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Film ab in Prenzlauer Berg

von Christina Heuschen 19. April 2023

Ob Schönhauser Allee, Kollwitzplatz oder Helmholtzplatz – Prenzlauer Berg gehört zu den begehrtesten Drehorten Berlins. Häufig übernimmt die beliebte Filmkulisse selbst die Hauptrolle.


Dröhnend schlängelt sich die U2 erst als Untergrundbahn dann als oberirdische Hochbahn von Mitte nach Pankow. Unter dem Magistratsschirm kreuzen sich die Schönhauser Allee, die Eberswalder Straße, die Kastanienallee und die Pappelallee. Im Minutentakt rattert hier die Straßenbahn unter der Brücke durch. Autofahrer*innen fahren und hupen, Fußgänger*innen warten auf eine grüne Ampel, manche huschen schnell bei Rot über die Straße. Diesen Schauplatz kennen zahlreiche Filmfans: Regelmäßig taucht die Kreuzung in Filmen auf.

„Das ist visuell einfach so herausfordernd, so toll, dass man das natürlich immer und immer wieder (im Film) genutzt hat“, sagt Nils Warnecke. Der Kurator der Deutschen Kinemathek findet, dass es kaum eine pittoreskere, urbanere Struktur in Berlin als an dieser Kreuzung gebe. Visuelle Medien liebten Orte wie diesen. ___STEADY_PAYWALL___

Tatsächlich ist die Straßenkreuzung nur einer von zahlreichen Orten in Prenzlauer Berg, die als Schauplatz in Spiel- und Dokumentarfilmen dient, sagt Stephan Müller. Er hat mit der Prenzlauer Berginale ein Filmfestival ins Leben gerufen, das ausschließlich Filme zeigt, die hier gedreht wurden.

Für ihn gehören vor allem auch der Helmholtzplatz, der Kollwitzplatz sowie die gesamte Schönhauser Allee mit ihren Seitenstraßen dazu. Mal fungieren sie als Kulisse, manchmal haben sie sogar eine tragende Rolle. Hier wurden Klassiker wie „Berlin – Ecke Schönhauser“, „Solo Sunny“ oder „Sommer vorm Balkon“ gedreht. Aber auch weitgehend unbekannte Dokumentarfilme.

 

Ein Stadtteil schreibt Filmgeschichte

Dass Prenzlauer Berg so häufig als Drehort dient, hat historische Gründe. 1982 drehte der Fotograf Max Skladanowsky im Viertel die ersten Filmaufnahmen überhaupt in Deutschland. Mit einem sogenannten „Kurbelkasten“ machte er auf dem Dach des Hauses in der Schönhauser Allee 146 bewegliche Aufnahmen von seinem Bruder Emil. Nur wenige Jahre später stand Skladanowsky wieder auf dem Dach und filmte für wenige Sekunden die dortige Straßenkreuzung.

Seitdem dient der damals noch arme Stadtteil als Experimentierort für zahlreiche Filme. Dass es dennoch aus dem ersten Drittel des 20. Jahrhunderts kaum Filme zu sehen gibt, die in Prenzlauer Berg spielen, liegt auch daran, dass aus der Frühzeit nur ein kleiner Teil überliefert ist. Viele Filme gelten als verschollen oder liegen in einer schlechten Qualität vor. Aufwendigere Produktionen wurden zudem in Filmstudios realisiert – unter anderem im angrenzenden Stadtteil Weißensee.

Einen wesentlichen Anteil machen insbesondere die Filmproduktionen der Deutsche Film-AG (DEFA) aus. Viele spielen in Prenzlauer Berg oder wurden hier gedreht, sagt Warnecke. Das sei auch naheliegend: „Der Westen stand als Drehort während der Teilung nicht zur Verfügung. Prenzlauer Berg konnte man aufgrund glücklicher Umstände gut dafür nutzen. Das war alles da: die Kopfsteinpflasterstraßen, die unendlichen Fluchten dieser Mietskasernen.“ Bis zur Wende sei Prenzlauer Berg einfach eine Besonderheit gewesen, weil die Gründerzeitbebauung relativ gut erhalten geblieben sei, ergänzt Müller.

 

Berühmte Filmkulisse

„Dass der Prenzlauer Berg so berühmt geworden ist als Drehort, liegt auch an dem Umstand, dass die DEFA-Schule und die Schule dieser Alltagsfilme großen Wert daraufgelegt hat, am Originalschauplatz zu drehen und damit sind so viele Orte letztlich für die Ewigkeit in mehr oder weniger herausragenden Spielfilmen auch festgehalten worden“, sagt Warnecke. Tatsächlich gibt es noch zahlreiche weitere Filme, die einen Wiedererkennungseffekt haben und bekannte Orte im Viertel zeigen. So gehören auch „Jahrgang 45“ oder „Fräulein Schmetterling“ dazu.

Warnecke und Müller glauben, dass das unter anderem daran liegt, dass viele Künstler*innen, Schauspieler*innen und Regisseur*innen nicht nur im Stadtteil gearbeitet, sondern auch dort gewohnt haben. „Prenzlauer Berg hat diese Künstler beeinflusst, aber sie haben letztlich durch ihren Blick und durch die Idee, dieses soziale Milieu letztlich für ihre Geschichten zu nutzen, wiederum dem Viertel auch ein Bild verpasst, dass dann kollektiv vom Publikum wahrgenommen worden ist und Prenzlauer Berg so bekannt gemacht hat“, findet Warnecke.

 

Mikrokosmos Prenzlauer Berg

Dass Prenzlauer Berg im Laufe der Jahrzehnte einen gesellschaftlichen und architektonischen Wandel durchgemacht hat, zeigt sich auch in den Filmen. Bei den Filmemacher*innen galt der Stadtteil lange Zeit als authentische Kulisse, um dem Publikum das Berliner Leben näherzubringen. Dabei transportiert Prenzlauer Berg in den Filmen auch immer die Geschichte der Stadt – häufig geht es um das Leben der jungen Generation in der DDR, um die Bohème, die Avantgarde oder um die Gentrifizierung.

So machten Drehbuchautor Wolfgang Kohlhaase und Regisseur Gerhard Klein 1957 die Straßenkreuzung erneut zu einem zentralen Schauplatz in ihrem Film „Berlin – Ecke Schönhauser“. Vor allem unter der Hochbahnbrücke Schönhauser/Ecke Eberswalder erzählen sie die Geschichte von Jugendlichen, die in der geteilten Stadt nach Orientierung suchen. Auch Heiner Carow schrieb mit seinem revolutionären Film „Coming Out“ Filmgeschichte in Prenzlauer Berg. Denn es ist der erste und letzte DEFA-Film, der das Thema Homosexualität in der DDR behandelt.

Der 2004 gedrehte Film „Sommer vorm Balkon“ zeigt, wie sich das Leben im Stadtteil ändert. Die beiden Freundinnen Katrin und Nike wohnen im selben alten Mietshaus am Helmholtzplatz. Die Zuschauer*innen folgen dem Leben der beiden: Es geht um Liebe, Einsamkeit, Arbeitslosigkeit und Alkoholmissbrauch. Am Ende ist das Wohnhaus im Herbst zur Renovierung eingerüstet und unbewohnt.

Ein paar Jahre später erscheint Jan Ole Gersters Film „Oh Boy“. Der ganz in schwarz-weiß gedrehte Film zeichnet ein melancholisches Portrait der Stadt Berlin. Ex-Student Niko (gespielt von Tom Schilling) lässt sich ziellos durch die Straßen Prenzlauer Bergs treiben und wird dabei mit sowohl komischen als auch tragischen Situationen konfrontiert: Sein Vater möchte ihm kein Geld mehr geben, sein Freund Matze ist arbeitsloser Schauspieler und auf der Suche nach einem Projekt und seine ehemalige Mitschülerin lädt zu einer Theater-Kunst-Performance ein.

 

Abschied von Prenzlauer Berg

„Diese Fokussierung und diese Faszination, die der Bezirk über so viele Jahrzehnte auf Filmemacherinnen und Filmemacher ausgeübt hat, das ist offensichtlich vorbei“, sagt Warnecke. Auch wenn in Folge der Veränderungen manche Schauplätze verschwunden sind und Drehorte in anderen Stadtvierteln gesucht werden, so bleibt Prenzlauer Berg dennoch eine Ikone der Filmgeschichte.

 

Titelfoto: Tomasz Sienicki/Wikimedia Commons, CC-BY-3.0

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1 Kommentar

Roland Arhelger 4. Mai 2023 at 21:08

Für den Kinofilm „Der Rote Kakadu“ (2006, Regie: Dominik Graf) wurden in der Kopenhagener Straße (Prenzlauer Berg) aufwändige Szenen des Berliner Mauerbaus gedreht.

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