Digitalisierung Bezirksamt

Zwischen Tablets und Papierakten

von Mona Linke 25. Januar 2021

Von Karteikarten und Fax zum Live-Stream aus dem Bezirksparlament: Wie digital arbeiten die Ämter in Pankow?


„Aus datenschutzrechtlichen Gründen keine Bildübertragung möglich”. Bereits seit einer Viertelstunde ziert der Schriftzug in großen Druckbuchstaben den Laptop-Bildschirm. Inzwischen ist es 17.34 Uhr, ein Mittwochnachmittag. Seit vier Minuten läuft sie eigentlich, die Sitzung der Bezirksverordneten Pankow – und zum ersten Mal soll die öffentliche Tagung live auf heimische Computer übertragen werden. Ist man im richtigen Kanal? Fängt die Sitzung vielleicht erst später an? Nein, 17.30 Uhr, da steht es. Weiter starrt man gebannt auf den Bildschirm und es schwirren einem schon die ersten stigmatisierenden Gedanken durch den Kopf: Naja, das war ja irgendwie zu erwarten. Behörden und Digitalisierung eben.

Zumindest, alleine ist man nicht: 22 Zuschauer haben sich bereits in den YouTube-Stream eingeklinkt, ein paar von ihnen diskutieren schon hitzig im dazugehörigen Chat in der Randspalte: Ist das wegen Datenschutz? Da möchte wohl ein Bezirksverordneter die Rechte an seinem Bild nicht herausgeben? Und dann plötzlich, um 17.36 Uhr – man hat die Hoffnung eigentlich schon aufgegeben – ist das Bild da: hochauflösend, in satten Farben, vollkommen störungsfrei. Vor lauter Begeisterung über die glasklare Tonqualität und die – man bemerke – automatische Kameraführung vergisst man beinah das Zuhören. Wer hätte das gedacht!

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Zugegeben: Es mag ein kleiner Schritt für die Menschheit sein, aber doch ein meilenweiter für die Lokalpolitik von Pankow. Schließlich war der Weg zum ersten öffentlich zugänglichen Online-Livestream ziemlich steinig: Zwar erlaubt die Geschäftsordnung der BVV Pankow bereits seit 2017 Livestreams aus den öffentlichen Tagungen. Bislang machte jedoch die Technik dem Ganzen einen Strich durch die Rechnung, wie Bezirksstadtrat Torsten Kühne auf Anfrage erklärt: „Bevor dieses Angebot umgesetzt werden konnte, mussten mehrere Fragen geklärt werden. Es war bisher den Anbietern von Telekommunikationsdienstleistungen nicht möglich, eine entsprechende Leitungsanbindung anzubieten, die eine flüssige Darstellung von Bild und Ton gewährleistet”, so der CDU-Politiker. Man beschaffte also einen Mobilfunkvertrag, Router und Kameras – und dann war es endlich möglich und die BVV konnte tatsächlich digital übertragen werden. Als „Probelauf”, sagt Torsten Kühne. Und weil der ziemlich glatt verlaufen ist, könnte der Livestream aus der BVV jetzt zum Alltag werden.

Digitalisierung - Livestream aus dem Bezirksamt. Screenshot: YouTube

Livestream aus dem Bezirksamt. Screenshot: YouTube

 

Home-Office ist nach wie vor so gut wie unmöglich

Eine Hürde auf dem Weg in die digitale Gegenwart wäre damit genommen. Und das wurde auch höchste Zeit: Schließlich befindet sich die Welt seit zehn Monaten in einer Pandemie, Digitalisierung am Arbeitsplatz ist quasi zur Pflicht geworden. Trotzdem – und es dürfte nur die wenigsten verwundern – hinken die öffentlichen Behörden bei dem Thema hinterher. Vor allem, weil es nach wie vor an grundlegender Ausstattung fehlt, um überhaupt Anlauf für den Sprung ins digitale Zeitalter zu nehmen.

Weder im Senat noch in den Bezirken kann von einer “Home-Office”-Strategie zur Vermeidung von Kontakten die Rede sein: Wenn es nicht an Smartphones und Laptops fehlt, dann an der nötigen Software. Da bildet auch der Bezirk Pankow keine Ausnahme: Gerade mal zehn Prozent der Dienstkräfte aus dem Bezirksamt können aktuell mobil, also von zu Hause aus arbeiten, wie Torsten Kühne erklärt. Um flächendeckend mobil zu arbeiten, sei die Ausstattung „noch nicht annähernd ausreichend”, so der Bezirksstadtrat.

Immerhin: Über 5.000 zusätzliche Notebooks hat der Bezirk inzwischen geordert. Und wenn die Geräte erst einmal angekommen sind, wären laut Kühne rund 30 Prozent der Dienstkräfte mobil arbeitsfähig. Eigentlich: Denn neben der Hardware muss auch die Software funktionieren, ein allseits bekanntes Problem in den Berliner Behörden. Noch seien nicht alle IT-Fachverfahren auch im Home-Office möglich, sagt Kühne. Und langfristig werde es wohl auch nicht allen Ämtern gelingen, größtenteils mobil zu arbeiten. Allein schon, weil für viele Verwaltungsleistungen eine Vorstellung vor Ort nötig ist. Das betrifft zum Beispiel das Ordnungsamt und die Bürgerämter.

 

Das jüngste technische Highlight im Bürgeramt: Unterschriften-Tablets

Vor allem letztere werden ja ohnehin gern als Inbegriff behördlicher Schwerfälligkeit herangezogen. Aber wie viel Wahrheit steckt eigentlich noch in dem Klischee, das über die Berliner Bürgerämter existiert? Regieren dort wirklich noch kiloschwere Leitz-Ordner und veraltete Windows-Computer?

Nach der Wende hatten wir noch Karteikarten im Ostteil, während im Westteil schon EDV-Verfahren implementiert wurden”, erinnert sich Mark Elstermann, der das Bürgeramt Pankow leitet und gleichzeitig seit zwei Jahren Fachbereichsleiter aller Berliner Bürgerämter ist. Mittlerweile sei das Bürgeramt Pankow aber technisch sehr gut aufgestellt. So gebe es zum Beispiel Fingerabdruckscanner, Lesegeräte und Änderungsterminals für Chips in Pässen. Und, naja, die Standardausstattung eben: PC, Maus, Tastatur und Laserdrucker. Die wohl größte technische Errungenschaft im Bürgeramt Pankow ist ein Unterschriftentablet für elektronische Signaturen. Um die für sein Bürgeramt zu gewinnen, hat der Bezirk sie sogar „aus eigener Anstrengung heraus” eingeführt, erklärt Vollrad Kuhn. Will heißen: Mit eigenen finanziellen Mitteln, der Senat wollte für das Projekt nämlich kein Geld stellen.

 

Papierakten sind die Ausnahme

Und E-Akten? In der Digitalisierungsgeschichte der Berliner Verwaltung stehen die ja fast schon sinnbildlich für die misslungene Digitalstrategie des Senats. Schließlich versucht der seit Jahren, im Rahmen seines „E-Government-Gesetzes” die elektronische Akte in Berlin salonfähig zu machen und flächendeckend einzuführen. Vor 2025 wird das nach jüngsten Informationen aber wohl nicht passieren. Im Bürgeramt Pankow ist man da zumindest ein wenig digitaler: „Unsere Akte ist das Melderegister”, sagt Elstermann. Das sei zwar genau genommen nicht DIE E-Akte, aber zumindest schon mal eine digitale Lösung. Papierakten würden zwar teilweise auch noch angelegt. „Aber das ist nicht mehr die Regel”. Ein großer Vorteil ist in Elstermanns Augen auch, dass die Bürgerämter schon recht lange mit der digitalen Arbeit vertraut sind. „Wir haben schon vor 20 Jahren mit dem elektronischen Melderegister und dementsprechend mit Computern gearbeitet, als in anderen Ämtern, wie dem Sozial- oder Jugendamt, noch alles analog gemacht wurde”.

Viel mehr seien es die geltenden Gesetze, die an mancher Stelle die vollständige Digitalisierung verhinderten, sagt Elstermann. Beispielsweise muss, wer eine Wohnung anmelden will, nach wie vor persönlich vorstellig werden – so steht es im Gesetz. Auch dass der Personalausweis von der heimischen Couch aus beantragt werden kann, wird wohl erst einmal ein Luftschloss bleiben: „Dafür muss der Mitarbeiter vor Ort das Gesicht sehen und die Fingerabdrücke nehmen”, so Elstermann. Der Fachbereichsleiter glaubt aber auch, dass gewisse Gesetze in naher Zukunft umgeschrieben werden müssen. „Auch hier muss man den Weg frei für die Digitalisierung machen”.

Zumindest in einigen Bereichen ist das dem Bürgeramt Pankow schon gelungen: Ein Parkausweis beispielsweise kann inzwischen komplett elektronisch beantragt und ausgestellt werden. Und auch bei der Meldebescheinigung haben die Bürger*innen die Wahl: Wollen sie die persönlich vor Ort beantragen oder lieber per Internet? Dass einmal das gesamte Bürgeramt im Home-Office sitzen könnte, kann sich Mark Elstermann aber nicht vorstellen. „In einigen Fällen wird die persönliche Vorsprache immer notwendig sein, nicht zuletzt aus Sicherheitsgründen bzw., um Manipulation zu vermeiden”.

 

Digital tagen ist laut Gesetz nun auch möglich

Der Fachbereichsleiter ist trotzdem optimistisch: „Corona bringt uns gerade einen große Schwung. Schon allein, weil der Druck viel größer ist, auf digitale Lösungen umzustellen.” So richtig gelingt das im Bürgeramt Pankow allerdings noch nicht: Von rund 60 Mitarbeiter*innen konnten sich bisher gerade mal zwei in die Tele-Arbeit nach Hause versetzen lassen. Alle anderen kommen – wenn auch unter Hygienevorkehrungen – nach wie vor ins Büro.

Im nahegelegenen Bezirksamt ist die Situation, wie gesagt, nicht viel besser. Was die regelmäßigen Tagungen angeht, finden die im Bezirk Pankow nach wie vor im BVV-Saal statt – übertragen werden sie nur für interessierte Gäste. Vielleicht aber könnte auch hier bald der nächste große Schritt erfolgen: Schließlich hat das Berliner Abgeordnetenhaus inzwischen auch den Weg für Tagungen per Videokonferenz freigemacht. Mit dem „Gesetz zur Änderung des Bezirksverwaltungsgesetzes zur Sicherstellung der Arbeitsfähigkeit der Bezirksverordnetenversammlungen in außergewöhnlichen Notlagen“ dürfen die Berliner Bezirksverordneten künftig auch online tagen und Beschlüsse fassen.

Die Bezirke Reinickendorf und Charlottenburg-Wilmersdorf haben schon im vergangenen Jahr damit angefangen, und auch Friedrichshain-Kreuzberg hat inzwischen per Videokonferenz getagt – wenn auch nicht ohne technische Probleme. Was die Live-Übertragung für Gäste betrifft, hat Pankow mit seinem einwandfreien Probe-Stream bislang die Nase vorn. So glatt lief es tatsächlich in keinem anderen Bezirk. Na, vielleicht wird es ja doch noch was mit der digitalen Revolution in Pankow?

 

Foto: Unsplash / Federica Galli

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