„Nichts fehlt unserem Volke so, wie stolze, wahre Frauen…“

von Anja Mia Neumann 16. August 2019

Stolze Frauen, die brauche es viel mehr. Das meinte Gertrud Classen schon im Jahr 1924. Nach der Bildhauerin und Widerstandskämpferin soll nun ein Dreiecksplatz in Prenzlauer Berg benannt werden.


Eigentlich sollte der Dreiecksplatz zwischen Naugarder Straße, Hosemannstraße und Erich-Weinert-Straße den Namen einer Frauenfigur aus der Weißenseer Stummfilmzeit bekommen. Aber der Frauenbeirat Pankow legte Veto ein. Begründung: Das Rollenbild von Frauen, das in den meisten dieser Stummfilme vermittelt wird, war schon zur damaligen Zeit nicht progressiv.

Stattdessen fiel die Wahl auf die Malerin und Bildhauerin Gertrud Classen. „Classen hat sich für Frieden und Gerechtigkeit eingesetzt“, erklärt Pankows Gleichstellungsbeauftragte Heike Gerstenberger. Gemeinsam mit der AG SpurenSuche wählte sie die Widerstandskämpferin aus, die von 1905 bis 1974 lebte.

 

„Unsere Zeit erfordert Großes von uns“

Bald soll also Prenzlauer Berg einen Gertrud-Classen-Platz bekommen. Das wäre nach dem Minna-Flake-Platz an der Erich-Weinert-Straße Ecke Gudvanger Straße nach 2015 der zweite Dreiecksplatz im Stadtteil mit neuem Frauennamen.

Aber war war Frau Classen, die „stolze, wahre Frauen“ forderte und mit 19 Jahren folgende Worte schrieb?

„Unsere Zeit erfordert Großes von uns. Selbstzucht, Härte gegen alles Sinnlose in uns. Das wird uns fester binden als alles An-einander-vorbei-reden. Und immer das Gewaltige vor der Seele: Weib werden im höchsten, im blutvollen Sinne. Nichts fehlt unserem Volke so, wie stolze, wahre Frauen. Nur aus ihnen kann das Geschlecht hervorgehen, dem unsere Sehnsucht gilt.“ Rundbrief des Mädchenbundes vom September 1924, verfasst von Gertrud Classen

 

Gertrud Classen engagierte sich früh in der Jugendbewegung namens Wandervogelbewegung, die allerdings sehr männlich geprägt war, und forderte eine eigene Sparte für Mädchen und junge Frauen.

 

Unterschlupf für Juden und Widerstandskämpfer

Im Nationalsozialismus nach 1933 war sie Widerstandskämpferin und wurde mehrmals verhaftet. Sie beherbergte die untergetauchte Jüdin Ilse Stillmann und den Deserteur Oskar Huth. Einem Beteiligten am Attentat auf Hitler vom 20. Juli 1944, Ludwig Freiherr von Hammerstein, half sie, indem sie ihm Unterschlupf und Papiere besorgte. Nach dem Krieg war sie von 1950 bis 1953 an der Akademie der Künste in der DDR und dann freischaffende Bildhauerin.

Spuren von Classen finden sich auch heute noch in Pankow: Ihre Skulptur „Die Aufbauhelferin“ (siehe Titelbild) steht im Park an der Ossietzkystraße, in der Pistoriusstraße/Ecke Woelckpromenade sitzt ein „Lesender Knabe“.

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