Pfarrer Johannes Schwartzkopff

Wie ein Prenzlauer Berger Pfarrer Juden versteckte

von Kristina Auer 6. November 2018

Widerstand gegen den Nationalsozialismus gab es auch in Prenzlauer Berg – zum Beispiel in den Kirchengemeinden. Die viel zu unbekannte Geschichte von Pfarrer Johannes Schwartzkopff.


Käthe Kollwitz schrieb am 7. September 1939 kurz nach Kriegsbeginn in ihr Tagebuch:

Pfarrer Schwartzkopff war hier. Grundsätzlicher Gegner Hitlers hält er es jetzt doch für seine Pflicht, in der Kirche zum Gehorsam gegen die Obrigkeit aufzufordern. Er deutet es so: Gott hat zugelassen, dass Hitler Führer Deutschlands wird, also dürfen wir nicht dagegen aufmucken. Wir können Gott nur bitten, dass er Hitler mit seiner Gnade erleuchte. Für mich unverständlich. Ferner nimmt Schwartzkopff an, dass Gott jetzt bald Schluss machen werde mit dieser verkorksten Schöpfung. Er wird alles untergehen lassen und dann eine neue und bessere Schöpfung machen.

Kollwitz und der Pfarrer hatten einen gemeinsamen Freund, den Künstler Ernst Barlach – seine Arbeiten galten unter den Nationalsozialisten als entartete Kunst. Barlach starb 1938, bei seiner Beerdigung lernten Kollwitz und Schwartzkopff sich kennen und freundeten sich an. Schwartzkopffs Rede vor den Trauergesellschaft soll Kollwitz als „gut und sehr ernst“ bezeichnet haben. Einer Meinung waren beide längst nicht immer, zeigt der obige Tagebucheintrag.

 

„Gegen einfache Gesetze der Menschlichkeit“

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Schwartzkopff Immanuelkirche

Die Immanuelkirche um 1945. (Foto: Archiv der Ev. Immanuel-Gemeinde)

Als Schwartzkopff 1937 als Pfarrer an die Prenzlauer Berger Immanuelkirche versetzt wird, tobt in der evangelischen Kirche ein Kampf: Während die rassistische Strömung der Deutschen Christen den Protestantismus mit dem Nationalsozialismus gleichschalten wollen, stellt sich die Oppositionsbewegung der Bekennenden Kirche gegen die Mitsprache des NS-Regimes in Lehre und Organisation der Evangelischen Kirche. Als Gründungsmitglied der Bekennenden Kirche hatte Schwartzkopff bereits seinen Posten als Domprediger im mecklenburgischen Güstrow verloren und war schon einmal wegen „heimtückischer Angriffe gegen die Regierung“ verhaftet worden.

Zurück in Berlin, wo er weitgehend aufgewachsen war, intensiviert sich Schwartzkopffs Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Er wirbt für den Beitritt zur Bekennenden Kirche, spricht offen über die Arbeit und Verfolgung seines Freundes Ernst Barlach und setzt sich zunehmend für Juden und Christen jüdischer Herkunft ein. In einer Predigt verurteilt Schwartzkopff das Vorgehen der Nazis gegen die Juden als Verstoß „gegen einfache Gebote der Menschlichkeit“. Er tauft und konfirmiert jüdische Kinder und erteilt Konvertitenunterricht, um sie vor den Nationalsozialisten zu schützen. Eine christliche Taufe konnte zwar nicht den Rassestatus ändern, doch zumindest Zeit verschaffen und oftmals vor der Deportation verschonen. Von 1937 bis 1939 werden in der Immanuelkirche jedes Jahr fünf bis sechs Täuflinge getauft, die mindestens einen jüdischen Elternteil haben. Den nationalsozialistischen Kräften innerhalb der Kirche ist Schwartzkopff ein Dorn im Auge. Das Gemeindehaus wird zur gleichen Zeit für die Veranstaltung von Elternabenden an die Hitlerjugend vermietet. Aus ungeklärten Gründen bleibt ein Verbot der sogenannten „Judentaufen“ aus.

 

Verhaftungen und Verstecke

Porträt Johannes Schwartzkopff

Pfarrer Johannes Schwartzkopff 1937 (Foto: Archiv der Ev. Immanuel-Kirchengemeinde)

Weniger als zwei Monate nach seinem Amtsantritt im Mai 1937 wird der Pfarrer erneut festgenommen und in das Gefängnis Plötzensee gebracht, der genaue Zeitraum ist nicht mehr bekannt. Eine weitere Verhaftung folgt kurz nach der Reichspogromnacht am 9. November 1938. Mehrfach wird Schwartzkopff wegen „heimtückischer Angriffe auf Staat und Regierung“ angegriffen, doch immer wieder freigesprochen.

Mit zunehmender Verfolgung der Juden beginnen Schwartzkopff und seine Frau Helene, jüdische Familien aus ihrem Umfeld mit Lebensmittelmarken und Geld zu versorgen. In den Kirchen regte sich zunehmend Widerstand, auch in der nahegelegenen katholischen Herz Jesu Kirche wurden Juden versteckt. Der Pfarrer half verfolgten Menschen , unterzutauchen. Einen befreundeten Rabbiner habe er mit den Worten „den müsst ihr verstecken“, bei einem Gemeindemitglied abgeliefert, berichtet eine Zeitzeugin. Später sei dem Rabbiner die Flucht in die Schweiz gelungen.

 

„Pfarrer Schwartzkopff saß oft bei der Gestapo“

Ganz ohne Widersprüche ist auch die Biographie des Gemeindepfarrers nicht. In einer Verteidigungsschrift vom März 1939 bezeichnet sich Schwartzkopff als einen Menschen „mit Blick für die jüdische Gefahr“ und dankt der Regierung für die „Klärung der Rassenfrage“. Angesichts einer drohenden Verurteilung ist diese Aussage nicht objektiv als persönliche Überzeugung zu deuten. Trotzdem sei sie typisch für die ambivalente Haltung der Kirche während der NS-Zeit, schreibt der Buchautor Jonas Herms. Auch für viele Christen, die verfolgte Juden unterstützten, seien diese Angehörige eines fremden Volkes gewesen.

Schwartzkopff nutzte auch seine Kontakte nach Mecklenburg. So ist bekannt, dass er die junge Marie Dessauer, deren Familie bereits nach Auschwitz deportiert worden war, zu einem bekannten Pfarrer vermittelte. Mit dem Decknamen Maria Weber getarnt zog Dessauer von Pfarrhaus zu Pfarrhaus und überlebte den Krieg. Gleichzeitig brachten Schwartzkopff und sein Helferkreis auch verfolgte Jugendliche aus Mecklenburg in der Gemeinde unter. Auch dem späteren Kinderbuchautor Sigmar Schollak aus der Christburger Straße erteilte Schwartzkopff Konfirmandenunterricht. Schollaks bekanntestes Buch ist „Das Mädchen aus Harrys Straße“ – der Christburger Straße. Es erzählt die erste Liebe eines Jungen zu einem jüdischen Mädchen aus der Nachbarschaft. Über den Pfarrer, der ihn taufte, sagte Schollak später: „Pfarrer Schwartzkopff saß oft bei der Gestapo, er war ein erstaunlicher Mann.“

 

Zum 50. Todestag von Pfarrer Johannes Schwartzkopff findet am 18. November um 11 Uhr ein Gedenkgottesdienst in der Immanuelkirche statt. Anschließend wird das Grab auf dem Friedhof Mariendorf besucht.

Am 21. November um 11 Uhr wird eine Gedenktafel zu Ehren von Johannes Schwartzkopff vor der Immanuelkirche enthüllt.

Weitere Informationen bei der Gemeinde

 

Zwei Bücher sind über das Wirken von Johannes Schwartzkopff erschienen: 

* Mark Pockrandt, Uta Motschmann: Die Immanuelkirche Prenzlauer Berg. Kirchliches Leben seit 1893, be.bra wissenschaft verlag, Berlin, 2018.

* Jonas Herms: Mit Kraft und Licht wider den Ungeist der Zeit. Das Leben des Pfarrers Johannes Schwartzkopff (1889-1986), Vergangenheitsverlag, Berlin, 2012.

 

(Foto: Pfarrer Johannes Schwartzkopff (5.v.l.) um 1958, © Archiv der Evangelischen Immanuel-Kirchengemeinde)

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