg bieten laut Klöhn eigene Baumschulen. Mit der Züchtung junger Bäume aus bereits bestehenden Beständen experimentiert unter anderem bereits die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten. „Von diesen Bäumen hat man bereits die Erfahrungswerte, dass sie an aufgrund genetischer Anpassung bestimmten Standorten bestimmten Wetterlagen und Schädlingsproblemen besser widerstehen“, so Klöhn. Leider gibt es mit dem Baumschulmodell ein Problem: Die bezirkseigenen Baumschulen in Berlin wurden abgeschafft und Bäume können nur noch von den gewerblichen Baumschulen bezogen werden, wie der Bund für Umwelt und Naturschutz e.V. moniert.

Bäume

Immer wieder gibt es Proteste gegen geplante Baumfällungen, wie hier in der Oderberger Straße / Foto: Julia Schmitz

 

Können Fällungen verhindert werden?

Die Gründe für Fällungen sind sehr unterschiedlich und müssen individuell begutachtet werden. Die Stiftung Naturschutz Berlin (NABU) empfiehlt, sich bei Zweifel an der Richtigkeit einer Fällung die Fällgenehmigung zeigen zu lassen. Hierbei gilt zu beachten, dass im öffentlichen Raum das Straßen- und Grünflächenamt die Zuständigkeit hat, auf privaten Grundstücken jedoch das Umwelt- und Naturschutzamt der Ansprechpartner ist. Klöhn sieht den Protest gegen Fällungen ambivalent: „Es wäre wirklich bösartig, dem SGA zu unterstellen, es würde Bäume ohne Notwendigkeit fällen wollen. Auf der anderen Seite können Bürgerproteste gegen Fällungen dem Naturschutz Aufmerksamkeit bringen, erreichen nicht selten auch Neubewertungen oder Verbesserungen in den Ämtern und haben somit natürlich ihre Berechtigung.“

Kuhn betont außerdem: „Die Kolleg*innen im Straßen- und Grünflächenamt haben sich in der Regel für ihren Beruf entschieden, weil ihnen viel an der Natur liegt und ihnen der Umgang mit Pflanzen Freude bereitet. Dabei ist es immer schöner, Pflanzen wachsen und gedeihen zu sehen, als sie wieder entfernen zu müssen.“

 

Wie funktioniert eine Ersatzpflanzung?

Ersatzpflanzungen sollen die Gesamtzahl an Bäumen im Bezirk stabil halten. Die neuen Bäume können, müssen aber nicht am selben Ort gepflanzt werden wie ihre Vorgänger, was beispielsweise im Fall einer baubedingten Fällung nicht möglich ist. Auch wenn eine neue Begutachtung des Standorts für den Baum lebensfeindliche Bedingungen wie unterirdische Leitungen ans Licht bringt, wird auf geeignetere Plätze ausgewichen.

 

Welche Baumsorten eignen sich am besten für die Stadt?

Zwar eignen sich bestimmte Baumsorten tendenziell besser für den urbanen Raum als andere, wie Linden, Ahorne oder Eichen, allerdings müssen auch hier die individuellen Standortbedingungen beachtet werden. Allgemein gilt, dass Straßenbäume in der Regel schneller altern als ihre Verwandten im Park. So werden Straßenbäume oftmals nur um die 60 Jahre alt, während sie es in Grünanlagen auf rund 200 Jahre bringen können. Grund dafür sind unter anderem die höheren Temperaturen und die Bodenversiegelung, die es dem Baum erschwert, an Wasser zu kommen.

 

Was können Anwohner*innen tun, damit die Bäume gar nicht erst krank werden?

Die einfachste Antwort lautet: wässern – und das nicht nur bei Dürre! So weist Klöhn darauf hin, dass sich im Winter Streusalz an den Bäumen anreichern kann. Im Frühjahr sollte es durch geeignete Wassermengen in tiefere Bodenschichten gespült werden, damit die Wurzeln es nicht mehr aufnehmen können. Auch der GALK e.V. warnt auf seiner Homepage vor Streusalz: Es schade durch seine chemische Zusammensetzung dem Boden und entziehe ihm Sauerstoff. Die Wasseraufnahme der Bäume werde beeinträchtigt und könne so zur Austrocknung führen.

In trockenen Sommern freuen sich Bäume ebenfalls über zusätzliche Flüssigkeit. „Klimatische Veränderungen wie z.B. die intensiven Trockenperioden der vergangenen Sommer bedeuten großen Stress für die Berliner Bäume. Anwohner*innen können hier zum Beispiel durch regelmäßiges Gießen in den Sommermonaten dazu beitragen, diesem Stress entgegenzuwirken. Außerdem sollte die Bepflanzung von Baumscheiben nur in Absprache mit dem Straßen- und Grünflächenamt vorgenommen werden. Denn nicht alle Pflanzen eignen sich für eine Baumscheiben-Bepflanzung. Im ungünstigen Fall mögen Sie dann zwar schön aussehen, stellen für den Baum aber eine zu große Konkurrenz in Hinblick auf Nährstoffe und Wasser dar“, erklärt Kuhn. Die Klimabeauftragte des Bezirks Pankow, Angelika Haaser empfiehlt außerdem, auch bei Garten- und Balkonbepflanzung auf hitze- und trockenresistente Pflanzen zu setzen.

 

Titelbild: Julia Schmitz

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1 Kommentar

Rainer 19. Februar 2021 at 8:26

Es ist manchmal kam nachvollziehbar warum Bäume gefällt werden. Bei mir vor der Haustür wurden zwei birkenähnliche Bäume gefällt die immer Frühling schnell grün wurden und einen schönen Lärm- und Staubschutz boten. Auch woanders in der Danziger Straße wurden diese Bäume gefällt. War es nur die falsche Baumart? Jetzt parken Autos in den aufgewühlten Baumscheiben!

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