Wem gehört die Straße?

von Juliane Schader 7. September 2011

Breitere Fahrradwege, mehr Carsharing, längere Tramlinien, größere Parkzonen – in der Verkehrsplanung denken alle Parteien in neuen Dimensionen.

Am 18. September wird in Berlin gewählt, nicht nur auf Landes-, sondern auch auf Bezirksebene. Doch welche Pläne haben die Parteien, die um die Sitze in der Pankower Bezirksverordnetenversammlung buhlen, für den Bezirk? In fünf Teilen stellen wir ihre Haltungen zu den für Pankow relevanten Themen vor. Befragt haben wir die derzeit in der BVV vertretenen Parteien sowie die Piratenpartei als aussichtsreichen Neuling.

 

In der Kastanienallee bedurfte es bis vor kurzem eines Schlagbaums, anders waren die Kampfradler in der durch die Baustelle völlig unübersichtlich gewordenen Straße nicht mehr zu bändigen. Dabei ist der Umbau eigentlich in ihrem Sinne: Die Radler sollen eine eigene Spur bekommen, die Autofahrer und -parker ein wenig Platz machen, die Tram und ihre Schienen soll sie nicht mehr gefährden. Und das ist nur ein Beispiel für das Umdenken in der Verkehrsplanung, das im Bezirk derzeit zu beobachten ist: durch die Parkraumbewirtschaftung werden die Parkplätze knapp, Carsharing-Unternehmen und Mietfahrräder bekommen kostenlose Standplätze auf öffentlichem Straßenland und Nebenstraßen wie die Choriner Straße werden zu Fahrradstraßen erklärt. Die Zukunft des Verkehrs scheint den alternativen Fortbewegungsmöglichkeiten zu gehören – oder?

 

SPD

Die SPD setzt auf die Entwicklung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) und dessen weiteren Ausbau. Entscheidend sei, den Verkehr stärker für alle Nicht-Autofahrer zu planen, heißt es – etwa, indem Fahrradstraßen und verkehrsberuhigte Bereiche angelegt und die Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung geprüft würden. Letztere sorge schließlich dafür, dass Berufspendler nicht mehr mit dem Auto, sondern mit der Bahn zu ihrem Arbeitsplatz in den Prenzlauer Berg führen und schränke den Verkehr auf der Suche nach Parkplätzen ein. Darüber hinaus fordert die Partei bessere Anschlüsse und barrierefreie Umsteigemöglichkeiten zwischen den verschiedenen Verkehrsmitteln und eine Entschärfung von Unfallschwerpunkten wie der Kreuzung Bornholmer Straße/Schönhauser Allee/Wisbyer Straße. Zudem sollten die bezirklichen Radwege besser an das überörtliche Radwegenetz Berlins angebunden und die Verkehrssicherheit von Radlern und Fußgängern weiter erhöht werden. Als besonders wichtig stuft die SPD die Schulwegsicherung und die barrierefreie Gestaltung von Verkehrsmitteln und öffentlichem Straßenland ein.

 

Linke

Die Linken glauben, dass sich die Art und Weise, wie wir uns fortbewegen, weiter verändern werde. Schon jetzt würden in Pankow im Individualverkehr 21 Prozent der Wege mit dem Rad zurückgelegt – daran müssten die Straßen angepasst und demnach fußgänger- und fahrradfreundlicher gestaltet werden. Die dafür nötige Einschränkung des Autoverkehrs sei mit administrativen Mitteln jedoch nicht erreichbar, wie man am Beispiel Parkraumbewirtschaftung sehen könne. Diese habe zwar den Verkehr auf der Suche nach Parkplätzen verringert, aber keine neuen geschaffen. Daher müsse das Angebot des ÖPNVs so ausgebaut und attraktiv gemacht werden, dass es sich einfach nicht mehr lohne, in der Stadt mit dem Auto zu fahren. Um dies zu erreichen, fordert die Linke Park-and-Ride-Angebote für die Pendler aus Brandenburg an den S-Bahnhöfen Heinersdorf, Blankenburg und Buch. Zudem solle das Straßenbahnnetz im mittleren Teil des Bezirkes ausgebaut werden, etwa durch den Neubau einer Strecke von Alt-Pankow über Heinersdorf nach Alt-Weißensee und eine Verlängerung der M2 mit Verbindung zum nördlichen Pankower Straßenbahnnetz sowie der M1 nach Wittenau.

 

Grüne

Zu Fuß, mit dem Rollstuhl, dem Rollator, dem (Lasten-)Fahrrad oder der Rikscha, mit S-Bahn, U-Bahn, Straßenbahn, mit dem Bus, dem Taxi, dem Carsharing-, dem Leih- oder auch dem eigenen Auto – so bewegt man sich künftig in Pankow“, meinen die Grünen. Ihr Ziel ist die sichere und barrierefreie Mobilität für alle. Schwerpunkte setzt die Partei bei den Fußgänger, Radlern und dem ÖPNV, die schon jetzt zwei Drittel des Gesamtverkehrs ausmachten. Jedoch, das wissen auch die Grünen, gehört auch das Auto zur Mobilität des 21. Jahrhunderts. Die Partei meint aber, gerade in der Innenstadt könne es ruhig mit anderen geteilt oder elektrisch angetrieben werden. Carsharing sei Teil des öffentlichen Verkehrs, genauso wie Taxis oder Fahrradverleihsysteme im Umweltverbund. Als Herausforderung sehen die Grünen den Liefer- und Wirtschaftsverkehr an. In Zusammenarbeit mit den Gewerbetreibenden vor Ort wollen sie neue Verteilsysteme testen, die zu einer Reduzierung des Verkehrs beitragen sollen.

 

CDU

Die CDU meint, wer ein nachhaltiges und zukunftsfähiges Verkehrskonzept erstellen wolle, der dürfe nicht einem Verkehrsmittel den absoluten Vorrang einräumen. Statt dessen gelte es, das Spannungsverhältnis zwischen dem Wunsch der Menschen nach individueller Bewegungsfreiheit und den Gegebenheiten einer Großstadt wie Berlin möglichst im Sinne aller zu lösen. Um dies zu erreichen, plädiert die Partei für den Ausbau des ÖPNV inklusive der Erweiterung des Tramnetzes, einer besseren Anbindung der Pankower Außenbereiche und der Reaktivierung der Heidekrautbahn. Die historisch gewachsenen Stadtteil- und Ortskerne müssten vom Durchgangs- und Schwerlastverkehr entlastet und Carsharing-Angebote ausgebaut werden. Statt neuer Fahrradstreifen fordert die CDU den Ausbau der Angebotsstreifen für Radler auf Haupt- und Nebenstraßen. Zudem müsse es mehr Möglichkeiten geben, sein Rad abzustellen, insbesondere an stark frequentierten Punkten wie S- und U-Bahnhöfen, sowie mehr Querungshilfen für Fußgänger insbesondere an Schulen, Kitas und Bahnhöfen.

 

FDP

Die FDP ist kein Freund der Parkraumbewirtschaftung, hält ihre Abschaffung aber angesichts der bereits getätigten Investitionen für unwirtschaftlich. Statt dessen will sie den Parkern Luftlöcher schaffen, etwa durch eine Verkürzung der gebührenpflichtigen Parkzeiten auf 21.00 Uhr und die Einführung einer Brötchentaste ein, die kostenloses Kurzparken ermöglichen soll. Darüber hinaus fordert sie, die Anwohnerparkausweise für Gewerbetreibende auf deutlich mehr als zwei Personen auszudehnen. Durch diese Entspannungsmaßnahmen soll sich auch die derzeit angespannte Parksituation in den an die Parkzonen angrenzenden Gebieten entspannen. Zudem sprechen sich die Liberalen für ein Modellprojekt „Schilderfrei“ aus, in dem nach dem Vorbild anderer Großstädte die Nutzung einer gemeinsamen Verkehrsfläche für alle Verkehrsteilnehmer erprobt werden soll. Für die Kastanienallee fordert die FDP einen sofortigen Baustopp, bis das Bürgerbegehren bzw. der Bürgerentscheid abgeschlossen sind. Wie der Umbau der Straße dann genau erfolgen soll, da sei die FDP gesprächsbereit, heißt es.

 

Piraten

Die Piraten sind der Meinung, jeder solle das Verkehrsmittel nutzen, das er möchte. Das gelte auch für private Autos, die insbesondere für Familien oft unverzichtbar seien. Durch Carsharing und Taxen könne man hier aber alternative Angebote schaffen, die der Bezirk etwa durch Parkraumprivilegien für gemeinsam genutzte Fahrzeuge fördern könne. Darüber hinaus setzt sich die Partei für einen fahrscheinlosen, zuverlässigen ÖPNV mit angemessener Netzdichte, Taktung und Kapazität ein, und hofft, dass durch dieses Angebot dessen Nutzung weiter zunimmt. Einsparpotentiale sehen die Piraten in der Nacht und auf wenig nachgefragten Strecken durch den Einsatz von Kleinbussen oder Taxen. Fahrräder als preiswerteste, gesündeste und häufig auch schnellste Art, um bei kürzeren Strecken ans Ziel zu kommen, sollten mehr Verkehrsfläche erhalten, meinen sie.

 

Bisher in der Reihe zur Bezirkswahl erschienen:

Mehr als Mangelveraltung? Zur Zukunft der Pankower Schulen

Pankows Verwaltung: Kein Geld, viele Wünsche

Stadtentwicklung: Politisch gewollt oder außer Kontrolle?

Gitter für den Miethai -wie kann Wohnen bezahlbar bleiben?

 

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