Schrei-Chor mit ukrainischen Weisen

von Susanne Grautmann 14. Oktober 2015

Das Ballhaus Ost hat einen Gast aus Kiew. Praktikantin Oliinyk will die Ukraine nach Berlin bringen. Mit einer Performance und Volksweisen im Schrei-Chor. Inbrünstiges Mitschmettern inklusive.

Wenn Ielizaveta Oliinyk durch die Pappelallee zum Ballhaus Ost geht, dann ist es wieder da, dieses Gefühl. „Kiew ist gar nicht so weit weg“, sagt die 27-Jährige aus der ukrainischen Hauptstadt. Pappeln, Kastanien, etwas weiter Richtung Mitte die Plattenbauten. Vieles hier erinnert sie an ihre Heimat. „Aber für die meisten Berliner liegt die Ukraine gefühlt auf einem anderen Planeten.“

Oliinyk ist nach Prenzlauer Berg gekommen, um das zu ändern. Sie ist Teilnehmerin des Austauschprogramms „Kulturweit“ der UNESCO, mit dem seit Anfang September zwölf Freiwillige aus der Ukraine, Moldawien und Belarus Praktika in Berliner und Brandenburger Kulturinstitutionen absolvieren.

Oliinyk ist in dieser Zeit am Ballhaus Ost. Durch das Programm sollen der grenzüberschreitende Austausch intensiviert und gemeinsame Kulturprojekte gefördert werden. Zuhause hat sich Oliinyk schon lange nach mehr Internationalität gesehnt: „In Kiew ist alles so weiß“, sagt sie. Nur eine kleine Minderheit in der Stadt stamme aus dem Ausland. 

Im Innenhof des Ballhaus Ost.   (Foto: Susanne Grautmann) 

  

Die 27-Jährige ist als Regie-Hospitantin bei fast allen Produktionen am Ballhaus Ost dabei. Tina Pfurr, künstlerische Leiterin am Ballhaus, freut sich über den Austausch mit der Ukrainerin. Da in der freien Spielstätte viele Gastspiele stattfinden, kann die Freiwillige aus Kiew ganz verschiedene Gruppen bei der Arbeit begleiten. Oliinyk, die auch zwei Jahre lang Theaterwissenschaften in Mainz studiert hat, findet, dass das Theater hier politischer ist als in der Ukraine.

„An den Berliner Bühnen ist Kapitalismuskritik ein sehr präsentes Thema“, sagt Oliinyk. In Kiew gebe es mehr Vorbehalte gegen linke Ideologien: „Die Angst, dass die in den Totalitarismus führen könnten, sitzt noch immer tief“, meint Oliinyk. Auch ein Haus wie das an der Kastanienallee, an dessen Fassade „Kapitalismus tötet, zerstört, normiert“, steht, finde man in Kiew nicht. 

 

 Die Ukraine fängt gleich hinter Polen an  

 

Oliinyk plant, in Berlin eine interaktive Performance mit der Gruppe „Hysterisches Globusgefühl“ aus Hildesheim aufzuführen. Es soll darum gehen, wie fremd die Ukraine den Menschen in Berlin ist. „Dabei liegt doch nur Polen zwischen unseren Ländern“, sagt sie. 

Auch musikalisch wird sie die Ukraine ans Ballhaus bringen.  Im Schrei-Chor der Theaterpädagogik werden demnächst auch ukrainische Volksweisen ertönen. Wer möchte, kann beim nächsten Termin am 9. November um 20.00 Uhr im Ballhaus mitsingen. Keine Angst: In dem Chor wird keinerlei Vorbildung erwartet. Nur zum  „inbrünstigen Mitschmettern“ sollte man bereit sein.  

Die Voraussetzungen dafür dürften gegeben sein. Oliinyk findet, dass die Berliner insgesamt freier und gelassener seien als die meisten Menschen in der Ukraine. Vielleicht hat das ja damit zu tun, dass der Horizont in den Straßen von Berlin so weit ist.  „Man sieht hier so viel Himmel.“

 

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