Pfefferbräu: Zurück in die Zukunft

von Susanne Grautmann 10. Januar 2014

Früher war der Prenzlauer Berg der Bierkeller Berlins. Nach einer langen Pause wird in den alten Brauereien nun wieder gebraut. Ein Besuch im Pfefferberg.

Aus dem Schornstein am Pfefferberg steigt weißer Dampf auf. Als sich die Tür zur Schankhalle öffnet, schlägt einem der süßliche Geruch von Malz entgegen. Es dröhnt und zischt; drei mächtige Kupferkessel füllen den Raum in der Mitte fast vollständig aus. Zwischen diesen läuft Thorsten Schoppe hin und her. Beinahe hätte man ihn übersehen, so gewaltig sind die Kessel. Schoppe ist der Braumeister der Pfefferbräu-Brauerei, die seit November an historischer Stätte wieder Bier produziert.

Schon im Jahre 1841 hatte Joseph Pfeffer aus Bayern auf der kleinen Anhöhe an der Schönhauser Allee die Brauerei Pfeffer gegründet. Andere Brauer folgten seinem Beispiel, denn im ansteigenden Untergrund des Prenzlauer Bergs ließen sich prima Gärkeller anlegen, die für die Produktion des an Beliebtheit gewinnenden untergärigen Bieres notwendig waren.

Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurde der Prenzlauer Berg so zum bedeutendsten Brauereistandort Berlins. Mehr als 20 von ihnen waren zu der Zeit hier ansässig. 1921 kaufte die Schultheiß-Brauerei die Brauerei Pfeffer auf und legte die Produktion still. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Schankhalle bei einem Bombenangriff in Schutt und Asche gelegt. Fortan fristete sie ein Dasein als Ruine.

 

Neues Leben in der alten Schankhalle

 

Erst 2007 entwickelten Norbert Lassek und Ralf Möller-Flohr als Geschäftsführer des gemeinnützigen Via-Verbundes, der sich unter anderem für die Integration von Menschen mit Behinderungen einsetzt, gemeinsam mit den Theaterbrüdern Ingo und Ralph Woesner eine Vision: Sie wollten die Schankhalle wieder aufbauen und dem alten Brauereistandort neues Leben einhauchen. „Es war von vorneherein klar, dass hier wieder Bier gebraut werden sollte“, erzählt Susanne Adam, die sich um die Öffentlichkeitsarbeit der Schankhalle kümmert.

Vor zwei Monaten nahmen sie den Betrieb auf; es gibt aber noch viel zu tun. Denn zusätzlich haben die Betreiber ein Restaurant und ein Theater in der Schankhalle eröffnet, im Sommer soll ein Biergarten folgen. Dabei ist die Halle ein gemeinnütziges Unternehmen, das die Hälfte seiner 26 Arbeitsplätze an Menschen mit Behinderungen vergibt.

Braumeister Schoppe war heute schon um 8.30 Uhr zur Stelle, um Malz und Wasser zu mischen und damit die Grundlage für mehr als 700 Liter seines neuen Bieres zu legen. Auch Mitten im Winter steht er in Jeans und T-Shirt auf der kleinen Empore, die zu den Kesseln hinaufführt. Diese strahlen mehr als genug Wärme ab – immerhin brodelt das Gebräu in ihrem Inneren bei knapp 100 Grad Celsius. „Ich braue ein Stout, ein fast schwarzes Bier, mit satten neun Prozent Alkoholgehalt“, erklärt er. Seine Augen glänzen. Der Diplom-Ingenieur Brauwesen scheint seinen Traumberuf gefunden zu haben. Neben seinem Job am Pfefferberg ist er auch Braumeister im Brauhaus Südstern, einer der Säulen der unabhängig von großen Firmen arbeitenden Mikro-Brauerei-Szene in Berlin.

 

150 Sorten Hopfen

 

Entscheidend für den Geschmack des Bieres ist der Hopfen, den Schoppe zugibt, sobald die Flüssigkeit den Siedepunkt erreicht hat. „Es gibt mehr als 150 Hopfensorten, die ganz verschiedene Aromen haben: Orange, Zitrone, Grapefruit. Viele von ihnen importiere ich aus den USA oder Neuseeland, wo die Mikro-Brauereien schon eine längere Tradition haben als hier in Deutschland. Diese Aromen werden alleine durch die Zucht gewonnen, es werden keine künstlichen Stoffe hinzugesetzt“, erklärt der Braumeister.

Dampf schlägt ihm entgegen, als er den Hopfen in den Kessel rieseln lässt. Eine halbe Stunde später erfolgt die zweite Hopfengabe. Damit ist das Gebräu bereit für seine Reise in den Keller, wo Schoppe nur noch die Hefe hinzufügt. Diese sorgt für den Gärprozess, der den Alkohol- und den Kohlensäure-Gehalt des Bieres bestimmt. „Oben arbeitet der Brauer, im Keller die Hefe“, meint Schoppe. Alter Brauerspruch.

Ein altes, gemauertes Kellergewölbe mit hölzernen Fässern sucht man allerdings vergeblich. Stattdessen reihen sich Edelstahltanks an weiß gekachelten Wänden, Neonlicht leuchtet den Raum bis in den letzten Winkel aus. Was ist aus dem Keller der alten Brauerei Pfeffer geworden, der mit seinen 65 Metern Länge und 9 Metern Höhe seinerzeit der größte Berlins war? „Der ist für die Öffentlichkeit nicht mehr zugänglich, seit ein chinesischer Investor ihn gekauft hat. Das Gerücht, dass Ai Weiwei hier demnächst ein Atelier beziehen soll, macht die Runde“, erzählt Sprecherin Susanne Adam. Der chinesische Künstler wäre jedenfalls in bester Gesellschaft: Sein dänischer Künstlerkollege Olafur Eliasson hat bereits ein Atelier auf dem Pfefferberg.

Hier weiterlesen und kommentieren im Teil 2: „So, wie es ist, kann es bleiben“ 

 

Teil 1: „Pfefferbräu: Zurück in die Zukunft“ 

Teil 2: „So, wie es ist, kann es bleiben“

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