„Bei 100 Grad stirbt das Mistvieh von Virus“

von Sarah Schaefer 2. Juli 2020

Kein Schwitzen in Corona-Zeiten: Eine Saunabetreiberin in Prenzlauer Berg fürchtet um die Existenz der Berliner Saunen.


Im Mai wurde Sandra Wollgast unruhig. Die Betreiberin des Saunabads in der Rykestraße hatte die in Berlin beschlossenen Lockerungen genau verfolgt und gehofft, dass sie irgendwann grünes Licht bekommen würde, um ihre Sauna zu öffnen. Doch Fehlanzeige. Mittlerweile ist in Berlins Straßen längst das Leben zurückgekehrt. Menschen sitzen in Cafés und Restaurants, Friseure, Bars und sogar manche Schwimmbäder durften ihre Türen wieder öffnen. Geschlossen bleiben müssen Clubs, Bordelle – und Saunen.

„Die Zukunft von allen Berliner Saunen steht auf dem Spiel“, sagt Sandra Wollgast. Seit Mitte März steht ihre Sauna leer, ihre Mitarbeiter*innen musste sie in Kurzarbeit schicken. Die Kosten für Miete und Strom laufen weiter, auch wenn einer der Vermieter und der Stromanbieter ihr bei den Zahlungen ein wenig entgegengekommen seien. 

 

Saunagänger*innen können nach Brandenburg ausweichen

Immer wieder werde sie auf der Straße von Stammkund*innen angesprochen, die wissen möchten, wann es wieder los geht. „Ich kann dann nur sagen, dass ich es auch nicht weiß“, sagt Sandra Wollgast. „Manche Leute kommen zwei- bis dreimal die Woche zu mir. Die brauchen das.“ Wer auf den Saunabesuch nicht verzichten möchte, kann nach Brandenburg ausweichen. Dort ist der Betrieb von Trockensaunen seit Juni erlaubt – ein Problem für die Berliner Saunabetreiber*innen.

In der Stadt gebe es ohnehin nicht mehr viele Saunen, sagt Wollgast. Viele hätten in den vergangenen Jahren aufgegeben, übrig seien noch knapp 20, wenn man Saunen in Fitnessstudios und Hotels nicht dazuzählt. Einige davon befinden sich in Prenzlauer Berg: Neben Wollgasts Saunabad sind das die Gewölbesauna im Keller des Bezirksamts in der Fröbelstraße und das Olivin am Pfefferberg. Im Bezirk gibt es außerdem die Promenadensauna auf der Prenzlauer Promenade und das Saunarium am Rathaus Pankow. Die Thermen am Europa-Center in Charlottenburg werden künftig in der Berliner Saunalandschaft fehlen: Sie haben Insolvenz angemeldet.

 

Auf das gemeinsame Schwitzen müssen Sauna-Fans in Berlin derzeit noch verzichten. Foto: Sandra Wollgast

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Warten auf Begründung des Senats

Was Sandra Wollgast und ihren Kolleg*innen besonders bitter aufstößt: Bisher habe der Senat seine Entscheidung nicht erklärt. In einem gemeinsamen Brief hatten die Saunabetreiber*innen sich an die Senatsgesundheitsverwaltung gewandt und um eine Begründung gebeten.

Die Antwort fiel schwammig aus: „Der Senat ist berufen und verpflichtet (…) sowohl die festgesetzten Maßnahmen fortlaufend zu evaluieren als auch auf neue und gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse einzugehen“, heißt es in dem Schreiben. Und weiter: „Zu der Frage, wann und unter welchen etwaigen Voraussetzungen Saunen wieder öffnen können, ist die Evaluierung in den hiesigen Fachgremien noch nicht vollständig abgeschlossen (…)“ Eine Anfrage der Prenzlauer Berg Nachrichten an die Senatsgesundheitsverwaltung blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet.

 

„Nackt hält man automatisch Abstand“

Stefan Klatt, der seit 27 Jahren die Gewölbesauna in der Fröbelstraße betreibt, gibt sich trotz der monatelangen Schließung gelassen. Doch auch er sagt: „Ich finde es nicht fair, dass der Senat die Sache nicht begründet.“ Die Menschen, die hinter dieser Entscheidung stünden, seien wohl keine Saunagänger*innen, mutmaßt er.

Die Saunabetreiber*innen sind überzeugt: Saunieren ist auch in Corona-Zeiten eine gesunde Angelegenheit. Bei der trockenen Luft und den hohen Temperaturen habe Covid-19 keine Chance. Oder, wie Sandra Wollgast es formuliert: „Bei 100 Grad stirbt das Mistvieh von Virus.“ Die Saunen hätten bereits Hygienekonzepte entwickelt – in den meisten Berliner Saunen sei ausreichend Platz, um die Abstandsregeln einzuhalten. Distanz sei ohnehin kein Problem: „Die Leute sind nackt, da hält man untereinander automatisch Abstand“, sagt die Saunabad-Betreiberin. Die Sauna sei ein Ort, an dem die Gesundheit an erster Stelle stehe.

Sandra Wollgast, Stefan Klatt und einige andere Betreiber*innen wehren sich nun auf juristischem Weg. In der vergangenen Woche haben sie vor dem Berliner Verwaltungsgericht einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. So wollen sie die Wiedereröffnung der Saunen durchsetzen – natürlich unter Einhaltung der Hygienevorschriften. 

 

Foto: Sandra Wollgast vor ihrer Sauna. An der Scheibe hängt großformatig das Antwortschreiben des Senats.  © privat

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