Schlachthof

Früher Schlachtung, heute Meeting

von Katharina Angus 25. Oktober 2022

Erkämpft, geteilt, verkauft – die Geschichte des alten Berliner Zentralvieh- und Schlachthofs an der Landsberger Allee könnte Romane füllen. Aber wie geht es weiter mit dem denkmalgeschützten Areal?


„Ende” hat ein Graffiti-Künstler auf die Scheibe des Bahn-Ausgangs an der Landsberger Allee gesprüht. Wer von den Stufen vor der Brachfläche aus auf die andere Straßenseite blickt, sieht vor allem einen gigantischen Glaskasten. Davor stehen drei kleine Hallen, auf der Fassade eines der Backsteingebäude prangt das Konterfei eines Schweins. In diesen Hallen, die zum Berliner Zentralvieh- und Schlachthof gehörten, wurden zwischen 1881 und 1991 Nutztiere geschlachtet, die mit der Ringbahn aus Ost- und Westpreußen, Pommern und Brandenburg nach Berlin transportiert wurden.

In Betrieb genommen1881, auf Anregung und nach jahrelangen Bemühungen des Berliner Arztes Rudolf Virchow, sollte er die unhygienischen Hinterhofschlachtungen ablösen. Der Schriftsteller Alfred Döblin schrieb in seinem Roman „Berlin Alexanderplatz“: „Die Rinderhalle, die Schweinehalle, die Schlachträume: Totengericht für die Tiere, schwingende Beile, du kommst mir nicht lebend raus.“ Nach dem zweiten Weltkrieg fungierte das Gelände weiterhin als Schlachthof und wurde 1963 in der DDR ins VEB Fleischkombinat Berlin eingegliedert.

Nach der Wende stellte der Senat das gesamte Gelände unter Denkmalsschutz und teilte es in fünf verschiedene Entwicklungsgebiete auf. „Eigentlich stehen die alten Schlachthallen als Ensemble unter Denkmalschutz“, sagt Filip Stahl vom Gemeinschaftsgarten „Kunst und Gemüse“. Man habe dennoch Gebäude davor gebaut, obwohl die Sicht auf die Hallen nun verstellt sei.

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„Nichtnochncenter“

Stahl gehört auch zur früheren Bürgerinitiative „Nichtnochncenter“, die zwischen 2016 und 2019 aktiv war. „Wir hatten aus eigenem Antrieb den Bezirk bezüglich der Hallen kontaktiert, weil wir uns dort gut einen Ort für verschiedene Freizeitaktivitäten vorstellen konnten. Der Bezirk teilte uns mit, das Gelände sei in privater Hand.“

Damaliger Besitzer war seit 2008 die Firma UBX 2 Objekt Berlin GmbH, die sich aus verschiedenen Gesellschafter*innen zusammensetzte. Die Initiative erfuhr, dass diese Investor*innen ein Shoppingcenter für das Areal planten, obwohl es zu diesem Zeitpunkt bereits über siebzig Einkaufshallen in Berlin gab.

Die Gruppe um Stahl regte eine Prüfung der Rückabwicklung des Vertrages an. Entscheidend für eine solche ist, ob sich eine ernsthafte Bemühung des Käufers erkennen lässt, tatsächlich auf dem Grundstück zu bauen. Auf eine Einwohneranfrage zum nachhaltigen Baubeginn antwortete das Pankower Bezirksamt am 14.07.2017: „Ob Reparaturen und Instandsetzungsmaßnahmen vertragsrechtlich als Baubeginn zählen, kann das Bezirksamt nicht beantworten, da es nicht Vertragspartner ist.“ Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen habe am 09.06.2017 jedoch deutlich gemacht, dass sie ‚nachhaltige Baumaßnahmen‘ erwartet.

Im April 2018 brach in den alten Schlachthallen ein Feuer aus, das gelöscht werden konnte, ohne den Hallen substantiell zu schaden. Die Polizei ermittelte wegen Brandstiftung gegen Unbekannt, stellte das Verfahren jedoch im Juli desselben Jahres ein. Der bisherige Investor verkaufte das Areal daraufhin an das Unternehmen HB Reavis. Dessen Gründer und Mehrheitsgesellschafter ist der slowakische Milliardär Ivan Chenko.

 

Nachhaltigkeit als Geschäftsmodell?

Die Firma entwickelt Projekte in verschiedenen Ländern, unter anderem in Großbritannien, Türkei und Tschechien. In Prag hatte der von HB Reavis initiierte Abriss des vorübergehend denkmalgeschützten brutalistischen Gebäudekomplexes der „Transgas“ zu heftigem Protest von Bürger*innen geführt. Auf ihrem Teil des Alten Schlachthof Berlins will das Unternehmen nun ein „holistisches Quartier“ mit Büroplätzen und Gastronomie errichten: Das „DISTRCT.Berlin“ bezeichnet die PR-Abteilung des Unternehmens als nachhaltiges und nutzerorientiertes Projekt.

Die Mitarbeiterin Anja Strauss sagt: „Die Hallen des alten Schlachthofs wurden, beziehungsweise werden, vollumfänglich saniert und sind mitunter Teil des Areals. Die bauliche Struktur wurde in Abstimmung mit dem Denkmalschutz beibehalten.“ Auch mit den Bürger*innen vor Ort sei man in Austausch getreten. Davon hat Filip Stahl wenig bemerkt: „Als intensiv würde ich den Dialog nicht bezeichnen“, so Stahl. Beim Tag der Offenen Tür hätte sich allerdings ein Gespräch mit dem Bauleiter ergeben.

 

Der Trend geht weniger Vokalen

Ein schmaler Streifen am Gebäude der historischen „Freibank“ an der Landsberger Allee ist noch immer im Besitz des Landes Berlin. Diesbezüglich zeigte sich HB Reavis offen, nach Abschluss der Bauarbeiten über ein Konzept für „Urban Gardening“ nachzudenken. Grünes Aushängeschild für Gewerbeimmobilien wolle man laut Stahl aber auch nicht sein. Zumal die Initiative ihr ursprüngliches Ziel bereits erreicht hätte: „Durch die gemeinsame Arbeit hat man sich ausgetauscht und die Nachbar*innen kennengelernt. Da sind einige Freundschaften und gemeinsame Projekte entstanden – eigentlich genau das, was wir mit unseren Plänen für den alten Schlachthof im Sinn hatten“, so Stahl.

Den Plänen der HB Reavis sieht er optimistischer entgegen als denen ihrer Vorgänger*innen. Während man sich in Prenzlauer Berg noch fragt, wie das am New Yorker Meat Packing District angelehnte „DSTRCT“ sich in der Nachbarschaft machen wird, plant die HB Reavis ihr nächstes Berliner Projekt – PLTFRM. Wenn der Trend, die Vokale aus Titeln herauszunehmen, längst gestorben ist, werden diese Namen vielleicht zu ihrem eigenen Denkmal.

Titelbild: Katharina Angus

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