Bornholms Kleingärtner lieferten sich einen intensiven Briefwechsel mit Stadtrat Kühne (Montage: Constanze Nauhaus)

Aufruhr im Gemüsebeet

von Constanze Nauhaus 10. April 2018

Schüler auf die Parzellen? In einem offenen Brief beklagen die Bornholmer Kleingärtner, vom Bezirk nicht ernst genommen zu werden. Stimmt nicht, kontert der Stadtrat – und diskutiert erstmals öffentlich alternative Standorte für die Erweiterung der Bornholmer Grundschule.

Gut, so hochrot und zornig wie der alte Pettersson in Sven Nordqvists berühmten Kinderbüchern ist in den Bornholmer Kleingartenanlagen bislang niemand durch die Beete gesprungen. Aber viel fehlte nicht, um an die Wutausbrüche des schwedischen Hobbygärtners heranzukommen, als im Juni vergangenen Jahres die Crème de la Crème des Pankower Bezirksamtes bei einem Ortstermin unerwartet von erzürnten Laubenpiepern empfangen wurde. Aber anders als bei Pettersson und seinem Kater Findus gefährden in Bornholm nicht wildgewordene Hühner und durchgeknallte Schweine die Parzellen – nein, Pankow platzt lediglich aus allen Beeten, pardon, Nähten. Mit 11.000 zusätzlichen Schülern rechnet Pankows Schulstadtrat Torsten Kühne (CDU) in den nächsten zehn Jahren – einem Drittel mehr als jetzt. Und die müssen irgendwo hin. Nach seinen Vorstellungen unter anderem in einen Erweiterungsbau sowie eine neue Turnhalle an der Bornholmer Grundschule in der Ibsenstraße.

 

„Der Bezirk vernichtet grundlos Grün“

Doch wo bauen? Kühnes Favorit – eine neue Turnhalle auf dem Gelände der Kleingartenanlage Bornholm – stößt dort erwartungsgemäß auf wenig Begeisterung. Dass sich die Laubenpieper nicht einfach so wegharken lassen, zeigten sie bereits im vergangenen Jahr, als sie den Bornholmer Ortstermin des bezirklichen Kleingartenbeirats kurzerhand in einen – wie Bezirksbürgermeister Benn es irgendwann halb hilflos, halb belustigt nannte – „Planungsworkshop“ verwandelten. Nun beklagen sie in in einem offenen Brief an den Bezirk und insbesondere den Schulstadtrat, dass ihre mithilfe von Stadtplanern und Architekten im Nachgang erarbeiteten Alternativstandorte in keiner Weise ernst genommen, geschweige denn abgewogen würden. „Das Pankower Bezirksamt macht sich gerade unbemerkt von den Bürgerinnen und Bürgern daran, grundlos bis zu einem Dutzend Gärten und damit wichtiges Grün im dicht bebauten Prenzlauer Berg zu vernichten, ohne ernsthaft Alternativen zu prüfen und Anwohner, Anlieger und Betroffene am Verfahren für den sicherlich notwendigen Ausbau einer Schule zu beteiligen“, schreiben die Pankower Kleingärtner – erstmals mit gemeinsamer Stimme.

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KGA Bornholm II - kommt hier bald eine Turnhalle hin? (Foto: PBN)

KGA Bornholm II – kommt hier bald eine Turnhalle hin? (Foto: PBN)

 

Eine harsche Kritik, die Kühne in einer ebenfalls offenen Antwort kaum vier Stunden später von sich weist. Ausführlich exerziert er sämtliche Alternativstandorte durch – mit dem Ergebnis, dass eigentlich nur die Parzellen für einen Turnhallenneubau in Frage kämen. Dachausbau der Schule? Geht nicht, sagt der Fachbereich Hochbau – Denkmalschutztechnisch, außerdem wegen mangelnder Barrierefreiheit. Allerdings prüfe das gerade noch einmal ein von der Schule beauftragter Architekt nach. Das Grundstück nebenan – Eigentum der bulgarischen Botschaft -, das seit Jahren brach liegt? Geht nicht – Bulgarien will nicht verkaufen. Tauschen vielleicht schon, aber in Pankow gebe es kein vergleichbares Grundstück. Und pachten sei Unsinn, wenn man etwas Dauerhaftes bauen wolle. Das Grundstück Andreas-Hofer-Platz oder der Brennerberg? Geht nicht – der Bolzplatz werde genutzt, der Untergrund sei schwierig, außerdem verliefen darunter nicht überbaubare Hochdruckleitungen der Wasserbetriebe. Überhaupt handele es sich um eine „öffentlich gewidmete Grünanlage zur wohnortnahen Grünversorgung nach dem Berliner Grünanlagengesetz“ – es gebe keine Ausweichflächen. Gegen eine Bebauung des Ökogartens der Schule wehrt sich diese vehement – auch wenn die Kleingärtner weiterhin Platz für eine Verlagerung des Ökogartens in ihrer Anlage anbieten. Das ehemalige Schulgebäude in der Schönfließer Straße? Geht nicht – ist komplett vermietet und ausgelastet durch die Nutzung von freien Schulen und Kultureinrichtungen. Und die Schule in der Driesener Straße wird ebenfalls genutzt – durch ein Oberstufenzentrum und die Sekundarstufe II der Wilhelm-von-Humboldt-Gemeinschaftsschule.

 

Protest der Grundschüler in der BVV Pankow (Foto: PBN)

Protest der Grundschüler in der BVV Pankow (Foto: PBN)

 

Dramatischer Schulplatzmangel

Ob man älteren Schülern aber im Gegensatz zu Grundschülern nicht zumuten könne, für den Schulbesuch die Bezirksgrenze zu überqueren? Theoretisch schon, räumt Kühne den Prenzlauer Berg Nachrichten gegenüber ein – allerdings gebe es praktisch auch in den Nachbarbezirken keine Kapazitäten mehr. Im aktuellen Schuljahr müssen Pankower Schüler bereits bis nach Grunewald ausweichen. Und auch die Turnhalle in der Malmöer Straße sei komplett ausgelastet, zudem sei gerade bei Grundschulen eine räumliche Aufteilung auf mehrere Standorte „äußerst kritisch“ zu betrachten.

Und so weiter und so fort. Blieben also nur die Parzellen – sechs von den insgesamt 420 müssten nach jetziger Planung der Turnhalle weichen. „So wichtig es auch ist, eine grüne Oase zu erhalten, und jeder Verlust eines Kleingartens nicht nur ein persönlicher ist“, sagt Lydia Strutzberg aus der Elternvertretung der Grundschule, „so sehr sollte man doch auch abwägen, wie viele Menschen derzeit von der Fläche profitieren, und wie vielen Menschen eine große Turnhalle nutzen würde.“ Der Freizeitwert sei für den ganzen Bezirk dann deutlich höher, da so eine Halle ja nicht nur für den Schulbetrieb genutzt werde. Zu zeigen, wie hoch aber gerade der Freizeitwert der Kleingärten für den ganzen Bezirk sei, daran arbeiten die Gärtner mit Hochdruck – sowie mit Gartenfesten, Kiezöffnungen, Projekten. Im vergangenen Jahr erhielten sie den Pankower Umweltpreis für ein Projekt zu seltenen Apfelsorten.

 

„Ich hoffe auf Ihre Kompromissbereitschaft!“

Dass Stadtrat Kühne sich nun erstmals öffentlich zum Planungsstand äußerte, begrüßt der stellvertretende Vorsitzende von Bornholm I, Robert Ide – allerdings: „Um einmal solch eine ausführliche Darstellung zu bekommen, hat es erst des offenen Briefes aller Pankower Gartenverbände bedurft – da kam die Antwort nach vier Stunden, auf die wir fast ein Jahr gewartet haben. Das ist kein gutes Zeichen für angeblich beispielhafte Bürgerbeteiligung.“ Aus der sich die Gärtner ausgeschlossen fühlen. „Schwer nachvollziehen“ könne er diese Kritik, entgegnet Kühne, da der geplante Ausbau der Bornholmer Grundschule doch zumindest in Pankow „mittlerweile das Bauprojekt mit der besten Partizipation ist, was personelle, finanzielle und zeitliche Ressourcen betrifft“. Workshops fanden und fänden statt, an denen neben Senat, Bezirk und Schule auch die Kleingärtner teilnähmen. „Erstritten“ habe man sich die Teilnahme am ersten Workshop im März, entgegnet  Ide, und auch Christiane Unger aus dem  Bornholm-II-Vorstand bestätigt: Beim ersten Planungstermin sei niemand der Kleingärtner gewesen. Zwar eine bezirkliche Kleingartenvertreterin aus dem Grünflächenamt, aber niemand von denen, „die es wirklich betrifft“. Im offenen Brief heißt es: „Wir sind auch weiterhin zu Gesprächen und Kompromissen bereit, wollen aber nicht ohne ernsthaftes Beteiligungsverfahren mit nur vermeintlicher Bürgerbeteiligung abgekanzelt werden.“

Man empfiehlt sich mit als Höflichkeiten getarnten Kampfansagen. „… freuen wir uns über Ihre erstmals so deutlich formulierte Bereitschaft, dass das Bezirksamt in dem Verfahren künftig ‚umsetzbare Alternativen‘ tatsächlich ‚berücksichtigen‘ werde. Wir nehmen Sie hier gerne beim Wort“, grüßt Ide. „Ich hoffe auf Ihr Verständnis und Ihre Kompromissbereitschaft“, droht der Stadtrat. Es bleibt spannend: Bis zum Sommer soll das Partizipationsverfahren noch laufen – der nächste Workshop findet am 20. April statt.

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