Gethsemanekirche

Selbstporträt als Sünde

von Julia Schmitz 18. Mai 2021

Kunst mit direktem Draht zu Gott: In der Gethsemanekirche zeigt die Staatsgalerie Prenzlauer Berg unter dem Titel „Personal Jesus“ Malereien von Jutta Scheiner, Jürgen Eisenacher, Ronald Lippok, Frank Siewert und Igor Tatschke.


Ein Frauenkörper, blasshäutig, barbusig. Unter dem rechten Rippenbogen klemmt ein Apfel, zwischen den Brüsten windet sich etwas grünlich-gelbes, schlangenartiges in Richtung der rothaarigen Turmfrisur. Dort, wo sich in einem Gesicht Augen, Nase und Mund befinden sollten, klaffen schwarze Löcher, kreuz- oder kreisförmig. Die Analogie zu Eva und dem verhängnisvollen Apfel drängt sich auf. Der Titel: „Selbstporträt als Sünde. “___STEADY_PAYWALL___

„Meine Figuren haben oft etwas Kaputtes an sich“, sagt Jutta Scheiner über ihre Bilder. Die 1973 im rumänischen Hermannstadt geborene Künstlerin ist eine von fünf Beteiligten an der Ausstellung „Personal Jesus“, die die Staatsgalerie Prenzlauer Berg von Henryk Gericke mit Unterstützung des Kulturamts Pankow derzeit in der Gethsemanekirche zeigt. Vertreten ist sie mit fünf Porträts, die wie künstlerische Fotografien wirken und doch fiktive Personen zeigen.

Dabei hat sie ganz anders angefangen: Weil sie noch nicht ausreichend Bilder für die Bewerbungsmappe an einer Kunsthochschule vorzeigen konnte, absolvierte sie zunächst eine Ausbildung zur Elfenbeinschnitzerin – ein Beruf, der wie aus einer anderen Zeit zu kommen scheint, ihr aber den feingliedrigen Umgang mit Werkzeugen und Materialien beibrachte. Und sie später zum Studium der Bildhauerei an der Kunsthochschule Weißensee führte. Mehr als Arbeiten im dreidimensionalen Raum faszinierten Jutta Scheiner allerdings Flächen und Strukturen auf Leinwänden und so entstanden, neben Materialcollagen, auch immer wieder naturalistische Malereien.

 

Wild und mystisch

Damit heben sich ihre Bilder von den anderen gezeigten Arbeiten ab: Die Männer malen deutlich abstrakter. Frank Siewert lässt mit seinem Gemälde „Losbrechen“ von 1989 die Zeit der „neuen Wilden“ in der Malerei wiederaufleben; das Rohe, Expressionistisch-Ungezügelte ist auch in seinen neueren Arbeiten noch deutlich spürbar. Auf den Leinwänden von Jürgen Eisenacher sind zwar ebenfalls Köpfe zu sehen, doch wirken sie wie aus einer anderen Welt: Verschwommene Konturen, düstere Farben und versetzte Augen erinnern an außerirdische Lebensformen, denen man nicht mitten in der Nacht begegnen möchte.

Fast schon mystisch wirken dagegen die großformatigen Malereien von Ronald Lippok. Dort räkeln sich pausbäckige Putten, mal als Repräsentanten der vier Himmelsrichtungen, mal als „Cosmic Dancer“ tänzelnd in der Schwärze vor Anbeginn jeder Zeit. Mit den Arbeiten von Igor Tatschke blickt man auf menschenleere Straßen, die sich im Horizont aufzulösen scheinen. Was wohl dahinter liegt?

„In Zwiesprache mit seinem Motiv geht der Maler durch sein Bild wie durch einen Spiegel. […] Als Erlöser seiner selbst feiert der Maler jedes Mal aufs Neue seine glückliche Auferstehung vom eigenen Kreuz an Obsessionen und huldigt seinem Personal Jesus in der Geistesgegenwart seines Bildes“, heißt es im Begleittext zur Ausstellung. Wird die Kunst hier zu einer Art Religion – und zu einem Paradies, aus dem man vertrieben werden kann? Im Falle von Jutta Scheiners Malerei wäre es ein höchst lustvoller Sündenfall.

 

Die Ausstellung „Personal Jesus“ ist noch bis zum 23. Mai in der Gethsemanekirche zu sehen; geöffnet ist Montag bis Freitag von 15 bis 19 Uhr und Samstag/Sonntag von 12 bis 18 Uhr. Ein Covid-Test wird nicht benötigt, allerdings gelten die aktuellen Abstands- und Hygieneregeln.

Titelbild: Jutta Scheiner in der Ausstellung (links) / „Selbstporträt als Sünde“ (rechts) / Foto: Julia Schmitz

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