Benn

„Rathaus of Cards“ in Pankow

von Julia Schmitz 6. November 2021

Hat sich Sören Benn mit den Stimmen der AfD zum Bezirksbürgermeister wählen lassen? In der Hauptstadtpresse und auf Twitter wird erbittert darüber diskutiert.


„Weißer Rauch steigt auf über dem Bezirksamt in der Fröbelstraße“, hieß es am Donnerstagabend gegen 19.30 Uhr mit einem Augenzwinkern. Doch kam der Rauch vermutlich aus den Köpfen der 55 Bezirksverordneten, die sich im großen Saal zur konstituierenden Bezirksverordnetenversammlung der kommenden Legislaturperiode zusammengefunden hatten. Der Grund: Sören Benn (Linke) war mit 29 Ja-Stimmen zum neuen Bezirksbürgermeister gewählt worden; 24 Verordnete hatten dagegen gestimmt, zwei sich enthalten. Woher kamen die Stimmen?

Darüber wurde in den Stunden danach wild spekuliert und diskutiert. SPD und Linke hatten die Verhandlungen mit den Bezirksgrünen ein paar Tage zuvor abgebrochen und kurz vor der Sitzung eine Zählgemeinschaft gebildet;  weil sie so zusammen auf 23 Stimmen kamen, oblag ihnen der Vorschlag für das Bürgermeisteramt – obwohl Die Grünen bei der Wahl Ende September die meisten Stimmen geholt und Dr. Cordelia Koch zur Bürgermeisterin hatten ernennen wollen.

Die CDU gab aufgrund des „Unvereinbarkeitsbeschlusses“, der eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei ausschließt, vorab bekannt, Benn nicht ihre Stimme zu geben. Fraktionsvorsitzende Denise Bittner schloss aber nicht aus, dass sich Mitglieder ihrer Partei bei der Wahl enthalten könnten – was zugunsten Benn ausgehen könnte. Von Seiten der FDP war ein klares Nein zu Benn gekommen.

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AfD: „Haben Benn gewählt“

Die AfD äußerte sich im Vorfeld nicht. Doch später erklärte der ehemalige Stadtrat Daniel Krüger, seine Partei – die mit fünf Sitzen in der BVV vertreten ist – habe einstimmig Benn gewählt. Am nächsten Tag äußerten sie sich offiziell dazu auf Twitter: „Bei der gestrigen Bürgermeisterwahl musste die Fraktion abwägen, welcher Kandidat für das höchste Amt in unseren Bezirk besser geeignet ist. Den Entscheidungsprozess hat sich die AfD-Fraktion nicht leichtgemacht. Im Ergebnis hat sie sich entschlossen, den Kandidaten der Linken zu unterstützen.“

Doch hat diese Aussage ein Geschmäckle: Handelt es sich hier um politisches Kalkül der Fraktion, um Sören Benn zu schaden? Würden Mitglieder einer Partei des rechten Spektrums wirklich offen links wählen? Und sollte man Aussagen der AfD nicht generell kritisch begegnen – wie anderen Parteien auch?

 

Doch die Frage steht noch immer im Raum wie der berühmte Elefant: Hatten SPD und Linke einkalkuliert, dass ihr Kandidat unter Umständen mit den Stimmen der rechten Partei gewählt werden würde? Die Pankower Grünen sprangen scheinbar bereitwillig auf das Narrativ der AfD auf, ebenso wie einige Berliner Tageszeitungen.

 

SPD und Linke weisen den Vorwurf zurück und bezeichnen ihn als Populismus. Man gehe aufgrund „entsprechender Signale im Vorfeld“ davon aus, dass die Wahl mit Unterstützung von Einzelverordneten aus dem demokratischen Lager erfolgt sei. Ohne diese hätte Sören Benn nicht kandidiert, heißt es.

 

Anders als in vielen Texten dargestellt (auch in unserem Text von Donnerstagabend stand es zunächst fälschlicherweise drin – Anm. d. Red.), braucht es für die Wahl zum Bezirksbürgermeister keine absolute, sondern nur eine einfache Mehrheit. Sprich: Mehr Ja- als Nein-Stimmen.

 

Gab es doch Unterstützung durch die CDU?

Am Freitagabend kam es dann zu einer Wende in Sachen „Rathaus of Cards“: Die Linke twitterte, es habe vorab Gespräche zwischen SPD und CDU gegeben. Worauf die diese Gespräche zwar bestätigte, aber anschließend erklärte, Benn nicht gewählt zu haben. Die sechs Stimmen, die über die Anzahl der Zählgemeinschaft hinausgingen, könnte aus allen politischen Lagern gekommen sein: Es könnten die fünf Stimmen der AfD plus eine Stimme aus CDU, FDP oder von den Grünen gewesen sein. Oder sechs Stimmen aus der CDU. Oder, oder oder: So lange niemand aus den demokratischen Parteien das Wahlgeheimnis bricht und offenlegt, wen er oder sie tatsächlich gewählt hat, kann es nur bei Spekulationen bleiben.

 

Titelbild: Sören Benn (Linke) / Foto: Jonas Teune

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