Für die Tonne

von Thomas Trappe 27. Januar 2016

Im Winskiez haben Anwohner genug von der Vermüllung des Stadtplatzes – und beschimpfen die Betreiber einer Burgerbude. Jetzt wollen Amt und Betreiber zusammen für mehr Sauberkeit sorgen.

UPDATE

Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) hat beschlossen, eine Kooperation mit den umliegenden Restaurants und Läden zu entwickeln. Vier neue Mülleimer soll der Stadtplatz an der Marie bekommen, die alten sollen krähensicher gemacht werden. Die privaten Betreiber beteiligen sich finanziell an der Müllentsorgung und sollen dafür mit Aufklebern Werbung machen dürfen. Die Zusammenarbeit zwischen Amt und Einzelhandel im Winskiez soll als Modell ausprobiert werden: Bei Erfolg könnte es auch auf anderen Plätzen und Grünflächen angewandt werden, heißt es von der BVV.

(Update: Kristina Auer)

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ARTIKEL vom 10. Juni 2015:

 

Burgermäßig sind dem Burgerladen in der Marienburger Straße keine Vorwürfe zu machen. Das Fleisch tropft, der Salat konterkariert zurückhaltend das Fett, und über die Pommes muss man auch nicht schimpfen, wiewohl sie etwas dünner sein könnten. Andere Sachen kann man dem Laden sehr wohl vorhalten. Dass die Kellner immer so brüllen zum Beispiel: Nach der Bestellung beschleicht einen gelegentlich das Gefühl, man hätte sich gerade gestritten. Seit Neuestem wird hier noch mehr gebrüllt, berichten Beobachter, und es geht nicht um den Hackanteil im Brötchen. Sondern um Burger-Müll, der sich auf dem angrenzenden Stadtplatz „Marie“ verteilt, einer 6.000 Quadratmeter großen Grünfläche samt Spielplatz. Der Marienburger Müllstreit hat grundsätzliche Dimensionen,  weil das Problem zunehmender Vermüllung in Prenzlauer Berg sich hier in einer greifbaren Konfrontation niederschlägt. Am heutigen Mittwochabend wird darüber im Bezirksparlament diskutiert.

 

Müll am Stadtplatz Marie

So sah es vorgestern am Stadtplatz Marie aus. (Foto: Constanze Siedenburg)

 

Constanze Siedenburg sitzt in der Grünen-Fraktion der Bezirksverordnetenversammlung (BVV), und sie reicht besagten Beschlussantrag ein. „Ich habe mich sozusagen selbst beauftragt, das Thema auf die Tagesordnung zu bringen“, sagt sie und meint damit, dass sie eigentlich als Vorsitzende des Mini-Vereins „Freundeskreis Marie“ auf den Plan tritt. Siedenburg engagiert sich nach eigenen Aussagen seit 1997 für den Kiez, den Freundeskreis gründete sie 2009, zwölf Mitglieder habe er heute. Die Vermüllung des riesigen Spielplatzes und des Tischtennisareals davor sei schon länger ein Problem, berichtet sie, „seit einem halben Jahr kippt die Stimmung“. Anwohner wendeten sich in ihrem Frust, meist lautstark, an die Mitarbeiter des Burgerladens. Denn von hier, so der verbreitete Eindruck, komme ein Großteil des auf und um den Spielplatz abgeladenen Mülls. Tüten mit Servietten und Burgerpackungen würden liegen gelassen und dann durch Wind und Tier auf dem gesamten Gelände verbreitet. Nicht so sehr aus bösem Willen, sagt Constanze Siedenburg. „Sondern weil es an Mülltonnen fehlt.“ Viele Tüten mit Burgermüll würden sogar gewissenhaft verknotet – und dann vor die völlig zugestopften Mülltonnen gelegt, denen es oben schon wieder herauskommt. 

 

Ein „Konglomerat an Widerlichkeiten“

 

Constanze Siedenburg isst selber gerne bei MarienBurger, die Chefin kennt sie persönlich, beide wohnen im gleichen Haus. Die Grüne verteidigt den Laden. „Die kennen das Problem und weisen ihre Kunden auch darauf hin“, sagt sie. Tatsächlich war es Babette Popp selbst, die Geschäftsführerin von MarienBurger, die auf Siedenburg zukam. Schon vor einigen Jahren habe sie versucht, bei der Berliner Stadtreinigung (BSR) eine Tonne zu bestellen, die dann im Park aufgestellt werden sollte. „Die Kosten hätten wir übernommen“, sagt Popp. Nur sei dies nicht möglich, weil Privatleute keine Müllbehälter für eine bezirkliche Grünanlage bestellen könnten. Popp ist von der Vermüllung genauso genervt wie die Anwohner, die sie dafür verantwortlich machen. „Das Problem ist, dass die Mülleimer am Stadtplatz zu klein sind und oben geöffnet“, sagt sie. Letzteres ist relevant für die Krähen und anderes Getier, das vor allem nachts Müll aus den Eimern zerrt und dann mit Hilfe des Windes über den gesamten Platz verteilt, neben Fastfoodverpackungen gerne auch mal ein paar gefüllt Windeln.

Dieses „Konglomerat an Widerlichkeiten“, so Constanze Siedenburg, soll das Amt nun zusammen mit MarienBurger angehen. Aber auch mit den anderen Imbissbetreibern der Straße, denn auch Pizza- und Sushipackungen fänden sich immer wieder auf dem Spielplatz, genauso wie Verpackungen aus dem nahe gelegenen Kaiser’s. Siedenburg fordert in ihrem Beschlussantrag deshalb eine breit angelegte Kooperation unter Regie des Grünflächenamts, mit dem Ziel, Imbissbetreiber und andere Gewerbetreibende „zur Müllvermeidung anzuregen und an den Entsorgungskosten finanziell zu beteiligen“.

 

Müll ist im ganzen Stadtteil ein Problem

 

Eine mögliche Zusammenarbeit in der Marienburger Straße soll dabei nur der Anfang sein. Denn überquellende Mülltonnen sind in Prenzlauer Berg inzwischen ja ein generelles Problem. Am Humannplatz berichten Anwohner von untragbaren Zuständen, täglich und vor allem am Wochenende zu besichtigen sind selbige im Mauerpark. Und wehe dem, der am S-Bahnhof Eberswalder Straße oder anderen hochfrequentierten Orten Prenzlauer Bergs mit einer leeren Dönerverpackung konfrontiert ist und dem Bestreben, diese sachgerecht zu entsorgen. „Es ist das alte Problem, das wir im ganzen Bezirk sehen: Die Vernachlässigung des öffentlichen Raums.“ Sagt Jens-Holger Kirchner, grüner Parteifreund Siedenburgs und als Stadtrat zuständig für das Grünflächenamt. Für ihn sind vor allem verantwortungsvolle Bürger gefragt, und nicht so sehr mehr Mülltonnen.

 

Müll im Mauerpark

Auch im Mauerpark ist die Vermüllung ein drängendes Problem. (Foto: jw)

 

Die Idee, sich vom Marienburger einen BSR-Müllcontainer sponsern zu lassen, so muss man Kirchners Reaktion zusammenfassen, ist wohl eher für die Tonne. „Das geht einfach nicht“, bestätigt er Babette Popps Erfahrungen, da der Platz dem Bezirk gehöre und hier die BSR nicht zuständig sei. Außerdem spreche dagegen, dass Hausmülltonnen auf öffentlichem Grund gerne von Anwohnern genutzt und zum Leuchtturm für illegale Sperrmüllabladungen würden. „Da haben sie dann ganz schnell alles Mögliche drin“, so Kirchner. Durchaus könne er sich aber vorstellen, neue Müllcontainer am Stadtplatz aufstellen zu lassen. Die allerdings müssten erst einmal „gebaut werden“, sagt er.

 

Stadtrat wirft Nutzern Faulheit vor

 

Denn Mülltonnen sind nicht einfach Mülltonnen. Die Öffnungen, erklärt Kirchner, müssten groß genug sein, damit man problemlos was einwerfen kann, und klein genug, damit sie Tiere nicht verwüsten können. Auch auf die Größe der Behälter komme es an. Kirchner verweist auf die riesigen „Unterflurbehälter“ im Mauerpark, die halb unter der Erde lagern und nur mittels eines Lkws entsorgt werden können. An der Marienburger Straße komme dies, drittens, nicht in Frage. Das Ganze sei auch eine Geldfrage. 100.000 Euro, so Kirchner, gebe der Bezirk jährlich beispielsweise alleine dafür aus, „dass jeden Montag der Mauerpark sauber ist“. Was nichts daran ändert, dass am Dienstag davon oft nichts mehr zu sehen ist. Mehr Mülltonnen, wie sie für den Mauerpark gerade zum Beispiel der BVV-Piratenverordnete Jan Schrecker fordert, würden daran wohl auch nicht viel ändern, so Kirchner, „Der Mauerpark ist ja jetzt quasi schon ein einziger Müllbehälter. Alle dreißig Meter haben sie dort Tonnen. Die Leute müssen sie aber auch benutzen.“

Kirchner denkt an den Streifen entlang des Mauerrestes auf dem Mauerparkhügel. Jan Schrecker fordert, dort alte Müllbehälter zu reparieren und neue aufzustellen. Stadtrat Kirchner glaubt nicht, dass das viel ändern würde. Viele der Sprayer, die sich an dem Mauerrest publikumswirksam betätigen, ließen ihre leeren Spraydosen nach verrichteter Arbeit an Ort und Stelle liegen. „Dabei wollen sie doch die Stadt verschönern. Warum nehmen sie dann nicht ihren Müll mit?“ Er glaubt nicht, dass nur mit zusätzlichen Müllbehältern dem Problem beizukommen ist, sei es im Mauerpark oder an der Marienburger Straße. Nötig sei vielmehr ein Umdenken bei den Nutzern der Grünfläche. „Es sind öffentliche Anlagen. Da sollten sich auch alle Nutzer angesprochen fühlen, diese sauber zu halten.“ 

 

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