Mauerfall

Die Mauer ist weg

von Julia Schmitz 10. September 2019

In Berlin werden in diesem Herbst 30 Jahre Friedliche Revolution und Mauerfall gefeiert – nicht nur in Prenzlauer Berg. Wir haben die Highlights aus Ausstellungen, Konzerten und Aktionen in der Stadt für euch zusammengefasst.


Dies ist ein Text aus unserer Reihe
„Mauerfall revisited“


Nach der wohl berühmtesten Stammelei der Geschichte – „Das trifft nach meiner Kenntnis, …ist das sofort, unverzüglich“ – öffneten sich am Abend des 9. November 1989 die Grenzen zwischen der DDR und der Bundesrepublik, klirrten Sektgläser, flossen Tränen. Für die einen ging der größte Wunsch in Erfüllung, für die anderen brach eine Welt zusammen. Dreißig Jahre später mag etwas Gras über die Sache gewachsen sein, doch die Wunde ist noch nicht verheilt.

Wir erinnert man sich nach dieser Zeit, in der eine ganze Generation ohne Mauer aufgewachsen ist, an die Ereignisse von damals? Wie gedenkt man den gesellschaftlichen Umbrüchen, der damit verbundenen Freude und der Enttäuschung, ohne in eine nostalgische Folklore abzudriften? Im Herbst 2019 erreichen die Veranstaltungen rund um 30 Jahre Friedliche Revolution und Mauerfall in Berlin ihren Höhepunkt. Wir haben aufgelistet, welche davon für Prenzlauer Berg besonders relevant sind und welche wir über die Bezirksgrenze hinaus empfehlen.

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September

3.9-8.10.
„Berlin – Hauptstadt der DDR“
Filmreihe im Babylon Kino (Mitte)
Welchen Eindruck vermittelte die DEFA in ihren Filmen über das Leben in der Hauptstadt der DDR? Jeden Dienstag von Anfang September bis Anfang Oktober zeigt das Kino Babylon am Rosa-Luxemburg-Platz cineastische Klassiker, darunter „Solo Sunny“, „Hostess“ und „Sonnenallee“. Im Anschluss diskutiert Moderator Knut Elstermann mit Filmemachern und Schauspieler*innen über das Bild der DDR im Film.

ab 8.9.
„30 Jahre Friedliche Revolution“
Interaktives Projekt der Künstlerin Karla Sachse (Pankow)
Viele der Akteur*innen rund um die Friedliche Revolution und den Fall der Berliner Mauer leben noch – oder wieder – im Bezirk Pankow. Karla Sachse hat diese Menschen ausfindig gemacht und mit ihnen über den Herbst 1989 und die politischen Umwälzungen gesprochen, diese können auf einer Webseite nachgelesen werden. Zusätzlich weisen temporäre Aufkleber auf den Gehwegen auf relevante Orte hin, ein QR-Code leitet auf das jeweilige Interviews.

ab 13.9.
„No Photos on the Dancefloor. Berlin 1989 – Today“
Ausstellung bei C/O Berlin (Charlottenburg)
Mit dem Fall der Mauer wurde Berlin zu einer einzigen Spielwiese: In alten Kellern, ruinösen Häusern und Gewölben entstanden Galerien, Bars und Clubs, die das Bild der Stadt bis heute prägen. Die C/O Berlin spürt dem Geist dieser Zeit des wilden Aufbruchs mit Fotografien unter anderem von Martin Eberle, Sven Marquardt, Wolfgang Tillmans und Carolin Saage nach.

18.9.
„25 Wanderungen auf dem Berliner Mauerweg“
Lesung in der Stiftung Berliner Mauer (Mitte)
160 Kilometer umfasst der Berliner Mauerweg, der den ehemaligen Grenzstreifen markiert und den man heutzutage zu Fuß oder mit dem Fahrrad entlang fahren kann. Die Stadtmagazine tip und Zitty haben das getan und aus ihren Erlebnissen ein Buch gemacht, das sie an diesem Abend im Schatten der Mauer an der Bernauer Straße vorstellen.

26.9.
„He, du Glückliche! 29 Lebensgeschichten“
Lesung im Georg Büchner Buchladen (Prenzlauer Berg)
1977 veröffentlichte Maxi Wander ihren Interviewband „Guten Morgen, du Schöne“, in dem sie Frauen verschiedenen Alters in der DDR über ihren Alltag, ihre Sorgen und Wünsche befragt. Vier Jahrzehnte später haben Monika Stenzel und Ulrike Jackwerth es ihr gleichgetan und ostdeutsche Töchter, Mütter und Großmütter davon erzählen lassen, wie sie die gesellschaftlichen Umwälzungen erlebt haben und was diese für die nachfolgende Generation bedeutet.

27.-28.9
„Poesie des Untergrunds. Prenzlauer Berg kontrovers 1976-1990“
Filmabend in der Gethsemanekirche (Prenzlauer Berg)
War der Dichterkreis von Prenzlauer Berg nur eine Erfindung der Stasi, um die Künstler*innen besser im Blick zu behalten? Der Dokumentarfilm von Matthias Aberle lässt die Protagonisten der Zeit selbst zu Wort kommen, darunter Harald Hauswald, Cornelia Schleime und Sascha Anderson. Er fragt danach, wie sie rückblickend ihre Rolle betrachten und wie sie sich in der neuen Ordnung nach 1989 zurechtgefunden haben.

Foto: Wikimedia Commons / Jurek Durczak

Oktober

1.10.
„Nachwendekinder. Die DDR, unsere Eltern und das große Schweigen“
Lesung mit Johannes Nichelmann im Museum der Kulturbrauerei (Prenzlauer Berg)
Wie wird heute über die DDR gesprochen und sich ihrer erinnert? Wie geht man damit um, dass der eigene Vater für die Stasi gespitzelt hat? Johannes Nichelmann, preisgekrönter Journalist und selbst Jahrgang 1989, spürt in seinem Buch den blinden Flecken ostdeutscher Familiengeschichten nach.

25.-27.10.
„Das Ellenbogen-Prinzip“
Performance von Tanja Krone in den Sophiensälen (Mitte)
„Ihr müsst jetzt lernen, die Ellenbogen auszufahren!“ hörte Tanja Krone nach dem Fall der Mauer ständig, mit 13 Jahren ein einprägsames Mantra. Doch was heißt das eigentlich: Ellenbogen ausfahren? 30 Jahre später hat sie Familie, Freunde und Lehrer*innen danach gefragt und die Ergebnisse zu einem Bühnenstück verarbeitet.

30.10.
„Hufeland Ecke Bötzow“
Lesung mit Lea Streisand im Pfefferberg Theater (Prenzlauer Berg)
Wie kann man als Kind verstehen, dass es zwei Deutschlands gibt, die durch eine Mauer getrennt sind, warum die Eltern immer so geheimnisvoll in der Küche tuscheln und was der real existierende Sozialismus sein soll? In ihrem neuen Roman lässt Lea Streisand, selbst in der Hufelandstraße aufgewachsen, die Deutsche Demokratische Republik aus Kinderaugen wiederauferstehen.

31.10.
„Paul und Paula – Eine Legende“
Sprechtheater in der WABE (Prenzlauer Berg)
„Paul und Paula“ zählt wohl zu den schönsten Liebesgeschichten des deutschen Films – auch 46 Jahre nach der Premiere noch. Rike Schuberty interpretiert den Kultfilm neu in einer Mischung aus Theater, Livemusik und Puppenspiel.

Mauerfall

Das Brandenburger Tor am 1. Dezember 1989 / Foto: Wikimedia Commons, F. Lee Corkran

November

4.-10.11.
30 Jahre Friedliche Revolution und Mauerfall“
Offizielle Festwoche (diverse Orte)
Nach der Ballonlichtergrenze zum 25-jährigen Jubiläum dehnt die Stadt Berlin die Feierlichkeiten zum 30. Jahrestag von Friedlicher Revolution und Mauerfall auf eine ganze Woche aus: An sieben Orten in der Stadt, die für den Herbst 1989 eine zentrale Rolle spielen, gibt es Ausstellungen, Videoprojektionen, Konzerte, Führungen und Mitmachangebote für alle Altersgruppen. Highlights sind unter anderem das Konzert von Patti Smith und Tony Shanahan, das am 5. November in der Gethsemanekirche in Prenzlauer Berg stattfindet, sowie die Bühnenshow am Brandenburger Tor am 9. November mit der Staatskapelle unter Leitung von Daniel Barenboim sowie WestBam – mit anschließenden Parties in 27 Clubs der Stadt.

4.11.
„Ost-Berlin. Revue einer verpassten Gelegenheit“
Lesung & Gespräch in der Volksbühne mit Marion Brasch und Milan Peschel (Mitte)
Vor 30 Jahren organisierte die Volksbühne gemeinsam mit anderen Theatern die große Versammlung auf dem Alexanderplatz; an diesem Abend erinnert ein „postrevolutionärer Kessel Buntes“ aus Musik, Film und Theater daran. Zu Gast sind unter anderem die Bolschewistische Kurkapelle Schwarz-Rot, Jürgen Kuttner, Funny von Dannen, Knorkator und Ostberlin Androgyn.

7.-8.11.
„Von der langen Reise auf einer heute überhaupt nicht mehr weiten Strecke“
Theater im Theater unterm Dach (Prenzlauer Berg)
Was passiert, wenn Menschen mit unterschiedlicher Prägung lernen müssen, miteinander zu leben? Wie kommt es, dass das Gefühl der Heimatlosigkeit und Fremdheit trotz Integration bestehen bleiben kann? Henriette Dushe betrachtet die „Flüchtlingsdebatte“ aus der Perspektive, dass auch Deutsche während des zweiten Weltkriegs und Ende der 1980er geflüchtet sind.

8.11.
„Helga Paris. Fotografin“
Ausstellung in der Akademie der Künste am Pariser Platz (Mitte)
In den 1960er Jahren brachte Helga Paris sich das Fotografieren bei und wurde in den kommenden Jahrzehnten zu einer der wichtigsten Chronistinnen des ostdeutschen Alltags. Die Akademie der Künste widmet ihr die erste Retrospektive in ihrer Heimatstadt und zeigt 275 Arbeiten der Künstlerin aus dem Zeitraum von 1986 bis 2011.

9./10.11.
OstArt
Musikfestival im Projektraum HO Berlin (Mitte)
Das OstArt-Festival widmet sich zwei Tage lang der DDR-Subkultur: Mit (Post-)Punk, Avantgarde und New Wave-Konzerten, Lesungen, einer Kunstausstellung und Filmen aus dem Untergrund – passenderweise in den Räumen eines alten HO-Geschäftes auf der Holzmarktstraße.

 

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