Bücher

Prenzlauer Berg liest

von Julia Schmitz 25. April 2023

Weltweit werden jährlich knapp 1,8 Millionen Bücher veröffentlicht. Wie soll man da den Überblick behalten? Wir haben eine Auswahl an Frühlingsnovitäten für euch, die sich um Berlin drehen.


Eine Tasse Tee oder ein Glas Wein, ein gemütlicher Sessel und ein gutes Buch: Für viele ist das die ideale Art, nach einem anstrengenden Arbeitstag zu entspannen. Aber welches Buch soll man lesen, wie wählt man aus der unübersichtlichen Menge an Neuerscheinungen den passenden Roman aus?

Bei den Prenzlauer Berg Nachrichten stellen wir euch regelmäßig Veröffentlichungen aus Belletristik und Sachbuch vor, die sich mit Prenzlauer Berg oder Berlin beschäftigen. Pünktlich zur Leipziger Buchmesse, die in diesem Frühjahr zum ersten Mal seit 2019 wieder stattfindet, haben wir uns deshalb durch die Programme geschmökert. Sechs Bücher daraus stellen wir euch vor.

 

Romane

 

Christoph Hein
Unterm Staub der Zeit

Seit Mitte der 1970er-Jahre arbeitet Christoph Hein als Schriftsteller und Dramatiker. Immer wieder greift er in seinen Romanen dabei auf autobiografisches Material zurück. So auch in Unterm Staub der Zeit: Die Geschichte handelt von dem Jugendlichen Daniel, der 1958 mit 14 Jahren aus der DDR nach Westberlin zieht, um dort ein Gymnasium zu besuchen. In seiner Heimat war ihm dies als Sohn eines Pfarrers verwehrt worden. Mit seinen Klassenkameraden zieht Daniel durch das schillernde Westberlin mit seinen Kinos und Kneipen, es kommt zu ersten Liebschaften. Doch dann spitzt sich die politische Lage zu und Daniel kehrt zurück zu seiner Familie – kurz vor dem Mauerbau. Christoph Hein, der ebenfalls in den späten 1950er-Jahren in einem Westberliner Internat lebte, hat dieser Zeit mit Unterm Staub der Zeit ein liebevolles Andenken gesetzt.

Erschienen im Suhrkamp Verlag, 220 Seiten, 24 Euro.

 

Demian Lienhard
Mr. Goebbels Jazz Band

Es gibt zahlreiche Romane über die Zeit des Nationalsozialismus und seine Gräueltaten. Demian Lienhard hat sich einen anderen, bislang wenig bekannten Aspekt herausgesucht: In seinem neuen Roman schreibt er über die Jazz-Band, die im Auftrag von Joseph Goebbels in Berlin gegründet wurde, um auf dem Auslandsradiosender Germany Calling die deutsche Propaganda musikalisch zu unterlegen. Zu der Truppe gehören Ausländer, Juden und Homosexuelle, die im wahrsten Sinne des Wortes um ihr Überleben spielen – und das auch noch Jazz, der von den Nazis als „entartet“ gebrandmarkt wurde. Lienhard, der über die Wörter und Sätze hüpft wie seine Protagonisten über Tonleitern, hat einen Roman geschrieben, der sich ebenfalls wie ein rasant gespieltes Free-Jazz-Stück liest.

Erschienen in der Frankfurter Verlagsanstalt, 320 Seiten, 24 Euro.

 

Die Architektin von Till Raether

Till Raether
Die Architektin

Westberlin, Anfang der 1970er-Jahre: Eine skrupellose Architektin setzt in einer von Männern geprägten Zeit ihr Vorhaben eines monumentalen Bauprojekts durch und nutzt dafür ihre Verbindungen in die höchsten Kreise – und ihr Aussehen. Doch dann kommt ihr der 19-jährige Praktikant des Spandauer Volksblatts in die Quere. In Die Architektin hat Till Raether die reale Geschichte rund um die Westberliner Baulöwin Sigrid Kressmann-Zschach und die Entstehung des Steglitzer Kreisels zu einem Roman verarbeitet, der auf sehr humorvolle Art und Weise die Gepflogenheiten der damaligen Gesellschaft – inklusive förmlicher Abendessen mit kalter Platte und Weinbrand – darstellt und karikiert.

Erschienen im btb Verlag, 416 Seiten, 24 Euro.

 

Brigitte Reimann
Die Geschwister

Brigitte Reimann – die 1973 mit nur 39 Jahren an Krebs starb – gehört zu den wichtigsten Schriftstellerinnen der DDR. Ihre Texte wie Ankunft im Alltag oder Franziska Linkerhand gehören in den Kanon der Literatur aus dem sozialistischen Nachbarland und geben auch über 30 Jahre nach dem Fall der Mauer einen guten Einblick in die dortigen Verhältnisse. Ihr Roman Die Geschwister bereits 1963, allerdings in veränderter beziehungsweise zensierter Form. Der Aufbau Verlag hat nun die ungekürzte Fassung, nach Originaltyposkripten der Autorin, herausgebracht. Die Geschichte erzählt von der linientreuen Elisabeth, die ihren Bruder Ulrich davon abhalten will, kurz vor dem Mauerbau nach Westdeutschland auszureisen. In ihren Gesprächen und Gedanken zeigt sich die Zerrissenheit einer Generation, die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs eine neue, bessere Gesellschaft aufbauen wollte – doch die Gängeleien, Einschränkungen und Bestrafungen nicht hinnehmen wollte. In der DDR wurde Die Geschwister zu einem der am meisten diskutiertesten Bücher der Zeit.

Erschienen im Aufbau Verlag, 224 Seiten, 22 Euro.

 

Michael Sollorz
Zeit der Kräne

Das zu großen Teilen gentrifizierte Berlin der Gegenwart in Friedrichshain und Prenzlauer Berg hat sich Michael Sollorz für seinen neuen Roman ausgewählt. Er erzählt darin die Geschichte des 22-jährigen Dachdeckers Paul, der auf dem „Dorfplatz“ in der Rigaer Straße die zehn Jahre ältere Marie kennenlernt und sich in sie verliebt. Doch Marie, ehrgeizige Doktorandin, will Paul nur als sexuellen Spielgefährten. Dann nimmt sich ihre Freundin Nelly, eine engagierte Hausbesetzerin, das Leben und hinterlässt einen Aktionsplan zum Kampf gegen einen Immobilienkonzern. Marie will das Erbe von Nelly antreten – und zieht Paul mit hinein. Zeit der Kräne ist eine gelungene Momentaufnahme der Situation in den Kiezen, in denen Verdrängung von finanziell schwächer aufgestellten Menschen durch profitorientierte Unternehmen an der Tagesordnung ist.

Erschienen im Quintus Verlag, 248 Seiten, 22 Euro. Am 20. Mail stellt der Autor seinen Roman um 20 Uhr in der WABE auf der Danziger Straße vor.

 

Felix Stephan
Die frühen Jahre

Felix Stephan, geboren 1983 in Ost-Berlin, erzählt in seinem Debütroman von einer Familie, die nach dem Zusammenbruch der DDR alles daran setzt, ihren Platz in den neuen Gesellschaftsstrukturen zu finden. Der Ich-Erzähler, gleich alt wie der Autor, gilt als hochbegabt und verhaltensauffällig und wird in der Grundschule immer wieder wegen Gewaltausbrüchen suspendiert. Der Vater versucht mehrere Jahre lang, in seinem gelernten Beruf des Journalisten Fuß zu fassen. Die frühen Jahre beginnt mit einer starken Szene, in der die Familienmitglieder gemeinsam um den heimischen Ofen stehen und ihre Stasi-Akten – der Großvater war ein hohes Tier im Ministerium und hat sie rechtzeitig aus dem Archiv geholt – ins Feuer werfen. Auch auf den restlichen Seiten weiß Stephan mit seiner deutlich beobachtenden, aber nicht anklagender Stimme die Verhältnisse der Nachwendezeit gekonnt in Szene zu setzen. Ein wichtiger Beitrag zur Debatte um die schwierigen Jahre nach dem Fall der Mauer.

Erschienen im Aufbau Verlag, 255 Seiten, 22 Euro. Am Dienstag, 25. April liest Felix Stephan in der Buchhandlung Uslar & Rai, Schönhauser Allee 43, aus seinem Roman.

 

Mehr Literatur aus, in und über Prenzlauer Berg findet ihr hier!

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1 Kommentar

Michael Keiran 1. Mai 2023 at 20:50

Entdeckte das heute, gefaellr mir, was Ihr macht. Weiter so! # Ich wohnte mal im Prenzberg und war bei der Zeitung SCHEINSCHLAG taetig, Euer Vorlaeufer!

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