Ruth Herzberg

Einmal Pankow, immer Pankow

von Julia Schmitz 22. Juni 2021

Ruth Herzberg wuchs zu DDR-Zeiten in einer Künstlerfamilie in Pankow auf. Wir sprachen mit ihr über ihre Liebe zu Prenzlauer Berg und darüber, wie man mit einem Mann unglücklich wird.


Wir treffen uns vor dem „Buchladen zur schwankenden Weltkugel“ auf der Kastanienallee. Es ist ein sommerlich heißer Nachmittag im Juni, die richtige Temperatur für einen Eiskaffee im Park. Es wird dann aber doch Cappuccino und eine etwas verwitterte Holzbank vor dem Lichtblick Kino, in dem seit Monaten pandemiebedingt keine Filme mehr gezeigt werden dürfen. Wir sind mitten im Kiez, in dem Ruth Herzberg seit den Neunziger Jahren Jahre lebt – und aus dem sie nie wieder wegziehen möchte. „Hier ist alles so herrlich normal“, sagt sie schmunzelnd, „die Menschen sehen so schön aus.“


Dies ist ein Text aus unserer Reihe
„Famose Frauen aus Prenzlauer Berg“


Aufgewachsen ist die 1975 geborene Autorin nur ein paar Kilometer entfernt, in Pankow. Mutter und Stiefvater arbeiten beim Theater, wohnen mit ihren Kindern in einer Sechs-Zimmer-Wohnung. „Oder waren es sieben?“ lacht sie. Als Ruth Herzberg, die auch als Journalistin arbeitet, kürzlich einen Text über ihre Kindheit in der Berliner Zeitung veröffentlichte, bekam sie vor allem für die Anzahl der Zimmer nicht wenig Kritik. Sie könne die DDR ja gar nicht richtig beurteilen, wenn sie in derartig großbürgerlichen Verhältnissen gelebt habe, hieß es. „Es war aber üblich eine große Wohnung zugeteilt zu bekommen – wenn man, wie meine Mutter, mit drei Kindern als kinderreich galt“, erzählt sie.

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„Kapitalismus fand ich scheiße“

Mit dem politischen System der DDR freundet sie sich weder an noch arrangiert sie sich damit. Aber so richtig rebelliert sie auch nicht: Zwar widerspricht sie manchmal im Staatsbürgerkundeunterricht, worauf sie zur Direktorin zitiert wird. Und ein Studienplatz wäre ihr sicherlich auch verwehrt geblieben. Doch die Frage stellt sich gar nicht: Ruth Herzberg ist erst 14 Jahre alt, als die Mauer fällt. Vom „real existierenden Sozialismus“ zum harten Kapitalismus und das in den prägendsten Jahren der Jugend – was hat das mit ihr gemacht? „Ich fand Kapitalismus richtig scheiße“, sagt sie.

Und noch etwas gefällt ihr so gar nicht: „Als Jugendliche wollte ich immer unbedingt aus Pankow nach Prenzlauer Berg ziehen, das war damals noch ein eigener Bezirk. Da wohnten die ganzen Künstler.“ Als sie, nach ein paar Jahren in München, zurück nach Berlin kommt, scheint sich ihr Wunsch zu erfüllen – bis Prenzlauer Berg 2001 in den Bezirk Pankow eingemeindet wird. „Da war ich nun wieder in Pankow gelandet“, erzählt sie lachend.

 

Wie man mit einem Mann unglücklich wird

Ruth HerzbergObwohl sich Prenzlauer Berg in den letzten Jahrzehnten von einem durchmischten Bezirk zu einem eher homogenen Stadtteil gewandelt hat, findet Herzberg hier immer wieder Inspiration. Zum Beispiel für ihr kürzlich erschienenes Buch Wie man mit einem Mann unglücklich wird. Auch wenn Berlin oder Prenzlauer Berg nicht konkret im Text genannt werden, spiele es natürlich hier, sagt sie.

Sie erzählt von der Abhängigkeit einer Frau von einem Mann, der zunächst als „One Night Stand“ in ihr Leben platzt und für den sie daraufhin eine fast schon krankhafte Obsession entwickelt. Selbsterniedrigung und Selbstlügen sind nur ein Teil des scheinbar ewig währenden Spielchens zwischen ihr und dem Narzissten, der ihr in der Nacht zuckrige Liebeserklärungen ins Ohr säuselt, um sie am nächsten Morgen mit eiskaltem Blick zwischen den Laken zurückzulassen. Wochen- oder monatelang wartet sie darauf, dass er auf ihre Nachrichten reagiert oder sich von alleine bei ihr meldet. Was macht sie nur falsch, fragt sie sich?

„Ich müsse lernen, mir selbst zu genügen, sagt eine Freundin, die schon seit zwei Wochen Single ist, denn sonst käme ich so desperate rüber und das merkten die neuen Bekanntschaften […] Aber wirkt das nicht auch desperate, wenn man extra nur deswegen lernt, sich selbst zu genügen, weil man wieder einen festen Freund haben will? Ich meine, ich kann doch nicht extra glücklich sein, bloß weil ich einen Mann haben will.“

 

Auf der Höhe der Zeit

Glücklich, das ist leicht zu erkennen, ist die Erzählerin ziemlich sicher nicht. Ruth Herzberg schafft es, dieses verzweifelte Pendeln zwischen „ich darf nicht zu sehr klammern“ und „warum meldet der Scheißkerl sich nicht, ich schreibe ihm jetzt einfach noch eine Nachricht“ derart scharf einzufangen, dass es bisweilen sehr wehtut – weil man sich in so vielen Sätzen, Gedankengängen und Verhaltensweisen wiedererkennt.

„Ich schwebe, ich taumle, ich tanze, ich singe, ich strahle, ich drehe durch. Ich habe ihm schon wieder geschrieben, megalocker, megaentspannt, megaschlau, zu einer ganz normalen Tageszeit, nicht total daneben um drei Uhr nachts oder so, sondern um 14 oder 15 Uhr.“

Ich stelle Ruth die Frage, die bei Journalist*innen so beliebt und unter Literaturwissenschaftler*innen verpönt ist: „Dein Buch ist ein Roman, aber wie viel von dir selbst steckt denn in der Hauptfigur?“ Sie habe das selbst so oder so ähnlich erlebt, gesteht die Autorin und muss lachen: „Vielleicht sogar noch krasser“.

Dennoch ist und bleibt es Fiktion – die allerdings ziemlich nah an der Realität entlang schrammt. Klischeehafte Darstellungen finden sich in dem Text trotzdem kaum und genau das das macht ihn zu einem Roman, der auf der Höhe der Zeit ist. Er hält der bindungsgestörten Hedonismusgesellschaft dieser Stadt den Spiegel vor. Und zwar auch den schönen Menschen in Prenzlauer Berg.

Ruth Herzberg Wie man mit einem Mann unglücklich wird ist im mikrotext Verlag erschienen, hat 176 Seiten und kostet 14,99 Euro (Taschenbuch) bzw. 7,99 Euro (E-Book).

Mehr Literatur aus, in und über Prenzlauer Berg findet ihr hier.

Titelfoto: Julia Schmitz

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