„Einfach spannend“

von Christiane Abelein 15. November 2013

In der Kulturbrauerei eröffnet ein neues Museum, das – Achtung kreativ! – „Museum in der Kulturbrauerei“. Kernstück: die Dauerausstellung „Alltag in der DDR“.

Wussten Sie schon, dass der Prenzlauer Berg im Allgemeinen und die Kulturbrauerei im Besonderen ein ganz schwieriges Pflaster sind? So schildert es zumindest die Stiftung „Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland“. Die eröffnet in den Gebäudeteilen Garage und Schmiede an der Knaakstraße ein neues Museum, das „Museum in der Kulturbrauerei“, und hatte nach eigenen Angaben einige Probleme damit: „Es war nicht einfach, hier eine Ausstellung zu machen“, seufzt der Präsident der Stiftung, Hans Walter Hütter. Es seien eben keine Museumsräume, allerorten habe man den Denkmalschutz beachten müssen, allein der Einbau eines Aufzuges, herrje, herrje.

 

Jetzt ist alles vergessen

 

Jetzt aber, einen Tag vor der offiziellen Eröffnung der Dauerausstellung „Alltag in der DDR“, wollen all die Probleme vergessen sein und die Macher entdecken die Vorteile ihres Standortes. Schließlich sei der Prenzlauer Berg nicht unbedeutend für die DDR-Geschichte, viele Ausstellungsinhalte vor allem aus den 70er und 80er Jahren fänden sich in unmittelbarer Umgebung wieder. Und die Kulturbrauerei? Sie sieht Hütter mittlerweile als einen Ort alternativer Kultur: vielfältig und auch ein bißchen alternativ. Mit diesem Standort wagt die Stiftung laut eigenem Bekunden etwas Neues, „ein kleines Experiment“. „Das ist einfach nur spannend!“, sagt Hütter jetzt, und: Dass man sich auf die Situation und den Ort flexibel einlassen wolle. Diese Flexibilität soll sich etwa darin zeigen, dass man die bisher starren Öffnungszeiten des Museums (Di bis So, 10 bis 18 Uhr, Do 10 bis 20 Uhr) durchaus einmal ausweiten könne, zum Beispiel wenn die Kulturbrauerei ein Sommerfest veranstalte.

Vor dem Sommer kommt aber bekanntlich noch Ostern. Bis dahin will die Stiftung das Museum fertigstellen, dann erst können Wechselausstellungen gezeigt und Veranstaltungen durchgeführt werden. Zunächst öffnet lediglich die Dauerausstellung „Alltag in der DDR“, die mit 600 Quadratmetern Fläche, mehr als 800 Objekten und insgesamt rund 18 Stunden Filmmaterial aber mit Fug und Recht als Kernstück des Museums bezeichnet werden kann.

 

Ohne Klischees mitten rein ins Klischee

 

Zuständig für die Schau ist Ausstellungsdirektor Jürgen Reiche, ein sympathischer älterer Herr, der zusammen mit seinen Kuratoren vor allem eines wollte: auf Klischees verzichten. Gespannt betritt man also die funkelniegelnagelneuen Räume, über denen noch der Geruch von frischer Farbe schwebt, und trifft auf: den Trabi mit Klappzelt auf dem Dach, die hübsch eingerichtete Datsche, Fotos von Schlange-stehenden DDR-Bürgern und die Amtsstube eines Stasi-Mitarbeiters. Klischee pur also. Die Macher aber verteidigen sich: Die Ausstellung biete mehrere Wahrnehmungsebenen. Die großen Bilder und Objekte seien für diejenigen gedacht, die sich nur eine gute halbe Stunde Zeit nehmen wollten. Es gebe aber überall die Möglichkeit, sich zu vertiefen und die Brüche und „Widerhaken“ des DDR-Alltags zu entdecken. „Man muss sich nur einlassen auf die Ausstellung“, tönt es von überall her.

Und tatsächlich, es gibt sie, die leiseren Zwischentöne. Im nachgestellten (Prenzlauer Berger) Wohnzimmer des Liedermachers Ekkehard Maaß etwa herrscht nur auf den ersten Blick gemütliche Spitzendeckchen-Atmosphäre. Bald schon entdeckt man versteckte Wanzen, mit denen die Staatsicherheit die Lesungen und Treffen der Literaten und Künstler diskret belauschte. Oder: Neben der Datsche hängt eine kleine unscheinbare Kopie, ein Nachweis darüber, wie viel Obst und Gemüse der Kleingärtner dem sozialistischen Handel zur Verfügung stellte.

„Mit solchen Beispielen können wir zeigen, dass auch in der DDR nicht alles schwarz und weiß war“, ist Kornelia Lobmeier überzeugt, die als Kuratorin für den Ausstellungsabschnitt „Privates“ zuständig war. Sie beobachtet in Bezug auf die DDR bei vielen Westdeutschen immer noch eine Art Sprachlosigkeit und viel Unkenntnis. Lobmeier erzählt: „Viele Menschen denken zum Beispiel, in der DDR seien 98 Prozent der Bürger überzeugte Sozialisten gewesen, nur weil 98 Prozent der Menschen die SED gewählt haben“.

 

Mehr Schulklassen im Prenzlauer Berg

 

Ob man diese Unkenntnis mit der zwar gut gemachten, aber trotz allem recht plakativen Ausstellung beseitigen kann? Ob die zu erwartenden Horden von Schulklassen die Grau- und Zwischentöne überhaupt wahrnehmen? Und was ist mit denjenigen, die nicht völlig unbeleckt sind Sachen DDR-Geschichte? Finden auch sie noch Neues in der Ausstellung, das über die Freude über so viel Originalmaterial hinausgeht? (Die Erkenntnis, dass der Staat in der DDR auch den Alltag der Menschen durchdrang ist ja nicht neu.)

 

All das wird sich zeigen. Eines aber steht schon jetzt fest. Die Horden von Schulklassen werden kommen, die Stiftung Haus der Geschichte zielt speziell auf sie ab. Und sicher ist auch: Mit der Eröffnung des Museums wird eine Lücke in der Kulturbrauerei geschlossen. Die Räume, in denen früher die DDR-Designsammlung „Industrielle Gestaltung“ residierte, standen nämlich seit der Übernahme durch das Haus der Geschichte im Jahr 2005 leer. Jetzt sind sie wieder prall gefüllt.

 

Museum in der Kulturbrauerei, Knaakstraße 97, Öffnungszeiten: Di-So 10-18 Uhr, Do 10-20 Uhr, Eintritt: frei

 

 

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