Bürokratie für die Tonne

von Constanze Nauhaus 8. Mai 2017

Über 1000 Beschwerden mit dem Stichwort „Abfall“ haben die Pankower allein in diesem Jahr beim Ordnungsamt gemeldet. Typische Beispiele: Burgermüll an der Marie und Mülldeponie hinter den Schönhauser Allee Arcaden.

Uns Prenzlauer-Berg-Kindern wurde ja immer prophezeit, mit der Flüchtlingswelle aus Süddeutschland der letzten Jahr(zehnt)e werde auch eine gewisse Reinlichkeit in den Bezirk schwappen. Dass dem nicht so ist, verrät auch in diesem verhaltenen Spätfrühling wieder ein Blick auf die Straße und ein zweiter auf den Bildschirm: Verpackungsmüll und Möbelstücke zieren wie eh und je Straßenrand und Grünflächen. Und auf der Kartenansicht der App Ordnungsamt Online erkennt man vor lauter grünen und gelben Markern kaum noch die Straßennamen. Über tausend Beschwerden mit dem Stichwort „Abfall“ haben entrüstete Pankower allein in diesem Jahr in die Tastatur gehackt. „Und interessanterweise zeigt die App ‚erledigt‘ an“, berichtet eine Leserin, die in regelmäßigen Abständen die inoffizielle Müllhalde auf der Brache hinter den Schönhauser Allee Arcaden meldet, wo Müll und alte Möbelstücke auf einer Brache den Bahndamm säumen.

 

„Das Auge des Bezirksamtes“

 

„Das Ordnungsamt ist ja nur das Auge des Bezirksamtes.“ Wenn es um seine Mitarbeiter geht, wird Daniel Krüger (für AfD), der neue Herr über Pankows Unordnung, geradezu poetisch. Das Auge also, nicht aber die Hand: „Wird eine Beschwerde online angezeigt, prüfen die Ordnungsamtmitarbeiter das und leiten es an den Zuständigen weiter.“ Im Falle der Müllkippe neben der Greifenhagener Brücke ist das die BSR. Für den Müll auf der Brache selbst hingegen die Deutsche Bahn, der das Gelände gehört und die als Eigentümer somit auch für die dortige Sauberkeit zuständig ist. Während die kleine, virtuelle Ampel auf Ordnungsamt Online also alsbald auf grün schaltet und von einem fröhlichen „Erledigt“ flankiert wird, bleibt der gemeldete Abfall liegen. „Für das Ordnungsamt ist die Sache damit erledigt„, erklärt Krüger. Das Amt hat die BSR aufgefordert, den Müll zu beseitigen. Ende Gelände.

Für das Ordnungsamt ist die Sache hiermit erledigt – obwohl der Müll liegenbleibt. (Screenshot: Ordnungsamt Online)

 

Ganz glücklich scheint Krüger mit dem versuchten Einzug seines Amtes ins digitale Zeitalter nicht zu sein. Denn so eine Online-Meldung ist schnell gemacht, aber mit dem vorhandenen Personal kann der Bezirk gar nicht alle Meldungen bewältigen. „Alle reden von einer wachsenden Stadt, aber die hat auch wachsende Anforderungen“, so Krüger. „Der Personalstand muss verjüngt und vergrößert werden.“ Verjüngt? „Das Ordnungsamt soll für die Bürger Ansprechpartner sein“, erklärt er. „Bislang wird es nur im konfrontativen, negativen Kontext gesehen.“ Klingt ganz nach einer Freundlichkeitsoffensive à la #DaFürDich der Berliner Polizei.

 

Alles beim Alten auf der „Marie“

 

Auch beim Straßen- und Grünflächenamt sieht es nicht besser aus, was der Stadtplatz an der Marie derzeit zum wiederholten Male eindrucksvoll demonstriert. Ein Jahr, nachdem die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) gemeinsam mit ansässigen Einzelhändlern beschloss, das dortige Müllproblem anzugehen, flattern dort immer noch die Burger-, Pizza- und Sushiverpackungen umher und werden von glücklichen Krähen auf dem gesamten Platz verteilt. Dabei sollten schon längst vier neue, krähensichere Mülleimer die alten ersetzen. „Passiert ist seitdem nichts“, sagt Babette Popp, Geschäftsführerin der MarienBurgerie (ehemals Marienburger) mit ungläubiger Frustration. Mittlerweile hätten sie von Plastik auf Papier- und Pappverpackungen umgestellt, denn besonders an den Plastikabfällen hätten viele Anstoß genommen. „Ist zwar umweltfreundlicher, aber das löst das Problem ja auch nicht.“ Noch sei es nicht warm genug zum kollektiven Draußen-Essen, aber die Saison steht vor der Tür. „Es scheint schwierig zu sein, Mülleimer mit Deckel zu finden“, so Popp mit leisem Spott.

 

Frühlingserwachen mit Plastikmeer am Stadtplatz an der Marie (Foto: ka)

 

Kein Geld, um sich finanziell unterstützen zu lassen

 

„Aufgrund der sehr begrenzten Unterhaltsmittel war eine Beschaffung neuer Abfallbehälter im Haushaltsjahr 2016 leider nicht mehr möglich“, erklärt Grünen-Stadtrat Vollrad Kuhn. Aber, frohlockt der Herr der bezirklichen Grünflächen: Gleich im neuen Haushaltsjahr wurden neue Abfallbehälter mit Abdeckung für den Bezirk beschafft, wovon vier voraussichtlich Ende Mai auf der Marie aufgestellt werden – Last Minute vor dem großen Fressen. Allerdings sei eine Kooperation mit Gewerbetreibenden aufgrund der „chronischen Personal-Unterbesetzung (…) zwar wünschenswert, jedoch ressourcenbedingt in absehbarer Zeit nicht möglich.“ Heißt: Kein Geld und kein Personal da, um sich finanziell unterstützen zu lassen. Hinter der Müllhalde an der Greifenhagener Brücke werden laut unserer Leserin übrigens inzwischen Hundewelpen und Drogen verkauft. Wie es aussieht, ist vor allem die Bürokratie für die Tonne.

 

Heute schon was fürs Karma getan? Wie wärs hiermit: Unabhängigen Lokaljournalismus unterstützen!

Das könnte Dich auch interessieren

Hinterlasse einen Kommentar