Heimstaden - Wohnblock Wisbyer

„Sie behaupten, ein guter Vermieter zu sein“

von Mona Linke 3. November 2020

Ein schwedischer Immobilienkonzern will 4000 Wohnungen in Berlin kaufen, davon zwölf in Prenzlauer Berg. Der Bezirk soll vorkaufen, fordern Mieter*innen und Lokalpolitiker*innen. Aber ist das realistisch?


„Friendly Homes” – mit dieser Vision wirbt der schwedische Immobilienkonzern Heimstaden auf seiner Website. „Für uns ist ‘freundlich” viel mehr als nur ein Wort”, heißt es weiter.  „Es ist ein Gefühl, das alle unsere Mieter in ihrem Zuhause haben sollten.” „Freundliche Wohnungen” sind so ziemlich das letzte, womit Angelika Schulz* rechnet, wenn der Großkonzern demnächst tatsächlich ihr Vermieter sein sollte. Seit 14 Jahren wohnt die 56-Jährige in der Wisbyer Straße. Von hier aus kämpft sie zusammen mit ihren Nachbarn und allen Mitteln dafür, dass der Verkauf doch nicht vollzogen wird.

Und das hat einen Grund: Seit Jahren laufen Beschwerden gegen das Immobilienunternehmen aus dem schwedischen Malmö ein, die mangelnde Instandhaltung oder Umwandlung in Eigentumswohnungen beklagen. Auch gerät Heimstaden immer wieder in die Schlagzeilen, sei es wegen grundloser Luxusmodernisierungen oder gezielter Verdrängungsstrategien. Genau das fürchtet auch Angelika Schulz: „Natürlich werden wir nicht alle direkt auf die Straße gesetzt werden. Aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Mietpreise enorm steigen”.

 

Zwölf Mietshäuser in Pankow betroffen

Seit 2006 ist Heimstaden schon auf dem Berliner Immobilienmarkt aktiv. Zum großen Schlag hat der Immobilienriese aber erst jetzt ausgeholt: Seit Kurzem ist bekannt, dass der lokale Partner, die Skjerven Group, im Sommer für mehr als 800 Mio. Euro in der Hauptstadt eingekauft und sich dabei insgesamt 157 Wohnhäuser in Berlin gesichert hat. Es ist mit Abstand der größte Immobiliendeal des Jahres und betrifft rund 4000 Wohnungen in den Bezirken Friedrichshain-Kreuzberg, Neukölln, Mitte und Pankow. In letzterem hat Heimstaden auf insgesamt zwölf Mietshäuser ein Auge geworfen, unter anderem in der Czarnikauer Straße, der Cantianstraße, der Wollankstraße – und der Wisbyer Straße. Noch sind die Verkäufe der Pankower Mietshäuser allerdings nicht über den Tisch: Denn noch verhandeln die Skjerven Group und die Baustadträte der betroffenen Bezirke, die sich als Unterstützung bereits den Senat ins Boot geholt haben. So ist auch nach wie vor offen, ob Pankow sein Vorkaufsrecht ausüben und dem Immobilienkonzern zuvorkommen wird. Oder ob Angelika Schulz und Tausende andere Mieter*innen in Berlin künftig einen neuen Vermieter haben werden.

 

Mieter*innen machen mobil gegen den Verkauf 

Wie neun weitere Mietshäuser in Pankow liegt auch Angelika Schulz‘ Wohnung in einem von berlinweit 60 sozialen Erhaltungsgebieten, die eigentlich dazu da sind, Luxusmodernisierungen und damit einhergehende explodierende Mietpreise zu verhindern. „Wofür schafft man solche Gebiete, wenn sich am Ende sowieso kein Mensch drum kümmert?”, ärgert sich Schulz, die sich vom Bezirk im Stich gelassen fühlt. Allein schon, weil sie erst Ende September durch ein Schreiben der Mieterberatung Pankow von dem Verkauf erfahren hat, der sich bereits Monate zuvor ereignet hat.

„Pankow hat noch bis zum 23. November Zeit sich zu überlegen, ob sie vom Vorkaufsrecht Gebrauch machen wollen”, weiß die 56-Jährige inzwischen. Seit zwei Wochen ist Schulz Teil eines Mieter*innen-Netzwerks, das gemeinsam versucht, den Verkauf der Wohnhäuser in Berlin an die Skjerven Group zu verhindern. In der Tat wäre das möglich: Der Bezirk könnte dem Immobilien-Giganten zuvorkommen und die Häuser per Vorkaufsrecht mit Mitteln der städtischen Wohnungsbaugesellschaften erwerben. Grund dazu hätte er jedenfalls, nachdem Heimstaden Ende Oktober abgelehnt hat, eine Abwendungsvereinbarung zu unterzeichnen und damit auf Luxusmodernisierungen oder eine Umwandlung in Eigentum zu verzichten.

Wie realistisch es ist, dass Pankow einspringt, ist eine andere Frage. Schulz jedenfalls glaubt nicht daran, dass der Bezirk tatsächlich tätig wird. Das habe die Erfahrung in anderen Fällen gezeigt.

Heimstaden

In der Wisbyer Straße will Heimstaden einen ganzen Wohnblock kaufen. Foto: privat.

 

Ohne Hilfe von oben geht es nicht 

Einen hohen Stellenwert misst der Bezirk der Angelegenheit allerdings offenbar schon bei. Zusammen mit den anderen betroffenen Bezirken wurden bereits die Senatsverwaltungen für Stadtentwicklung und Wohnen sowie Finanzen und einzelne Abgeordnete mit ins Boot geholt, um über das weitere Vorgehen zu beraten. Außerdem stehe man in Kontakt mit den übrigen Bezirken, sagt Pankows Baustadtrat Vollrad Kuhn auf Anfrage. Dass Pankow dem Käufer aus Schweden zuvorkommt, fordern nicht nur die Mieter*innen, sondern auch die Mehrheit der Bezirksverordneten: Vergangenen Dienstag haben Grüne, SPD und Linksfraktion eine Resolution vorgelegt, in der sie Senat und Bezirksamt auffordern, „alle nötigen Schritte und Vorkehrungen vorzunehmen, um das Vorkaufsrecht (….) zu Gunsten Dritter wahrzunehmen”. Der Bezirk müsse die Bezirke und vor allem die betroffenen Mieter*innen viel stärker als bisher unterstützen, heißt es am Ende des Schreibens.

Dass überhaupt der Senat einspringen soll, hat einen einfachen Grund: Die Summen, die Skjerven in den Ring wirft, sind nur schwer zu stemmen – und schon gar nicht ohne Zuschüsse aus dem Landeshaushalt. Wird es mit der Schlagkraft des Senats also vielleicht doch gelingen, dass der Bezirk vorkauft?

„Das hängt von der Höhe der Kaufpreise ab und der Frage, welches Budget SenFin dafür bereitstellen kann”, sagt Almuth Tharan, Sprecherin für Stadtentwicklung in der Pankower Grünen. „Auch ist noch nicht klar, ob es im Zuge weiterer Gespräche des Senats mit Heimstaden andere Lösungen wie z.B. der Abschluss einer Abwendungsvereinbarung gibt”. Bisher hatte Heimstaden einen solchen zusätzlichen Mieterschutz abgelehnt. Zwar sei der Käufer nicht verpflichtet, eine Abwendungsvereinbarung zuzustimmen, sagt Vollrad Kuhn. Und dennoch: „Das ist für uns so nicht akzeptabel.” In den nächsten Wochen stehen weitere Verhandlungen mit Heimstaden aus, zu denen sich Bezirk und Senat inzwischen “gut abgestimmt” haben, so Kuhn. „Das Bezirksamt hat aktuell noch alle Möglichkeiten”.

 

„Ich erwarte, dass Lösungen gefunden werden“

Welche von denen am Ende ausgeschöpft werden, ist bislang unklar. Frederik Bordfeld, Sprecher für Stadtentwicklung der Pankower Linksfraktion, ist jedenfalls optimistisch: „Ich erwarte, dass Lösungen gefunden werden, in wie vielen Fällen lässt sich für mich gerade nicht abschätzen. Für uns sind alle Häuser gleichwertig”, so Bordfeld.  Dass Heimstaden als fairer, mieterfreundlicher Eigentümer auftreten wird, sollte das Pankower Bezirksamt dem Konzern das Feld überlassen, kann auch er sich nicht ganz vorstellen. „Heimstaden ist ein neuer Spieler auf dem Immobilienmarkt in Berlin. Sie behaupten, ein guter Vermieter sein zu wollen. Dieses Vertrauen muß man sich verdienen, da würde ich mir mehr Bereitschaft erwarten, langfristige Vereinbarungen zu unseren sozialen Erhaltungszielen einzugehen”, sagt Bordfeld und spielt damit auf die Abwendungsvereinbarung an, die Heimstaden bereits abgelehnt hat.

Angelika Schulz und viele andere Mieter*innen in ganz Berlin, deren Wohnungen bald zur Skjerven Group gehören könnten, wollen die Vorkaufsfrist nicht tatenlos ablaufen lassen. Gerade sei man dabei, Eckdaten zu den betroffenen Wohnungen zu sammeln, um selbst bei den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften und bei Genossenschaften anzufragen, ob nicht jemand am Kauf der Mietshäuser interessiert wäre, so Schulz. Nebenbei wollen die Mieter*innen für Aufmerksamkeit sorgen: Mit einem Videodreh, der noch diese Woche stattfinden soll. Und mit einer Demo, die für den 8. November anberaumt ist und bei der betroffene Mieter*innen aus ganz Berlin unter dem Motto “Stop-Heimstaden” gegen den Verkauf protestieren wollen. „In Neukölln haben sie noch rote Tücher aus den Fenstern gehängt”, sagt Angelika Schulz. „Das wollen wir jetzt auch machen”.

Es ist gerade die berlinweite Vernetzung, die die Berlinerin zumindest ein wenig hoffnungsvoll stimmt. Der Gedanke dahinter: Bei so großem öffentlichen Gegenwind muss doch etwas passieren. Oder etwa nicht?

*Name von der Redaktion geändert

Titelbild: privat.

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