Herabstürzende Altbauten

von Christiane Abelein 19. November 2013

Die Gethsemanekirche muss dringend saniert werden, doch bisher reicht das Geld nur für den 1. Bauabschnitt. Warum die „Kirche der friedlichen Revolution“ erhalten werden sollte, lesen Sie hier!

Der Heilige Geist ist nicht schuld. Auch wenn es eine reizvolle Vorstellung ist, dass er wie ein kleiner Kobold von Turm zu Turm der Gethsemanekirche springt und dabei aus Versehen den ein oder anderen Ziegel löst, er würde niemals die Kirch- oder Fußgänger gefährden. Trotzdem gehört der Heilige Geist zu unserer Geschichte über die Gethsemanekirche wie der Teufel zum Weihwasser.

Die Gethsemanekirche bröckelt, so viel ist nicht nur in Prenzlauer Berg bekannt, sondern in ganz Berlin, ja sogar in ganz Deutschland! Dass die Kirche, die im Jahr 1893 eingeweiht wurde, renoviert werden müsste, ist schon länger klar. Sichtbar wurde das zunächst im Innenraum. Im oberen Rund der Apsis, also des vorderen Teils, in dem der Altar steht, machten sich Wasserflecken breit. Zuerst dachten die Verantwortlichen der Evangelischen Kirchengemeinde Prenzlauer Berg Nord, das sei ein alter Schaden, der nur austrocknen müsse. Doch bald war Geschäftsführer Frank Esch klar: „Ein bißchen streichen reicht da nicht“. Das Problem liegt tiefer, oder besser gesagt höher: im Trempelbereich der Kirche. Das ist die Stelle, wo die Backstein-Mauern und das Dach ineinander übergehen.

 

Man sieht viel mehr als man wollte“

 

2009 begann die Gemeinde deshalb, Spenden zu sammeln. Zwischen den beiden ersten Benefizveranstaltungen, im Mai 2009, passierte es dann: Von einem der Türme brach ein Stück ab, fiel auf einen der Stützpfeiler vom Zaun und dann auf den Gehweg. Es war abends an einem lauen Frühsommertag. Dass niemand verletzt wurde, ist Glück – oder wie Esch als Kirchenmann sagen würde – ein Wunder. Spätestens da war klar: Es muss endlich etwas passieren. Doch wie viel passieren muss, das war noch nicht klar.

Von außen sieht die Gethsemanekirche gar nicht so renovierungsbedürftig aus, denn der rote Backstein gibt seine Schwächen erst bei genauerem Hinsehen preis. Das wohl Offensichtlichste: Der Garten ist abgesperrt. Er dient normalerweise als eine Art Verbindungsglied zwischen Kirche und Kiez. Hier treffen sich im Sommer die verschiedensten Gemeindegruppen, es werden Taufen und andere Feste gefeiert. Wie gesagt: normalerweise. Jetzt stehen mögliche Besucher vor einem einfachen Bretterzaun mit dem Hinweis, dass „weitere Ziegel vom Dachgesims herunterfallen“ könnten.

Mit etwas mulmigem Gefühl wagen wir uns dennoch hinter die Absperrung. Geschäftsführer Esch zeigt immer wieder nach oben, man entdeckt hier fehlende Bögen in der Rosette, dort leere Fugen zwischen den Ziegelblöcken, und im Eingangsbereich des Gebäudes liegt eine ganze Sammlung von Steinen, die schon im Garten gelandet sind. Esch hat die Kirche vor Kurzem mit einer Hubbühne umfahren. Sein Fazit: „Von dort sieht man viel mehr als man sehen wollte“.

 

Die DDR ist schuld

 

Der Grund für den schlechten Zustand der Kirche heißt DDR. Damals kümmerte sich die Gemeinde zwar „rührend“ um ihr Haus, wie Pfarrer Ernst-Christian Zeiske es ausdrückt. Doch man habe wegen der allseits bekannten Mangelwirtschaft eben nur schlechte Materialien verbaut. „Und das fällt uns jetzt auf die Füße“. Oder auf den Kopf. Mittlerweile sind so viele Mängel bekannt, dass die Renovierungskosten auf 1,6 Millionen Euro geschätzt werden. Da werden Spenden alleine nicht reichen.

Doch es gibt Hoffnung. Der erste Bauabschnitt liegt in greifbarer Nähe, im kommenden Frühjahr soll es losgehen. Die Landeskirche hat Geld zugesagt, der Senat schießt zunächst 615.000 Euro zu. Das sind Mittel aus dem – Achtung Behördendeutsch – Förderprogramm städtebaulicher Denkmalschutz im Rahmen des Stadterneuerungsprogramms. Die Gethsemanekirche liegt im Stadterneuerungsgebiet Humannplatz und hat damit Glück, glauben die Kirchenmänner: „Wenn wir nicht als Denkmal angesehen würden, würden wir nicht gefördert. Aber die Gethsemanekirche ist ja auch der schönste neugotische Bau Berlins!“ Die Begründung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung klingt anders: Man wolle nicht nur Wohnunsgebäude sanieren, sondern auch Kirchen fördern, wenn sie in den Kiez hineinwirkten – und das sei bei der Gethsemanekirche natürlich der Fall.

 

Hier weiterlesen im Teil 2: „Wir sind so“

 

 

Teil 1: Herabstürzende Altbauen

Teil 2: „Wir sind so“ 

 

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