Keine Angst vor Netflix

von Sarah Schaefer 16. Januar 2020

Prenzlauer Bergs neues Kino will mehr sein als ein Ort für Filmvorführungen. Zu sehen gibt es auch Produktionen, die andere Kinobetreiber*innen boykottieren.


Dass es hier nicht allein ums Filmegucken gehen soll, macht schon der Name klar: „Kino & Bar in der Königsstadt“ heißt dieser neue Ort in Prenzlauer Berg. Und so fällt beim Betreten der Räume auf dem Gewerbehof in der alten Königstadt zunächst die ausladende Bar ins Auge, die umrahmt ist von markanten Barhockern. Laut Kino-Chef Harald Siebler hatten die schon mal einen Auftritt im Film „Batman v Superman“.

Dieses Kino soll mehr sein als eine „Verkaufsbude für Popcorn“, sagt Siebler. „Ich möchte, dass dieser Ort eine Versammlungsstätte ist.“ Deswegen die Betonung der Bar: Sie soll ein Treffpunkt sein, an dem man gern den Abend verbringt. Wer hier einfach nur sein Bier trinken möchte – ohne ins Kino zu gehen – ist absolut willkommen.

 

Wim Wenders sitzt gleich nebenan

Siebler will einen Ort schaffen, an dem sich Filmschaffende und Zuschauer*innen begegnen. Stolz zeigt er das Gästebuch, in dem sich der österreichische Dokumentarfilmemacher Hubert Sauper und der Berliner Regisseur Fred Kelemen verewigt haben. Auch ‚Wim‘ sei schon da gewesen. Die Filmproduktionsfirma von Regisseur Wim Wenders befindet sich gleich nebenan, ebenfalls auf dem Gewerbehof. Regelmäßig finden Filmfestivals statt, im Januar etwa das Festival politischer Film.

Auch tagsüber sollen Kinosaal und Bar eine Anlaufstelle sein, denn Filmschaffende können beides für die Postproduktion mieten, insbesondere für das Color Grading. Auch für Filmabnahmen oder -vorführungen stehen die Räumlichkeiten zur Verfügung – ebenso wie für private Veranstaltungen.

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Diskussion um Netflix

Es ist keine Neuigkeit, dass die Kinobranche schwächelt, wenn auch die Programmkinos insgesamt recht gut dastehen, glaubt man den Zahlen der Filmförderungsanstalt. Ob es mutig ist, in diesen Zeiten ein Kino zu eröffnen? „Das müssen andere entscheiden“, sagt Siebler. Vor Netflix hat er jedenfalls keine Angst – ganz im Gegenteil: Er hat derzeit gleich drei Produktionen des US-Giganten im Programm, etwa „The Irishman“ von Martin Scorsese. Das ist insofern interessant, als Netflix und Co. oft als ein wesentlicher Grund für die schwierige Lage der Kinos angeführt werden. Wenn man zu Hause alles streamen kann – wozu dann noch in eine Vorstellung gehen?

Viele deutsche Kinobetreiber*innen weigern sich, Netflix-Filme zu zeigen. Der Konzern hält sich nicht an den branchenüblichen Zeitraum, in dem ein Film exklusiv im Kino läuft. Die Regel sind etwa vier Monate, bevor der Film anderweitig verfügbar ist, zum Beispiel auf DVD. Netflix lässt die Eigenproduktionen zwei Wochen im Kino laufen, bevor sie auf der Plattform zu sehen sind. Darum kann man sich „The Irishman“ sowohl bei Siebler im Kino als auch legal auf dem heimischen Sofa ansehen.

 

Unterstützung für unbekannte Filmemacher*innen

Siebler findet die Diskussion um Netflix „anstrengend“. Diese Filme, sagt er, seien für die große Leinwand gemacht und gehörten darum ins Kino. Es gehe um ein besonderes Erlebnis, bei dem der heimische Bildschirm nicht mithalten könne. Ob das Netflix-Angebot von den Kinobesucher*innen gut angenommen wird, könne er noch nicht abschätzen. Der Kino-Betrieb läuft seit Anfang November vergangenen Jahres.

Doch wie es sich für ein Programmkino gehört, zeigt Siebler nicht nur die großen US-Produktionen, sondern auch Indie-Filme. Sein ausdrückliches Ziel ist es, auch junge und bislang eher unbekannten Filmemacher*innen zu unterstützen und ihre Werke zu zeigen.

54 fest eingebaute Sitze hat der Kinosaal. Ist der Andrang groß, passen bis zu 80 Leute auf zusätzlichen Sitzgelegenheiten in den Raum. Siebler ist stolz auf die Qualität von Sound und Bild und außerdem auf die Materialien, die hier verbaut wurden. Dass es im Kinosaal ein wenig nach Sauna riecht, liegt an dem Zirbenholz, das die Rückwand des Saals ziert.

Eine Bitte hat Siebler: Gelegentlich gebe es bei Besucher*innen Irritationen darüber, wo das Kino eigentlich ist. Man möge doch in dem Artikel darauf hinweisen, dass sich der Eingang des Kinos in der Straßburger Straße 55 befindet. Denn viele landen vor dem Eingang des Gewerbehofs und finden sich dann nicht zurecht. Zur Sicherheit will er aber auch noch ein Schild auf die Straße stellen. Für diesen Abend kündigt es „The Irishman“ an.

 

Fotos: Sarah Schaefer

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